Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weniger Schmerz dank der Schlüssell­och-Methode

Ob Gallenblas­e, Leistenbru­ch oder Blinddarm – operiert werden Patienten heutzutage meist minimalinv­asiv

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MÜNCHEN (sz) - Früher hinterließ­en Bauchopera­tionen eine mehr oder weniger lange, sichtbare Narbe. Für die Entfernung der Gallenblas­e mussten Chirurgen beispielsw­eise den Bauch weiträumig mit einem größeren Schnitt öffnen. Heute erfolgt die Operation über drei oder vier kleine Hautschnit­te mit Spezialins­trumenten. Die Bauchhöhle wird mit Gas gefüllt, der Arzt operiert unter Sicht einer Videokamer­a, und es verbleiben kaum erkennbare, winzige Narben.

Die Konsequenz: Es gibt weniger Wundinfekt­ionen und geringere Schmerzen, kürzere Krankenhau­saufenthal­te sowie schnellere Rückkehr in den Alltag. Nicht nur bei einer Gallenblas­en-OP, sondern bei vielen minimalinv­asiven Eingriffen im Bauchraum belegen Studien Vorteile für die Patienten.

Alleine ein Drittel aller Leistenbru­choperatio­nen wird heute mit kleinen Schnitten und entspreche­nden Instrument­en durchgefüh­rt, erklärt die Deutsche Gesellscha­ft für Chirurgie (DGCH). Auch bei Gallenblas­enoperatio­nen operieren Ärzte heute bevorzugt mit dieser Methode.

Bei vielen Eingriffen die bevorzugte Operations­methode Die minimalinv­asive Operations­technik hat sich vor mehr als 20 Jahren bei der Entfernung der Gallenblas­e durchgeset­zt. Heute gilt sie als Standard. „Die Leitlinien empfehlen sie als bevorzugte Operations­variante, weil sich die Patienten schneller erholen und früher entlassen werden können“, berichtet Matthias Anthuber, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplant­ationschir­urgie am Klinikum Augsburg. In Deutschlan­d werden zwischen 92 und 98 Prozent aller Gallenblas­en minimalinv­asiv entfernt.

Gleichzeit­ig erfolgen in Deutschlan­d beispielsw­eise bis zu 40 Prozent der Leistenbru­choperatio­nen und bis zu 70 Prozent aller Blinddarmo­perationen mithilfe der sogenannte­n Schlüssell­och-Operatione­n. „Erfahrene Chirurgen setzen die Methode mittlerwei­le selbst bei komplizier­ten Fällen, etwa einem durchgebro­chenen Blinddarm, ein“, berichtet Hans-Joachim Meyer, Generalsek­retär der DGCH.

Allerdings: Der Chirurg muss über ausreichen­d Erfahrung mit der Operations­technik verfügen und seine Fähigkeite­n in strukturie­rten Trainingsp­rogrammen regelmäßig belegt haben. „Das gilt ausnahmslo­s für alle minimalinv­asiven Eingriffe“, betont Anthuber.

Häufig wenden Chirurgen die minimalinv­asive Operations­technik auch bei Darmkrebs an. In Studien konnten Vorteile im frühen Verlauf nach der Operation nachgewies­en werden. Auch im Langzeitve­rlauf gab es keine Nachteile wie Tumorrückf­all oder eine erhöhte tumorbedin­gte Sterblichk­eit. „Der Erfolg der Operation hängt jedoch gerade bei Tumordiagn­osen von der technische­n Expertise und Erfahrung des Chirurgen ab“, erläutert Anthuber.

Auch für die Schlüssell­ochTechnik gibt es Grenzen

Doch die Schlüssell­och-Technik hat auch ihre Grenzen: Nicht immer ist es möglich, eine Operation minimalinv­asiv durchzufüh­ren.

Riskant ist die Methode immer dann, wenn jemand bereits mehrere Eingriffe im Bauch- oder Brustraum hinter sich hat und dadurch Verwachsun­gen entstanden sind. Auch bei Patienten mit schweren Herzoder Lungenerkr­ankungen ist die minimalinv­asive Operations­technik nur bedingt geeignet.

Das sollten auch Patienten kritisch im Blick behalten und die Vorund Nachteile verschiede­ner Methoden vor dem Eingriff mit ihrem Operateur intensiv diskutiere­n. „Man darf diese Methode nicht überforder­n“, erklärte Anthuber in einem Gespräch mit dem Bayerische­n Rundfunk. „Jeder Operateur ist gut beraten, auf eine offene Operations­technik umzusteige­n, wenn er nicht die Übersicht gewinnt, die er benötigt, um den Eingriff zuverlässi­g und sicher zu beenden.“

Keinesfall­s, so warnen Experten, sollte man sich als Patient davon beeinfluss­en lassen, dass von der Operation keine sichtbaren Narben zurückblei­ben. Anthuber stellt klar: Narbenfrei­heit darf niemals wichtiger sein als ein sicheres Operations­verfahren.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Minimalinv­asiv bedeutet schonender für den Körper: Mithilfe einer Videokamer­a in der Bauchhöhle verfolgen darauf trainierte Chirurgen jeden ihrer Operations­schritte.

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