Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Wenn man 80 ist, sägt man ungerne den Brustkorb auf“
Von den Risiken und Möglichkeiten einer Herzklappenoperation – Ein Gespräch mit einer Betroffenen über ihren persönlichen Weg
BERLIN - Bei Angela Jaschke (83) wurde bei einer Routineuntersuchung eine hochgradige Aortenstenose diagnostiziert. Ihre Herzklappe war so verkalkt, dass nur noch eine drei Millimeter breite Öffnung übrig war. Die neue Aortenklappe erhielt sie über die minimalinvasive Transkatheter-Aortenklappen-Implantation, kurz Tavi. Auch weil ihr Körper nach Jahrzehnten sportlicher Aktivität eine so gute Kondition hatte, konnte sie schon sechs Wochen nach der OP wieder Sport treiben und ihre Aquafitness-Gruppe trainieren. Dem Bundesverband Medizintechnologie hat sie im Rahmen einer Kampagne erklärt, wie sie mit dem Implantat lebt.
Frau Jaschke, Sie waren in Ihrer Jugend Leistungsschwimmerin und sind noch sportlich sehr aktiv. Was gibt Ihnen der Sport?
Ich habe im Alter von fünf Jahren angefangen und 15 Jahre meiner Kindheit und Jugend quasi im Wasser verbracht. Die Aquafitness-Gruppe des Deutschen Roten Kreuzes betreue ich seit 22 Jahren. Was mir der Sport gibt? Innere Zufriedenheit. Freude am Leben. Und Ausgleich: Ich komme aus dem Wasser, bin ausgeglichen und voller Kraft.
Die Diagnose Aortenstenose hat Ihr Leben verändert. Wie wurde die Erkrankung entdeckt?
Das war vor drei Jahren bei einer Routineuntersuchung. Mein Arzt meinte: „Sagen Sie mir einmal Ihre Beschwerden.“Ich hatte aber keine und fühlte mich topfit. Er insistierte: „Kein erhöhter Blutdruck? Kein Herzsausen oder Atemnot?“Das hatte ich aber wirklich alles nicht! Dann erklärte er mir, ich hätte eine stark verkalkte Aortenklappe und müsste sofort operiert werden. Ein paar Tage später wurden weitere Untersunet. ANZEIGEN chungen in der Uniklinik Mainz an mir durchgeführt und dabei wurde mir erklärt, dass in meiner Aortenklappe aufgrund der Verkalkung nur noch eine drei Millimeter breite Öffnung geblieben war, durch die das Blut fließen konnte. Deswegen durfte ich in dem Zustand gar nicht nach Hause zurückkehren und musste schnellstmöglich eine neue Aortenklappe bekommen.
Wie ging es dann weiter?
Ich musste in der Uniklinik bleiben und habe die Ärzte mit Fragen gelöchert: Ich wollte ganz genau wissen, was mit mir passiert. Der Professor stellte mir die minimalinvasive TaviMethode vor und ein Chirurg die klassische Aortenklappen-Implantation, bei der man den Brustkorb öffFür mich war es schnell klar, dass ich mit der Tavi-Methode operiert werden wollte. Mein Körper war zwar sonst fit, aber es ist auch eine Frage des Alters: Wenn man 80 Jahre alt ist, sägt man ungerne den Brustkorb auf. Auch nachdem diese Entscheidung getroffen war, habe ich meinem Operateur tausend Fragen gestellt: Ich musste mir als Laie vorstellen können, wie der Eingriff wirklich abläuft. Das ist wichtig, denn Wissen baut Ängste ab. Und wichtig ist auch die menschliche Beziehung zum Arzt, dass er sich Zeit für diese Gespräche nimmt und ein Vertrauensverhältnis entsteht.
Und wie wurde die TranskatheterAortenklappen-Implantation bei Ihnen durchgeführt? Der Katheter, in dem die neue Herzklappe ganz klein zusammengefaltet ist, wird vom Kardiologen durch das Hauptgefäß eingeführt und dann im Körper hochgeführt bis zur richtigen Stelle im Herzen – also dorthin, wo die verkalkte Klappe sitzt. Wenn es so weit ist, wird die neue Klappe durch einen Ballon aufgespannt, sie drückt die alte an die Gefäßwand und fängt an zu funktionieren. Dann wird der Katheter wieder rausgeführt. Durch die Vollnarkose merkt man nichts – auch nicht, dass ein Schnitt von ein paar Zentimetern gemacht wird, um den Katheter einzuführen. Die Methode ist schonender, weil der Brustkorb nicht geöffnet und das Herz dabei nicht stillgelegt werden muss. Natürlich muss im Vorfeld geprüft werden, dass keine weiteren Verkalkungen bestehen, damit der Katheter mit der neuen Herzklappe durchkommt.
Wie ging es nach der Operation weiter?
Ich war noch fünf Tage in der Klinik und dann vier Wochen in der Reha. Am Anfang war es schrecklich: Ich hatte Schwierigkeiten, meine Augen aufzumachen, und musste wieder laufen lernen. Aber wenn man den Hinweisen der Therapeuten folgt und versucht, auch selber mitzuhelfen, dann klappt es auch. Deswegen habe ich in dieser Situation um seelische Hilfe gebeten: Mit einer Psychologin an der Seite ging es mir tatsächlich besser. Nachdem ich wieder gut laufen konnte, das war circa zwei Wochen nach der Operation, konnte ich auch mit den Übungen im Fitnessraum anfangen. Und sechs Wochen nach der OP stand ich wieder am Wasser und habe meine Aquafitness-Gruppe trainiert.
Wie sind Sie mit der Diagnose klargekommen, und woher haben Sie die Kraft für die Reha geschöpft? Es ging alles so schnell. Ich hatte also nicht wirklich Zeit, mir negative Gedanken zu machen. Bei der Reha war ich sehr glücklich, dass mein Mann in den ersten schwierigen Wochen bei mir war, er hat alles so liebevoll mitgetragen! In solchen Situationen muss man versuchen, die richtige Balance zu finden: einerseits Geduld für Dinge haben, die wieder aufgebaut werden müssen. Andererseits aber auch den Ehrgeiz, das nun auch wirklich zu schaffen. Diese Mischung aus Können, Wieder-mehrKönnen und Geduld – das ist eine sehr wichtige Sache.
Wie würden Sie Ihre aktuelle Lebensqualität beschreiben? Hervorragend ist sie! Ich finde, dass ich in einer wunderbaren Verfassung bin, und empfinde pralles Leben. Natürlich weiß ich auch, worauf ich zu achten habe: Bei körperlichen Anstrengungen, beispielsweise nach Erkältungen, muss ich vorsichtiger sein. Ich kuriere mich richtig aus und pausiere von meinem Training etwas länger. Danach fange ich mit kleinen Übungen an und baue meine Kondition langsam wieder auf. Diese Dinge muss man wissen und beherzigen, denn das Herz muss geschont werden. Aber von meiner Verfassung her kann ich tanzen, schwimmen, laufen – ich kann alles.
Was würden Sie anderen Patienten raten, die die Diagnose Aortenstenose bekommen?
Sich ausreichend zu informieren und viele Gespräche mit den Ärzten zu führen. Für Otto Normalverbraucher ist die Methode sicherlich etwas ungewöhnlicher und vielleicht auch ein wenig unheimlich, weil man sich schwer vorstellen kann, wie ein Katheter samt Herzklappe durch den Körper geführt wird. Wenn der Brustkorb geöffnet wird, kann man es sich ja einfacher vorstellen. Aber wenn die Voraussetzungen beim Patienten gegeben sind, sollte die TaviMethode auf jeden Fall in Erwägung gezogen werden.