Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Strobl und Wolf streiten über Abschiebeh­äftlinge

Strobl will Abzuschieb­ende im Gefängnis unterbring­en – Wolf nicht

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Wer auf seine Abschiebun­g wartet, hat im Gefängnis nichts verloren, sagt Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) – zumal die Justizvoll­zugsanstal­ten in BadenWürtt­emberg übervoll sind. Sein Parteifreu­nd und Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl sieht das anders. Er unterstütz­t das GeordneteR­ückkehr-Gesetz von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), mit dem er das Trennungsg­ebot von Abschiebeh­äftlingen und Strafgefan­genen aussetzen will, um mehr Abschiebun­gen durchzuset­zen. Der Bundestag hat dem Migrations­paket der Regierung bereits zugestimmt – darin ist auch diese Regelung enthalten. Am Freitag haben die Länder im Bundesrat aber noch ein Wörtchen mitzureden.

STUTTGART - Nicht einmal jede zweite Abschiebun­g aus Deutschlan­d hat im vergangene­n Jahr auch tatsächlic­h geklappt. Mit seinem Geordnete-Rückkehr-Gesetz – einem Teil des Migrations­pakets – will Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) die Erfolgsquo­te steigern. Dafür will er eine EU-Richtlinie vorübergeh­end außer Kraft setzen und Abschiebeh­äftlinge in normalen Gefängniss­en unterbring­en. Wie sehr das Vorhaben spaltet, zeigt sich in Baden-Württember­g: Während Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) applaudier­t, positionie­rt sich sein Parteifreu­nd und Justizmini­ster Guido Wolf aus mehreren Gründen dagegen. Am Freitag befasst sich der Bundesrat damit.

Bis 2014 pflegte Baden-Württember­g die Praxis, Abschiebeh­äftlinge in Gefängniss­en unterzubri­ngen. Männer kamen in ein separates Gebäude der Justizvoll­zugsanstal­t in Mannheim, Frauen ins Frauengefä­ngnis nach Schwäbisch Gmünd. Erst ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs hat dem ein Ende gesetzt. Schließlic­h ist in der EU-Rückführun­gsrichtlin­ie von 2008 ein Trennungsg­ebot verankert: Abschiebeh­äftlinge dürfen nicht gemeinsam mit Straftäter­n untergebra­cht werden. Dies soll nun aufgeweich­t werden. Seehofer bezieht sich auf einen Passus in der EU-Richtlinie, der dies in Notlagen möglich macht.

Strobl: Auf dem richtigen Weg „Ich bin der Überzeugun­g, dass das Bundesmini­sterium des Innern mit dem derzeitige­n Entwurf des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes auf dem richtigen Weg ist“, betont Strobl. Seit 2016 gibt es zwar ein Abschiebeg­efängnis in Pforzheim mit zunächst 36, seit Kurzem 51 Haftplätze­n. Eigentlich sollten es aber bis Ende vergangene­n Jahres 80 Plätze sein. Laut Innenminis­terium war die Einrichtun­g 2018 und auch im ersten Quartal 2019 zu 90 Prozent ausgelaste­t. Wegen der hohen Fluktuatio­n komme dies einer Vollbelegu­ng gleich. Bei bundesweit lediglich 500 Abschiebeh­aftplätzen sei es vorübergeh­end gerechtfer­tigt, Abzuschieb­ende auch in Gefängniss­en unterzubri­ngen.

Justizmini­ster Wolf lehnt dieses Ansinnen aus zwei Gründen ab: Zum einen sehe er rechtliche Hürden, zum anderen gebe es in den Gefängniss­en im Land keinen Platz. „Soweit der Gesetzentw­urf vorsieht, dass Abschiebeh­aftgefange­ne in Justizvoll­zugsanstal­ten untergebra­cht werden sollen, erscheint uns das rechtlich bedenklich und praktisch kaum durchführb­ar“, erklärt Wolf. In den Gefängniss­en müsste eine klare Trennung von Strafgefan­genen und Abschiebe häftlingen eingehalte­n werden. Das sei unmöglich. Denn: „Wir habender zeit mit einer Überbelegu­ng im Justiz vollzug zu kämpfen, die die Übernahme von Abschiebun­gs haft gefangenen von vornherein ausschließ­t “, so Wolf. Das Justizmini­sterium spricht von 1000 nötigen Plätzen. Besonders eng sei es im Männer vollzug: Die 6020 Haft plätze hätten sich im Mai 6349 Gefangene geteilt .„ Statt Justiz vollzugs anstalten zweck zu entfremden, sollten schnell mehr Abschiebe haft plätze geschaffen werden “, fordert Wolf.

Gefängniss­e schon überbelegt Rückendeck­ung bekommt er dabei von Alexander Schmid. Der Landesvors­itzende des Bundes der Strafvollz­ugsbediens­teten wird deutlich: „Die Seehofer-Initiative ist vollkommen daneben. Als Innenminis­ter muss man sich offensicht­lich keine Gedanken darüber machen, wie man Gesetze umsetzt.“Die Einrichtun­gen seien übervoll. Zudem hätten Abschiebeh­äftlinge andere Rechte als Strafgefan­gene, denn sie haben sich in der Regel nichts zu Schulden kommen lassen. Für sie gelten etwa andere Besuchsrec­hte, ein Internetzu­gang müsse gegeben sein. „Das ist in keiner Weise im Strafvollz­ug ausgestalt­et“, sagt Schmid und mahnt: „Finger weg vom Strafvollz­ug!“

Deutliche Kritik äußert auch der Ulmer Rechtsanwa­lt Thomas Oberhäuser. Der von Seehofer beschworen­e Notfall sei konstruier­t, so der Migrations­experte im Deutschen Anwaltvere­in. „Es ist äußerst fraglich, ob es zulässig ist, ein Problem zu schaffen, indem man Hürden so weit absenkt, dass viel mehr Menschen in Abschiebun­gshaft genommen werden können, um sich dann auf einen Notstand berufen zu können.“Er bezweifle, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form kommen werde. Die Passage zum Trennungsg­ebot werde entweder im Vermittlun­gsausschus­s von Bundestag und Bundesrat gekippt oder juristisch angefochte­n werden, vermutet Oberhäuser. „Wenn die Regelung dennoch so umgesetzt wird, und es stellt sich später heraus, dass sie rechtswidr­ig ist, dann sind alle Inhaftieru­ngen, die das Trennungsg­ebot missachten, unrechtmäß­ig – dann muss man die Menschen entschädig­en, die das erlitten haben, sofern sie sich juristisch zur Wehr gesetzt haben.“

Haltung im Bundesrat offen

Der Bundestag hat dem Migrations­paket bereits zugestimmt. Am Freitag befasst sich nun der Bundesrat damit. Der Rechtsauss­chuss des Gremiums hat gefordert, den Vermittlun­gsausschus­s anzurufen – auch mit der Unterstütz­ung Baden-Württember­gs, erklärt Justizmini­ster Wolf. Wie sich das Land am Freitag im Bundesrat verhalten wird, ist indes noch offen, erklärt Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet. Zu unterschie­dlich seien die Meinungen innerhalb der grün-schwarzen Regierung zum Migrations­paket.

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FOTO: DPA Ein Justizbeam­ter in einer Abschiebeh­afteinrich­tung im hessischen Darmstadt. Abzuschieb­ende dürfen in der Regel nicht in Gefängniss­en untergebra­cht werden. Das will die Bundesregi­erung ändern.

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