Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Überlebender Pilot nur leicht verletzt
60 Prozent der Kampfflugzeuge können abheben – Wichtige Antworten nach dem Eurofighter-Unglück
ROSTOCK (dpa) - Der nur leicht verletzte Pilot, der die Kollision zweier Eurofighter-Kampfjets am Montag überlebt hat, steht kurz vor seiner Entlassung aus einem Rostocker Krankenhaus. Er gilt als routinierter Fluglehrer mit mehr als 3700 Flugstunden Erfahrung. Die beiden Flugdatenschreiber der Eurofighter wurden inzwischen geborgen. Die Ermittler versprechen sich davon weitere Hinweise auf die Ursache des Unglücks.
BERLIN - Die tödliche Kollision zweier Eurofighter über der mecklenburgischen Seenplatte ist der schwerste Unfall mit BundeswehrFlugzeugen seit Langem. Durch das Unglück gerät die Luftwaffe wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Wichtige Fragen und Antworten zu dem Absturz – und zum Zustand der deutschen Luftstreitkräfte.
Weiß man inzwischen mehr über den Eurofighter-Absturz? Nicht viel. Klar ist, dass es nach rund 20 Minuten des Übungsflugs eine Berührung zwischen zwei Maschinen in der Luft gab. Hinweise auf die Ursache erhofft sich die Bundeswehr von den Flugdatenschreibern. Dem überlebenden Piloten geht es nach Angaben der Luftwaffe „den Umständen entsprechend gut“. Er sei ein erfahrener Pilot und Fluglehrer und habe rund 3700 Flugstunden hinter sich. Der getötete 27-Jährige war ausgebildeter Kampfpilot mit rund 400 Flugstunden Erfahrung.
Wie ist es insgesamt um die Luftwaffe bestellt? Als Generalleutnant Ingo Gerhartz vor einem Jahr Inspekteur wurde, meldete er sich mit einem Alarmruf: „Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt.“Hauptgrund für die desolate Lage ist der Sparkurs früherer Jahre, mit dessen Folgen Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) seit Amtsantritt zu kämpfen hat. Von 128 Eurofightern nur 39 tatsächlich einsatzbereit – dieser Bericht des Ministeriums zur Materiallage sorgte 2018 für Furore. In diesem Jahr wurde der Jahresbericht vorsichtshalber als geheim eingestuft. Verantwortlich für die Misere ist auch die Rüstungsindustrie: So dauerten die Pflicht-Inspektionen oft 14 statt sieben Monate. Entsprechend lange standen die Flugzeuge nicht zur Verfügung. Inzwischen liegt die Einsatzfähigkeit der Maschinen nach Ministeriumsangaben bei 60 Prozent.
Welche Rolle spielt der Eurofighter? Die Truppe verfügte zuletzt über 140 Maschinen des Typs. Der Jet ist normalerweise einsitzig, das knapp 16 Meter lange Flugzeug fliegt mit zweifacher Schallgeschwindigkeit. Es ist für den Kampf gegen Flieger in der Luft und für Angriffe gegen Ziele am Boden geeignet. Entwickelt haben den Eurofighter Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien. Anders als der Name suggeriert, handelte es sich aber nicht um ein wirklich gesamteuropäisches Projekt. Frankreich beispielsweise scherte aus und setzte auf die Rafale-Flieger. Über den Eurofighter wurde lange gestritten, seine Entwicklung war enorm teuer. Doch die Maschine gilt nach über 15 Jahren Einsatz als äußerst zuverlässig: „Wir haben mittlerweile mehr als 100 000 Flugstunden insgesamt erflogen. Das ist der erste Flugunfall dieser Art“, sagte Generalleutnant Gerhartz. Was ist mit dem Tornado? Die Tornados sind das zweite Kampfflugzeug der Truppe und seit 1984 im Einsatz. Die Bundeswehr verfügt über 85 Maschinen, die aber bis 2025 ausgemustert werden sollen. Briten und demnächst auch Italiener haben das schon getan, entsprechend steigen die Unterhaltskosten für die Deutschen. Eine Besonderheit der Tornados ist ihre Fähigkeit zum Tiefflug. Ersatz für die Tornados gestaltet sich schwierig, denn der Kampfflieger der Zukunft (FCAS) soll erst 2040 abheben. An der Überbrückung der Lücke wird im Verteidigungsministerium mit Hochdruck gearbeitet.
Welche europäischen Kampfflieger sollen künftig abheben? Das Kürzel FCAS steht für Future Combat Air System (Luftkampfsystem der Zukunft). Dieses System soll von Frankreich und Deutschland entwickelt werden, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron schon 2017 beschlossen hatten. Der Flieger ist jenseits des Militärischen damit auch ein Symbol der Freundschaft. Inzwischen ist auch Spanien mit an Bord, erst vergangene Woche wurden auf der Luftfahrtmesse Le Bourget die Unterschriften geleistet. Erstmals gab es auch ein Modell zu sehen. Ob der Zukunfts-Flieger aber so oder doch ganz anders aussehen wird, ist noch unklar. Sicher ist nur: Es wird teuer.