Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Land zieht Lehren aus Stuttgart 21
Wie die Regierung bei Großprojekten Kostenexplosion und Dauerbaustellen künftig verhindern will
STUTTGART - Der Bahnhof Stuttgart 21 oder der Berliner Flughafen: große Bauprojekte, die immer teurer wurden und viel später fertig als geplant. „So etwas erschüttert das Vertrauen der Bürger“, konstatiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Deshalb hat die Landesregierung am Dienstag neue Regeln für ihre Bauten beschlossen.
Wer ist überhaupt zuständig? Zunächst geht es bei den Regeln um Bauten, die das Land allein verantwortet. Dazu gehören zum Beispiel Gerichte, Universitäten, Polizeidienststellen, Ministerien, Finanzämter, aber auch Museen, Schlösser oder etwa der Zoo Wilhelma in Stuttgart. An anderen Projekten wie etwa dem Tiefbahnhof in Stuttgart sind andere Partner beteiligt, etwa Städte oder die Bahn. Verantwortlich dafür ist die Bauverwaltung, die zum Finanzministerium gehört. Derzeit laufen 30 000 Sanierungen und Neubauten, davon 1800 mit Kosten zwischen 150 000 Euro und dreistelligen Millionenbeträgen.
Wie wird bisher geplant?
Ein Gebäude ist marode, eine Uniklinik braucht mehr Platz oder es fehlen Plätze in Gefängnissen: In solchen Fällen melden sich die Nutzer der Gebäude, zuständige Minister, Kommunalpolitiker oder andere. Wenn das Finanzministerium diesen Bedarf ebenfalls sieht, steigt es in die Planungen ein. Den größten Teil der anfallenden Kosten stellt das Ministerium dann in den Landeshaushalt ein – über diesen entscheidet das Landesparlament. Will man ein Projekt nicht, ist das der Zeitpunkt, es abzulehnen. Bislang versuchen Befürworter der Baumaßnahmen erfahrungsgemäß, die Kosten vorab kleinzureden. Sie wissen: Ist das Projekt einmal durch den Landtag, wird es nahezu unmöglich, es zu stoppen. Man muss höhere Ausgaben nachträglich ebenfalls genehmigen lassen – aber das ist wesentlich einfacher als den Grundsatzbeschluss zuvor zu bewirken. Deshalb sind Kosten vorab oft zu niedrig kalkuliert.
Wie oft werden Bauprojekte im Südwesten teurer?
Eine Auswertung des Finanzministeriums zeigt: Von den Bauten, die im Haushalt 2007/2008 stehen, sind 80 Prozent nicht teurer geworden als vorgesehen. Die Daten stammen aus einem so weit zurückliegenden Zeitraum, weil Planung, Bau und Abrechnung oft Jahre dauern. Mit dem Bauboom dürften aber mehr Projekte kostspieliger werden. Denn: Oft geben Handwerker gar keine Angebote ab oder nur sehr teure. Die Betriebe sind ausgelastet. Zwischen 2017 und März 2018 verteuerten sich laufende Projekte laut Finanzministerium deshalb um ein Fünftel.
Was soll sich ändern?
Ab sofort identifiziert das Finanzministerium „Top-Projekte“: Baumaßnahmen, die sehr teuer, sehr öffentlichkeitswirksam oder sehr umstritten sind. Diese müssen zweimal statt bisher einmal vom Landtag genehmigt werden. Zuerst geht es darum, ob ein Projekt grundsätzlich gewollt ist. Zu diesem Zeitpunkt liefert das Ministerium höchstens grobe Kostenrahmen. Stimmt das Parlament zu, geht es an die Details. Über exakte Pläne und Kosten entscheidet der Landtag erneut. Damit entfällt aus Sicht der Regierung der Anreiz, Kosten früh künstlich kleinzureden. Es schadet eher, wenn zuerst mit geringen Kosten geworben werde, nur um wenige Monate später die höheren Aufwände öffentlich machen zu müssen. Außerdem sollen Bürger besser eingebunden werden. Solche Verfahren werden schon bei anderen Bauprojekten im Land angewandt. Laut Staatsrätin Gisela Erler verzögert sich deren Bauzeit nicht, sondern sie laufen oft reibungsloser.
Welche Projekte sind betroffen? Das Ministerium sieht derzeit acht, der Landtag muss noch zustimmen: das Gefängnis in Rottweil, eine Elefantenanlage im Stuttgarter Zoo, die Sanierung der Oper sowie des neuen Schlosses in Stuttgart, ein Labor an der Uni Freiburg, ein Lehrzentrum an der Uniklinik Tübingen sowie Umbauten des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe. Für sie soll das neue Verfahren gelten.