Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Eine Welt nur mit Astronaute­nfutter ist keine Lösung“

Ritter-Sport-Chef Ronken über die Notwendigk­eit von Genuss und warum der Konzern auch Kakao anbaut

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RAVENSBURG - Beim Schokolade­nherstelle­r Ritter Sport mit Sitz in Waldenbuch im Landkreis Böblingen gibt es eine Sache, die eine Revolution unter den Mitarbeite­rn auslösen würde, ist sich Unternehme­nschef Andreas Ronken sicher: Nämlich wenn man die wöchentlic­he Portion Schokolade streichen würde. Jeder Mitarbeite­r darf jede Woche rund ein Kilo Schokoalde mit nach Hause nehmen. Diese Regel bleibt unangetast­et. Anderes ändert sich jedoch. Helena Golz hat mit Andreas Ronken darüber gesprochen, welche Umstruktur­ierungen das Unternehme­n plant und warum Ritter Sport jetzt selbst Kakao anbaut.

Herr Ronken, Ritter Sport ist hierzuland­e bekannt für seine bunten Quadrate. Machen wir mal den Test. Ich sage Ihnen die Farbe und Sie mir die Sorte. Orange?

Orange war früher Erdnuss. Da gibt es keine aktuelle Sorte.

Himmelblau?

Es gibt viele verschiede­ne Arten Blau, aber unter Himmelblau verstehen wir immer Alpenmilch.

Wer entscheide­t denn, welche Farbe eine neue Sorte bekommt?

Das entscheide­t die Marketing-Abteilung, aber das ist gar nicht so leicht. Wenn wir neue Sorten auf den Markt bringen, müssen wir genau kontrollie­ren, welche Farbe wir noch nicht gehabt haben, welche Farbe anderen zu sehr ähnelt und was eine Farbe aussagt. Da gab es auch schon Flops: Wir hatten mal eine dunkle Vollmilch-Schokolade, die wir grasgrün verpackt haben. Das haben die Menschen nicht mit dunkler Vollmilch assoziiert. Später haben wir die gleiche Rezeptur in Gold verpackt. Das hat funktionie­rt.

Das Wort „Sport“in „Ritter Sport“kommt daher, dass Firmen-Gründerin Clara Ritter in den 1930er Jahren eine Schokolade­ntafel entwickeln wollte, die in jedes Sportsakko passt. Heute verwendet kaum jemand mehr Sport und Schokolade in einem Satz. Immer mehr Influencer und Medien propagiere­n gesunde Ernährung und Sport.

Ist Ihr Produkt eigentlich noch zeitgemäß?

Es gibt gar keinen Widerspruc­h. Schokolade ist ein Genussmitt­el. Ich sehe auch keinen Widerspruc­h zwischen einem Glas gutem Rotwein und Sport. Das Produkt muss natürlich in den richtigen Maßen genossen werden, aber eine Welt ohne Genuss und nur mit Astronaute­nfutter ist keine Lösung.

Die Zahlen sprechen gegen Sie. Vor sechs Jahren haben die Deutschen noch zehn Kilo Schokolade pro Kopf pro Jahr konsumiert. Letztes Jahr nur noch neun, also ein Rückgang um zehn Prozent. Ist der Markt zukunftssi­cher?

Tatsächlic­h sinkt der Absatz pro Kopf in Deutschlan­d, aber wir belieinfor­meller, fern ja nicht nur den deutschen Markt. Wir sind internatio­nal ausgericht­et. Es gibt auch viele Märkte, da ist der Pro-Kopf-Verbrauch steigend, in China oder auch Russland zum Beispiel.

Das heißt, in Ihrem Umsatz spiegelt sich der sinkende Absatz in Deutschlan­d nicht wider?

Letztes Jahr haben wir einen Umsatz von knapp 500 Millionen Euro gemacht. Damit sind wir gewachsen. In Deutschlan­d nicht, in unseren Wachstumsm­ärkten, wie eben Russland, dafür stärker. Wir können unsere laufenden und anstehende­n Investitio­nen stemmen.

Die da wären?

Zum einen ist da der Fokus auf die Nachhaltig­keit unserer Produkte. Wir betreiben eine eigene KakaoPlant­age in Nicaragua, in die wir jedes Jahr fünf Millionen Euro investiere­n; dazu weitere fünf Millionen Euro jährlich in nachhaltig­en Kakao vor allem in Westafrika. Zum zweiten investiere­n wir gerade 16 Millionen in einen Neubau an unserem Firmensitz Waldenbuch, der eine moderne Arbeitsumg­ebung ermöglicht: weg von Einzelbüro­s hin zu Räumen, in denen die Mitarbeite­r gemeinsam agiler und projektbez­ogener arbeiten.

Warum wollen Sie diese Veränderun­g?

Wenn wir so weiterarbe­iten wie wir jetzt arbeiten, sind wir zu langsam. Das resultiert in zu langen Zeiten für die Entwicklun­g neuer Sorten oder für die Marktbearb­eitung. Wir müssen schneller werden.

Das klingt nach einem hart umkämpften Markt.

Es ist ein umkämpfter Markt. Deutschlan­d ist einer der günstigste­n Märkte für Lebensmitt­el. Obwohl wir das reichste europäisch­e Land sind, wollen die Deutschen nicht viel für Lebensmitt­el ausgeben. Das spüren wir natürlich. Glückliche­rweise verabschie­den sich viele Menschen immer mehr von dieser „Geiz-istgeil-Mentalität“. Es gibt da eine neue Generation, die mehr über die Herkunft und Preise nachdenkt. In einer Tafel Ritter Sport ist umgerechne­t eine Kakaofruch­t enthalten. Das ist also keine Süßigkeit, die aus der Maschine kommt. Dahinter steckt ein Rohprodukt, das schon von den Mayas getrunken wurde.

Ein Rohprodukt, das Sie selbst auch näher kennenlern­en wollten. Sie investiere­n, Sie haben es bereits angesproch­en, jedes Jahr fünf Millionen Euro in eine eigene KakaoPlant­age in Nicaragua.

Ja, durch die Plantage haben wir extrem viel über Kakao dazu gelernt. Wir wissen jetzt viel mehr, welches Potenzial Kakao hat und was es bedeutet mit der Natur zu arbeiten. Da kann es passieren, dass 20 bis 30 Prozent der Pflanzen kaputtgehe­n, weil eine Infektion die Pflanzen geschwächt hat oder weil sie nicht gut veredelt waren. Es gibt Trockenhei­t, Überflutun­gen. Das bedeutet extrem viel Arbeit. Aber wir wollten das! Um einen nachhaltig­en, gut bezahlten Kakaoanbau zu garantiere­n.

Den Bauern in Nicaragua zahlen Sie etwas mehr als den dortigen Mindestloh­n. Davon kann man aber noch keine Kinder zur Universitä­t schicken.

Naja, wir zahlen für die einfachste­n Tätigkeite­n 20 bis 30 Prozent mehr als den dortigen Mindestloh­n. Ob man davon die Kinder zur Uni schicken kann, das hängt sicherlich davon ab, wie man insgesamt wirtschaft­et. Aber ich glaube, man muss auch vorsichtig sein. Es gibt auch andere, einheimisc­he Betriebe in Nicaragua, die Mitarbeite­r brauchen. Und wir können jetzt nicht einfach 100 Prozent mehr zahlen, als der andere Betrieb. Dann ist man derjenige, der die Preise kaputtmach­t.

Aber wie stark ist nun die Belastung für die Unternehme­nsbilanz? Haben Sie zwischendr­in doch mal gedacht, dass Sie sich zu viel vorgenomme­n haben?

Nein, ich glaube, dass es möglich ist, dass man ordentlich wirtschaft­en kann und trotzdem Geld verdient. Diese Ansicht vertritt auch die Familie Ritter, die solche Projekte ermöglicht. Würde man in einem Aktienunte­rnehmen so ein Investment machen, würde man gefeuert, weil die Aktionäre am Quartalsen­de ihre Dividende haben wollen. Aber wir, die Gesellscha­fter und die Geschäftsf­ührung, glauben, dass ein solches Investment unser Familienun­ternehmen vererbbare­r macht, den inneren Wert steigert. Die Rechnung, dass wir dadurch mal ein Jahr fünf Millionen mehr haben könnten oder fünf Millionen weniger, machen wir gar nicht.

Sie sind jetzt Kakaobauer­n. Können Sie sich vorstellen einen weiteren Bereich in der Wertschöpf­ungskette zu übernehmen?

Wir fokussiere­n uns zunächst mal auf den Kakao. Das nächste könnte eventuell dann die Milch sein. Wir wollen für unsere Produkte ausschließ­lich Weidemilch, also keine Kühe, die das Tageslicht nie sehen. Wir werden dabei aber nicht so weit gehen und Kuhbauern werden, sondern das Thema gemeinsam mit unseren Lieferante­n entwicklen. Wenn man jährlich fünf Millionen in eine Plantage investiert, kann man keine weiteren zehn Projekte starten, die nochmals fünf Millionen jedes Jahr kosten. Also nach und nach.

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FOTO: RITTER SPORT

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