Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mangel an Mitgefühl

Studie zeigt: Ein Drittel der Heranwachs­enden in deutschen Großstädte­n hat keinen Gemeinscha­ftssinn – Deutliche Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern

- Von Linda Egger

BERLIN - Wächst aktuell die sogenannte „Generation rücksichts­los“heran? Forscher sind dieser Frage auf den Grund gegangen und haben in drei deutschen Großstädte­n bei Kindern und Jugendlich­en sowie deren Eltern nachgefrag­t. Das Ergebnis: Rund ein Fünftel der befragten Kinder und ein Drittel der Teenager zeigt wenig Sinn für Gemeinscha­ft.

Durchgefüh­rt wurde die Studie an der Universitä­t Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderförd­erung. Knapp 1000 Kinder und Jugendlich­e in Berlin, Köln und Leipzig wurden für die Studie befragt. Repräsenta­tiv seien die Ergebnisse daher nur für deutsche Großstädte, betont der wissenscha­ftliche Leiter der Studie, Holger Ziegler. Zwei Altersgrup­pen haben die Wissenscha­ftler dafür in den Blick genommen: Kinder von sechs bis elf Jahren und Jugendlich­e von zwölf bis 16 Jahren. Für beide Gruppen gab es jeweils einen eigenen Fragebogen. Ziel war es, herauszufi­nden, wie stark Aspekte des Gemeinscha­ftssinns wie Empathie und Solidaritä­t bei Heranwachs­enden ausgeprägt sind, aber beispielsw­eise auch Gleichgült­igkeit und Abwertung von Schwächere­n.

„Bedenklich­e Defizite“

Die Kinder und Jugendlich­en bekamen Aussagen wie „Es macht mich traurig, wenn es anderen Kindern schlecht geht“oder „Es nimmt mich mit, wenn ich sehe, dass ein Tier verletzt wird“vorgelegt, denen sie entweder zustimmen konnten oder nicht. Die große Mehrheit, nämlich rund 70 bis 80 Prozent der befragten Heranwachs­enden, zeigte sich dabei durchaus sozial. Allerdings gebe es bei 22 Prozent der befragten Kinder „bedenklich­e Defizite“, bei den Jugendlich­en sogar bei rund einem Drittel, hieß es bei der Präsentati­on der Ergebnisse am Dienstag. Viele Jugendlich­e hatten wenig Mitgefühl, wenn es anderen Menschen oder Tieren schlecht geht. „Empathie, also das Einfühlen in die Belange anderer, ist eine wichtige Fähigkeit für funktionie­rende Beziehunge­n“, erklärt Sozialpäda­goge und Leiter der Studie, Holger Ziegler.

Auffällig dabei ist, dass Mädchen in allen untersucht­en Aspekten deutlich besseren Gemeinscha­ftssinn zeigten. Die Mädchen seien empathisch­er, solidarisc­her, weniger gleichgült­ig und weniger abwertend als die Jungen, heißt es laut der Studie. Mehr als zwei Drittel der Mädchen seien beispielsw­eise überdurchs­chnittlich mitfühlend – bei den Jungen wiesen hingegen 76 Prozent nur geringe Empathiewe­rte auf. Dieses Verhalten zeige sich schon früh – und präge sich im Jugendalte­r tendenziel­l noch stärker aus, so Ziegler. Rund 47 Prozent der befragten Teenager-Jungs verneinen etwa die Aussage „Ich helfe, wenn jemand verletzt, krank oder traurig ist“. Bei den Mädchen zeigten sich hingegen nur 24 Prozent unsolidari­sch.

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