Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Höllenurlaub mit Mutter im Gepäck
Nico Schnös, 47, Controller und notorischer Choleriker, hat ein Problem: Weil er ausgerechnet dem Finanzvorstand eine Kaffeetasse an den Hinterkopf geworfen hat, schickt ihn sein Chef in den Zwangsurlaub
– denn Nico ist nicht das erste Mal ausgerastet. Der Deal: Entweder er kommt entspannt zurück oder ist seinen Job los. Dass er seine hyperaktive Mutter Rosi mit in den Ferienclub nimmt, macht die Sache nicht einfacher. Und zu allem Überfluss scheint seine Frau Mia auch noch fremdzugehen.
Was sich bereits in „Vollidiot“und „Hummeldumm“bewährt hat, funktioniert auch in „Der Löwe büllt“hervorragend: Tommy Jaud hat einen scharfen Blick für skurrile Charaktere und Kuriositäten im Alltag, die er dann in seinen Büchern aufgreift und überspitzt. Der Humor des WahlKölners zündet, weil er auf Situationen beruht, die jeder kennt: nervige Menschenmassen am Buffet, Dauerkrisen zwischen Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern und Ärger mit widerspenstigen Kaffeemaschinen in der Büroküche.
Was es mit dem Titel auf sich hat? Ich-Erzähler Nico konnte als Kind kein R sprechen. Nachdem ihn ein Löwe im Zoo angefaucht hatte, rief er entsetzt „der Löwe büllt“und rannte weinend davon. Diese Anekdote offenbart Rosi Schnös sämtlichen Hotelgästen: Ganz im Gegensatz zu Nico amüsieren sich Prahl-Horst, Naddi und der Clubgeist – die Spitznamen hat Nico ihnen verpasst – prächtig.
Jauds Roman thematisiert typische Konflikte zwischen den Generationen. Rückblenden, die in den Plot im Ferienclub eingestreut sind, beleuchten die Vorgeschichte: das Verhältnis zwischen Nico und seinem Vater, dessen Tod und Nicos Ehekrise. Am Ende fügen sich beide Erzählebenen nahtlos zusammen. Und trotz des Klamauks gibt es einige tiefgründige Momente.
Wer Ironie und maßlosen Übertreibungen nichts abgewinnen kann, dem ist von „Der Löwe büllt“abzuraten. Bei allen anderen wird die Lektüre für Schmunzler sorgen, wenn nicht sogar für laute Lacher. Am besten am Hotelpool lesen – womöglich tauchen Charaktere aus dem Buch in der Umgebung auf.