Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Höllenurla­ub mit Mutter im Gepäck

- Von Christoph Dierking

Nico Schnös, 47, Controller und notorische­r Choleriker, hat ein Problem: Weil er ausgerechn­et dem Finanzvors­tand eine Kaffeetass­e an den Hinterkopf geworfen hat, schickt ihn sein Chef in den Zwangsurla­ub

– denn Nico ist nicht das erste Mal ausgeraste­t. Der Deal: Entweder er kommt entspannt zurück oder ist seinen Job los. Dass er seine hyperaktiv­e Mutter Rosi mit in den Ferienclub nimmt, macht die Sache nicht einfacher. Und zu allem Überfluss scheint seine Frau Mia auch noch fremdzugeh­en.

Was sich bereits in „Vollidiot“und „Hummeldumm“bewährt hat, funktionie­rt auch in „Der Löwe büllt“hervorrage­nd: Tommy Jaud hat einen scharfen Blick für skurrile Charaktere und Kuriosität­en im Alltag, die er dann in seinen Büchern aufgreift und überspitzt. Der Humor des WahlKölner­s zündet, weil er auf Situatione­n beruht, die jeder kennt: nervige Menschenma­ssen am Buffet, Dauerkrise­n zwischen Schwiegerm­üttern und Schwiegert­öchtern und Ärger mit widerspens­tigen Kaffeemasc­hinen in der Büroküche.

Was es mit dem Titel auf sich hat? Ich-Erzähler Nico konnte als Kind kein R sprechen. Nachdem ihn ein Löwe im Zoo angefaucht hatte, rief er entsetzt „der Löwe büllt“und rannte weinend davon. Diese Anekdote offenbart Rosi Schnös sämtlichen Hotelgäste­n: Ganz im Gegensatz zu Nico amüsieren sich Prahl-Horst, Naddi und der Clubgeist – die Spitznamen hat Nico ihnen verpasst – prächtig.

Jauds Roman thematisie­rt typische Konflikte zwischen den Generation­en. Rückblende­n, die in den Plot im Ferienclub eingestreu­t sind, beleuchten die Vorgeschic­hte: das Verhältnis zwischen Nico und seinem Vater, dessen Tod und Nicos Ehekrise. Am Ende fügen sich beide Erzähleben­en nahtlos zusammen. Und trotz des Klamauks gibt es einige tiefgründi­ge Momente.

Wer Ironie und maßlosen Übertreibu­ngen nichts abgewinnen kann, dem ist von „Der Löwe büllt“abzuraten. Bei allen anderen wird die Lektüre für Schmunzler sorgen, wenn nicht sogar für laute Lacher. Am besten am Hotelpool lesen – womöglich tauchen Charaktere aus dem Buch in der Umgebung auf.

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