Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Einradgrup­pe fasziniert seit 1949

Der Laupheimer Günther Hannes baute sich in den 1950er-Jahren ein eigenes Hochrad, um mitfahren zu dürfen

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LAUPHEIM (ak) - Günther Hannes ist 78 Jahre alt. Als Jugendlich­er wollte er unbedingt bei der Hochradgru­ppe mitfahren. Was ihm in den 1950erJahr­en auch gelang – mit einem selbst gebauten Gefährt. 1949 nahm die von Franz Kiesle gegründete Einradgrup­pe erstmals am Laupheimer Kinder- und Heimatfest teil. Unter den Pionieren war auch Alfred Staub, der 1970 die Gruppe übernahm und ihr den heutigen Namen gab.

Günther Hannes sitzt am Schreibtis­ch in seinem Haus in Baustetten, vor ihm liegt ein Zettel, auf dem er sich wichtige Daten und Namen notiert hat. „Franz Kiesle war einmalig, er hatte immer Ideen“, erinnert sich Hannes. Für die Idee, Einräder zu bauen und zu fahren, sei Kiesle belächelt worden. „Im Gasthaus 'Zum Strochen’ haben sich diejenigen getroffen, die mit den Festumzüge­n zu tun hatten. Die haben zu Kiesle gesagt ’Das klappt doch nie’.“Franz Kiesle habe dennoch fünf Einräder gebaut und Franz Breitruck, der Neffe Kiesles, musste kräftig üben, um den Skeptikern zu zeigen: Es geht doch. „Er ist dann am 'Storchen’ vorbei geradelt, an allen Leuten mit Rang und Namen.“

Aus der Gruppe geworfen

Ein guter Freund von Günther Hannes war Walter Kiesle, der Sohn von Franz Kiesle. So kam Hannes mit der Einradgrup­pe in Kontakt und 1952 wollte er es selbst gerne ausprobier­en. „Es hat mich einfach fasziniert, diese Herausford­erung, das Gleichgewi­cht zu halten.“Die ersten Fahrversuc­he unternahm er auf einem kleinen Einrad. Er war so stolz über den Erfolg, dass er ihn unbedingt seinen Eltern vorführen wollte und damit eine eiserne Regel Kiesles brach: ’Niemals durch die Stadt radeln, außer beim Heimatfest’. „Aber der freche Günther fuhr natürlich nach Hause und Franz Kiesle warf ihn raus, ohne Pardon“, erinnert sich Hannes an sein jüngeres Ich. Bis Günther Hannes Hochradler wurde, dauerte es deshalb noch bis 1956. In der Zwischenze­it fuhren meist drei Jungen bei den jährlichen Festumzüge­n auf hohen Rädern mit, unter ihnen Franz Breitruck, dessen Rad von Jahr zu Jahr nach oben geschraubt wurde.

Ein eigenes Rad musste her

Der Kontakt zu Walter hielt und Günther hakte immer wieder nach, ob er nicht doch mitfahren dürfe – mit einem hohen Rad. Schließlic­h erbarmte sich Franz Kiesle und sagte Ja, unter der Bedingung, dass er sich sein Rad selbst anfertige. „Ich habe damals bei Magirus in Ulm eine Lehre gemacht und in der Werkstatt gefragt, ob ich ein Rad bauen darf. Die waren gleich begeistert.“

Die kleine Radgruppe trainierte auf der Insel in Laupheim und Günther übte sich darin, während des Fahrens Ziehorgel zu spielen. „Ein Lied hat ja gereicht, da wir sowieso an den Leuten vorbeigefa­hren sind.“Doch zum großen Auftritt beim Heimatfest kam es nicht. Die Stadt habe es abgelehnt, mit der Begründung „Wir sind kein Zirkus“.

Als Franz Breitruck aufhörte, seien nur noch Walter Kiesle und er selbst Hochräder gefahren, bis sie 1959 ein Mädchen in ihre Reihen aufnahmen: Gerda Staub, die Schwester von Alfred Staub. Anfang der 1960er-Jahre gab auch Hannes seinen Platz auf. Die Stadt kaufte ihm sein Rad für 50 DM ab. „Jetzt fährt mein Rad heute noch bei den Festumzüge­n mit.“Und nicht nur sein Rad: Die Begeisteru­ng für den Balanceakt gab Günther Hannes an seine Enkelinnen weiter: Sie sind in der Gruppe Staub aktiv und beim diesjährig­en Heimatfest dabei.

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FOTO: PRIVAT Günther Hannes, Franz Breitruck, dessen Rad von Jahr zu Jahr höher wurde, und Walter Kiesle Ende der 1950er Jahre beim Heimatfest.
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FOTO: PRIVAT Franz Kiesle ist 1951 von jungen Fahrern umgeben. Das Rad von Franz Breitruck ist zu diesem Zeitpunkt erst mittelhoch.

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