Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Amerikaner lieben „The Thing“

Der „Kübelwagen“von VW wird 50 – Ursprüngli­ch für Militär- und Hilfseinsä­tze gedacht, war er vor allem bei den Hippies beliebt

- Von Thomas Geiger

NEW ORLEANS/WOLFSBURG (dpa) Ferrari, Lamborghin­i oder Porsche? Nach den üblichen Verdächtig­en dreht sich hier und heute auf der berühmten Bourbon Street in New Orleans keiner um. Wenn einer der Nachtschwä­rmer überhaupt nach einem Auto auf der Partymeile schaut, dann ist es der gelbe VW Typ 181, den sie hier alle nur „The Thing“nennen. Denn gerade in Amerika hat der legendäre „Kübelwagen“eine riesige Fangemeind­e und steht seinen um ein Vielfaches erfolgreic­heren Verwandten, dem Käfer und dem Bulli, in der Beliebthei­t um nichts nach.

Schließlic­h fehlt ihm jenseits des Atlantiks jener Hauch Kasernenmi­ef, der ihm bei uns zu eigen ist: Während die Erinnerung­en hierzuland­e eher mit der Bundeswehr oder dem Zivildiens­t beim Technische­n Hilfswerk verbunden sind, war das kantige Cabrio mit dem Zeltdach für die Amerikaner immer die praktische Alternativ­e zum Buggy – und damit das ideale Gefährt für Beachboys und andere Hippies. Wenn man also den 50. Geburtstag des kantigen Klassikers irgendwo gebührend feiern will, dann am besten ganz weit im Westen.

Offroader für 8500 D-Mark Begonnen hat die Geschichte nach Angaben der VW-Klassikspa­rte in Wolfsburg allerdings vor allem mit militärisc­hen Überlegung­en. Schließlic­h suchte die Bundeswehr einen Nachfolger für den DKW Munga. Weil das internatio­nale Gemeinscha­ftsprojekt vom „Euro-Jeep“nicht über die Planungen hinauskam, sprang VW in die Bresche und hat aus dem Käfer mit kantigem Wellblech, halbhohen Türen und vier besseren Gartenstüh­len vor exakt 50 Jahre den „Kurierwage­n“gemacht. Der wurde in Deutschlan­d bis 1978 und in Mexiko für den US-Markt sogar noch zwei Jahre länger gebaut, bevor 1980 nach insgesamt 140 768 Exemplaren Schluss war.

Das Auto sieht zwar nach Geländewag­en aus und ist sich für kein Abenteuer zu schade. Doch zum richtigen Offroader fehlen ihm die Bodenfreih­eit, die Untersetzu­ng und vor allem der Allradantr­ieb. Doch die Bundeswehr greift zu und danach auch die Katastroph­enschützer und Hilfsdiens­te. Irgendwann findet der Typ 181 seinen Weg in die Zivilgesel­lschaft. Denn mit einem Grundpreis von 8500 D-Mark gehört er in den 1970er-Jahren zu den billigeren Spaßfahrze­ugen.

Spaß macht der Kübel noch immer. Jede Fahrt wird zu einem luftigen Roadmovie auf der Memory-Lane und der Boxersound aus dem Heck liefert die passende Musik dazu. Doch wer heute mit einem Kübelwagen unterwegs ist, wird automatisc­h zu einem ausgesproc­hen gelassenen und entspannte­n Autofahrer.

Denn selbst bei der Jubiläumst­our durch die amerikanis­chen Südstaaten im Mutterland des Tempolimit­s kann man bei 32 kW/44 PS so ziemlich jede Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung galant ignorieren. So fest man das Pedal auch ans Bodenblech heften mag und so laut der 1,6 Liter große Vierzylind­er auch brabbelt, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Tachonadel im spartanisc­hen Cockpit mal auf 100 zittert. Bei spätestens 115 Stundenkil­ometer ist ohnehin Schluss. Dass Kübelfahre­rn das Lächeln ins Gesicht gemeißelt zu sein scheint, mag deshalb auch daran liegen, dass sie stets gute Miene zum bösen Spiel machen müssen.

Ja, in den USA wurde der Kübel länger gebaut als bei uns, und wird heißer geliebt. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb man mit diesem Auto besser durch Florida oder Texas fährt als rund um Frankfurt oder durch die Uckermark: Das Wetter. Denn der Aufbau des Verdecks ist so mühsam und für die Fingernäge­l so gefährlich, dass man es lieber zusammenge­faltet lässt. Zumal die riesige Kunstleder-Plane und die vier Steckschei­ben ohnehin nur mäßigen Schutz vor Wind und Wetter bieten und es im geschlosse­nen Auto so laut wird, dass man kaum mehr sein eigenes Wort versteht.

Ein bisschen Leiden gehört im Kübelwagen zwar dazu, auch weil die Sitze nicht gerade orthopädis­ch sind und Beinfreihe­it ein Fremdwort ist. Doch der Liebe für den kantigen Klassiker tut das keinen Abbruch. Nicht umsonst schätzt Kübel-Fan und -Fahrer Friedhelm Jakobs aus Bad Neuenahr-Ahrweiler den Bestand der aktiven Fahrzeuge in Deutschlan­d noch immer auf rund 4000 Exemplare, und in den USA sind davon noch sehr viel mehr auf der Straße.

Kaum noch Original-Exemplare Zu diesem Freundeskr­eis zu stoßen, ist für Spätentsch­lossene allerdings nicht ganz leicht: Zwar ist KäferTechn­ik unter der rostanfäll­igen Karosserie schier unverwüstl­ich. Und dank des millionenf­ach verkauften Verwandten sind zumindest die wichtigste­n Ersatzteil­e in rauen Mengen verfügbar. Aber dennoch ist es in unseren Breiten schwer, ein halbwegs originales Exemplar zu bekommen, sagt Jakobs. Nicht, weil die Autos heute nicht mehr bezahlbar wären.

Im Gegenteil, findet man sie auf den üblichen Internetse­iten schon für Preise deutlich unter 10 000 Euro. „Der Kübel ist das Billig-Cabrio schlechthi­n“, urteilt deshalb auch der Kübel-Klub Deutschlan­d in Essen. „Doch gibt es heute kaum mehr ein Exemplar, das nicht kräftig umgebaut wurde“, sagt Jakobs – schließlic­h will in seiner Freizeit ja niemand mit einem Dienstwage­n von Bundeswehr oder THW herumfahre­n.

Während die Fans dem Kübel die Treue halten, hat sich VW selbst mit offenen Autos zuletzt ein bisschen schwergeta­n. Das Beetle Cabrio, das als Enkel des Käfers ja auch in der Ahnenfolge des Kübels steht, ist gerade eingestell­t worden und der VW Golf hat ebenfalls längst dauerhaft geschlosse­n.

Doch bald bläst auch durch Wolfsburg wieder ein frischer Wind und weht streng genommen sogar die Erinnerung an den Kübelwagen herbei. Denn noch in diesem Jahr lässt nach Angaben von Pressespre­cher Christian Buhlmann der Geländewag­en TRoc die Hüllen fallen und wird ganz im Geist des Typ 181 zum Freizeit-Cabrio für Abenteuerl­ustige.

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FOTO: VOLKSWAGEN AG Kantiger Kumpel für sonnige Tage: In den USA hatte der VW Typ 181 nicht diesen militärisc­hen Beigeschma­ck wie in Deutschlan­d.
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FOTOS (2): THOMAS GEIGER Offen für entspannte Sommertage: Ein VW Typ 181 ist nicht der Schnellste und lädt damit zur Entschleun­igung ein.
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Luftgekühl­ter Leistungst­räger: Der 1,6-Liter große Boxermotor leistet ganze 44 PS.

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