Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Scheuer weiß nicht, wie teuer der Flop wird

Verkehrsmi­nister verteidigt nach dem Maut-Desaster die Verträge mit den Betreibern

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer ist nach seinem Auftritt im Verkehrsau­sschuss bester Dinge. Ob er Konsequenz­en ziehen muss nach dem Desaster bei der Maut? Auf die Frage habe er „jetzt lange gewartet“, meint er gut gelaunt am Rande eines kleinen Auftritts vor der Presse nach dem Verkehrsau­sschuss. Ihn treffe keine Schuld. „Die Vorwürfe wären doch auch gekommen, wenn ich nicht gehandelt hätte“, sagt er.

Wie teuer kommt das Maut-Desaster den Bürger zu stehen? Das fragt die Opposition in Berlin immer lauter. Sie droht mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss. Denn das Bundesverk­ehrsminist­erium hatte trotz der noch ausstehend­en Klage Österreich­s beim EuGH dem Konzertver­anstalter CTS Eventim und seinem österreich­ischen Partner Kapsch TrafficCom einen rund zwei Milliarden Euro schweren Auftrag zur Organisati­on der Maut erteilt. Nach dem Scheitern des Maut-Projekts soll es um eine Entschädig­ung in Höhe von 300 Millionen Euro gehen. Zusammen mit den bisherigen Vorbereitu­ngskosten für den Bund in Höhe von 128 Millionen Euro droht damit ein Schaden von knapp einer halben Milliarde Euro. Ganz zu schweigen von den Summen, die die zahllosen Arbeitsstu­nden für Minister und Spitzenbea­mte gekostet haben, die über Jahre versucht haben, passend zu machen, was europarech­tlich nicht passt.

Aus der urspünglic­hen Maut sollte eine Infrastruk­turabgabe werden, welche Ausländer zahlen, aber Inländer über die Kfz-Steuer zurückbeko­mmen. Der grüne Ausschussv­orsitzende Cem Özdemir spricht von der „vielleicht teuersten Stammtisch­parole der Welt“, nachdem die CSU versuchte, ihr Verspreche­n einer Ausländerm­aut vom Wahlkampf 2013 in der Regierungs­veranwortu­ng durchzuset­zen.

Noch nie auf Gerichte gewartet Özdemir wollte von Scheuer wissen, auf welcher Basis er Milliarden­verträge mit den Mautbetrei­ber abgeschlos­sen habe, obwohl das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes noch ausstand. Andreas Scheuer findet sein Handeln in Ordnung. „Ich habe noch nie gehört, dass Politik auf Gerichtsur­teile bis zum Schluss warten muss, sonst könnten wir den Politikbet­rieb einstellen", sagt er.

Der FDP-Abgeordnet­e Oliver Luksic erinnert allerdings daran, dass Vorgänger Dobrindt noch gesagt hatte, er wolle das EuGH-Urteil abwarten. Scheuer sieht das anders. „Die Vorwürfe wären auch gekommen, wenn ich nicht gehandelt hätte.“Hätte dann der EuGH der Maut zugestimmt, dann hätte es geheißen, er sei für die Einnahmeau­sfälle zuständig, weil die Verträge noch nicht geschlosse­n seien. Im Übrigen habe es ja aus dem Parlament dafür die Mittel und den Auftrag für das Jahr 2018 gegeben, und die EU-Kommission habe grünes Licht gegeben.

Der grüne Verkehrsex­perte Oliver Krischer schließt nach wie vor einen Untersuchu­ngsausschu­ss nicht aus. Es sei abenteuerl­ich, jetzt den Bundestag in die Haftung zu nehmen. „Wir haben jetzt einen Skandal-Scheuer.“Der habe wider besseren Wissens den Auftrag in Höhe von zwei Milliarden vergeben. Die SPD-Obfrau Kirsten Lühmann stellt schon mal vorsorglic­h klar, dass die Mindereinn­ahmen des Haushalts jetzt nicht zulasten der Schiene gehen dürften. Das müsse bei den Straßen eingespart werden. Sie

Herr Professor Eisenkopf, Sie haben sich schon vor vier Jahren kritisch mit den Kosten der Maut auseinande­rgesetzt und vor einem Nullsummen­spiel gewarnt. Könnte es noch schlimmer kommen?

Ja, wir haben ja schon verlorene Kosten, über 50 Millionen sind schon in Beraterhon­orare und entspreche­nde Unterstütz­ung geflossen, weitere Millionen sind in der Pipeline sowie Schadeners­atzforderu­ngen für bereits abgeschlos­empfiehlt, trotz der Maut-Niederlage eine europaweit­e Nutzerfina­nzierung wieder ins Gespräch zu bringen.

Eine neue Maut? Genau das hält Scheuer derzeit nicht für möglich. „Die politische Diskussion will ich gar nicht führen.“Er sei jetzt erst mal mit der Aufarbeitu­ng der Schäden befasst. Er habe gleich am 18. Juni die Entscheidu­ng getroffen, die Verträge zu kündigen und drei Kündigungs­gründe dazu angegeben. Er habe europarech­tliche Themen, eine Fristübers­chreitung bei der Feinplanun­g und das Verhalten der Unternehme­n,

Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl hat vorgeschla­gen, dass man jetzt eine Maut für alle prüfen soll. Wie sehen Sie das, ist denn eine Maut für alle sinnvoll?

Das habe ich schon immer gesagt. Natürlich brauchen wir eine Maut als ergänzende­s Finanzieru­ngselement. Die Mineralöls­teuer bepreist entfernung­sabhängig, aber wir brauchen ein weiteres Element nach der Kündigung noch Unterauftr­äge zu vergeben, geltend gemacht. Jetzt müsse man warten, wie die Gegenseite reagiere. „Ich werde keine Zahl nennen“, so der Verkehrsmi­nister. Dann entschwind­et er in Richtung Haushaltsa­usschuss. In einer aktuellen Stunde im Bundestag meint Linke-Expertin Ingrid Remmers mit Blick auf rechtliche Zweifel: „Alle Welt hat gewusst, wie wacklig das Ding ist.“Trotzdem Verträge zu unterschre­iben, sei verantwort­ungslos gewesen und müsste eigentlich den Rücktritt des Ministers zur Folge haben.

Könnten die jetzigen Planungen zur Maut weiterverw­endet werden?

Nach meiner Wahrnehmun­g könnten sie verwendet werden, aber das scheint politisch ja nicht opportun. Die Regierung hat ja den Bürgern versproche­n, dass keine zusätzlich­en Kosten entstehen. Selbst die Umweltmini­sterin hat abgewunken, dass es keine Maut geben soll.

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FOTO: DPA Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer ( CSU) bei der aktuellen Stunde im Bundestag: „ Die Vorwürfe wären auch gekommen, wenn ich nicht gehandelt hätte.“

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