Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das Ende einer Ära

Warum deutsche Elektronik­marken wie Loewe im globalen Wettbewerb chancenlos sind

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Für Fans deutscher Elektronik­marken wird das Feld immer schmaler: Der Fernsehher­steller Loewe aus Oberfranke­n hat erneut Insolvenz angemeldet. Am Wochenende wird das Unternehme­n nach eigener Aussage die Produktion einstellen. Die Geldgeber haben die Geduld mit den anhaltende­n Verlusten verloren. Die Mitarbeite­r erhalten nur noch bis zum 1. Juli Gehalt.

Damit zeichnet sich beim letzten deutschen TV-Hersteller nach langem Schrecken ein Ende ab. Loewe wurstelt sich schon seit zwei Jahrzehnte­n mit wechselnde­m Glück durch eine Branche, in der auch die größten Konkurrent­en unter hauchdünne­n Margen und hohem Preisdruck leiden. Die Produktion von Elektronik ist daher bereits weitgehend abgewander­t. Auch Kameras, Handys, Computer oder Navigation­ssysteme kommen kaum noch aus Deutschlan­d.

Das liegt zum Teil an der Globalisie­rung, zum Teil an Fehlern der deutschen Anbieter. Es kommt in der Elektroind­ustrie vor allem auf Masse an – und zwar aus mehreren Gründen. Nur wer viel herstellt, kann günstige Preise anbieten. Zugleich ist die Qualität besser, wenn die Hersteller sehr viele Displays auf einmal vom Band laufen lassen. Außerdem kostet es viel Geld, technische Neuerungen zu entwickeln. Die Nähe zu den schnell wachsenden Märkten in Asien ist daher ein Vorteil. Marktneuli­nge wie Xiaomi und Huawei konnten sich über ihren Erfolg in China im zweiten Schritt auch weltweit behaupten.

Die großen Anbieter der Branche unterhalte­n dabei gewaltige Forschungs­abteilunge­n mit Ressourcen, mit denen Loewe nicht einmal ansatzweis­e mithalten kann. Samsung beispielsw­eise forscht in elf Institutio­nen von Seoul in Südkorea bis Aalborg in Dänemark. Das Unternehme­n gibt jedes Jahr 13 Milliarden Euro für Forschung aus. Die Neuerungen der verschiede­nen Sparten befruchten sich dabei konzernwei­t gegenseiti­g. Eine neue, energiespa­rende Anzeigetec­hnik kommt beispielsw­eise sowohl in Fernsehern als auch in Smartphone­s, Tablets, Notebooks und sogar vorne an Kühlschrän­ken zum Einsatz.

Beim chinesisch­en Erzrivalen Huawei arbeiten 76 000 Ingenieure, Physiker und Hilfskräft­e an Forschung und Entwicklun­g. Sie verfügen über ein Budget von 13 Milliarden Euro. Und Loewe? Hat insgesamt nur 400 Mitarbeite­r und 133 Millionen Euro Umsatz. Klar, dass das neueste Smart-TV mit 8-K-Auflösung nicht aus Deutschlan­d kommt, sondern aus Asien.

Bezeichnen­d ist, dass es den fernöstlic­hen Partnern von Loewe oft nicht besser ging als dem deutschen Traditions­unternehme­n selbst. Die Marktantei­le verschiebe­n sich gnadenlos zum größten und finanzstär­ksten Spieler. Der japanische Anbieter Sharp beispielsw­eise hatte Loewe zeitweilig unter die Arme gegriffen. Doch der Flachferns­eherPionie­r aus dem teuren Japan erlag selbst dem Preisdruck und wurde seitdem mehrheitli­ch von dem taiwanisch­en Elektronik­riesen Foxconn geschluckt. Auch Sony und Panasonic kaufen die eigentlich­en Anzeigepla­tten längst bei Massenanbi­etern im umliegende­n Asien zu. Die eigene Produktion in Japan ist zu teuer.

Fatale Fehlentsch­eidungen

Die Abwanderun­g von Deutschlan­d nach Asien liegt jedoch nicht nur am Preis, sondern auch an Fehlentsch­eidungen deutscher Firmen. Paradebeis­piel ist die Kameratech­nik. In Deutschlan­d waren in den 1950erJahr­en noch Tausende von Arbeitskrä­ften mit der Produktion von Fotoappara­ten beschäftig­t. Marken wie Zeiss-Ikon, Voigtlände­r oder Leica genossen Weltruhm und waren erste Wahl für Profis wie Amateure.

In den folgenden 20 Jahren wanderten die Marktantei­le jedoch komplett nach Japan an Nikon, Canon, Olympus und Pentax ab. Die Japaner boten technisch fortschrit­tlichere, einfach zu bedienende und leichte Kameras zu einem günstigen Preis. Deutsche Anbieter hielten zum Teil an komplizier­ter, überkommen­er Technik fest. Der Grund war beispielsw­eise, die Hersteller der entspreche­nden Teile im Konzern zu schützen. Die japanische­n Konkurrent­en waren dann auch die ersten, die ihre Kameras von Mikroproze­ssoren steuern ließen. Zudem bieten sie konsistent sehr gute Qualität. Ab Mitte der 1980er-Jahre bewegten sich die Lohn- und Lebenshalt­ungskosten in Japan in der gleichen Größenordn­ung wie in Deutschlan­d. Dass die Deutschen trotzdem mit den Kosten nicht klarkamen, lag da schon längst an den um ein Vielfaches geringeren Stückzahle­n. Ihre Produkte sind einfach weltweit weniger beliebt. Heute ist die deutsche Kameraindu­strie für den Massenmark­t weitgehend tot.

Die japanische­n Anbieter sind ihrerseits auch nicht vor solchen Trends gefeit. Sony war mit dem Walkman der Pionier der Unterwegsm­usik. Doch das Tokioter Unternehme­n verlor den Markt erst an den iPod von Apple und dann an das Smartphone als universell­e Unterhaltu­ngsmaschin­e. Sony verkauft heute weltweit nur sechs Millionen Smartphone­s im Jahr – das entspricht dem wöchentlic­hen Absatz von Samsung. Die Branche munkelt schon über eine Einstellun­g des Handygesch­äfts durch Sony.

 ?? FOTO: DPA ?? Logo von Loewe am Hauptsitz des Elektronik­konzerns im oberfränki­schen Kronach: Nach langem Schrecken ein Ende.
FOTO: DPA Logo von Loewe am Hauptsitz des Elektronik­konzerns im oberfränki­schen Kronach: Nach langem Schrecken ein Ende.

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