Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zwei Supermärkte, ein Bordell
Ulmer Stadträte diskutieren über geförderten Wohnungsbau
ULM - Hunderte Wohnungsneubauten durch mehrere Projekte brachte der Ulmer Bauausschuss am Dienstag auf den Weg. Gestritten wurde insbesondere über das Thema geförderter Wohnungsbau. Vor Jahren wurde von den Stadträten nämlich beschlossen, den Anteil preisgünstiger Mietwohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen.
Die Firma Realgrund kaufte das Grundstück an der Ecke Karlstraße/ Neutorstraße allerdings vor diesem Beschluss und plante nach Angaben von Baubürgermeister Tim von Winning also unter anderen Voraussetzungen das Projekt, für das nun der Satzungsbeschluss anstand. Der Bauträger und Projektentwickler Realgrund will einen vier- bis siebengeschossigen Komplex mit insgesamt 130 Wohnungen errichten. Mit Supermarkt im Erdgeschoss.
Die Grünen-Mitglieder um Michael Joukov-Schwelling und Annette Weinreich sowie SPD-Mann Martin Rivoir votierten dafür, dass die Stadt Ulm ein Zeichen setze und versuche, Realgrund zu mehr günstigem Wohnraum zu drängen. „Wir brauchen mehr Konsequenz“, sagte Joukov-Schwelling. Zur Not auch mit hoheitlichen Mitteln. Denn Realgrund profitiere in vielfältiger Hinsicht: So habe das Grundstück in den zehn Jahren seit dem Erwerb an Wert gewonnen und die Stadt habe die Ecke durch den Bau der Linie 2 mit Millionenaufwand aufgewertet.f Vonn Winning argumentierte, dass der Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses – also das Okay für den Bau – schlecht sei, um Änderungen vorzunehmen. Realgrund habe unter anderen, gültigen Bedingungen geplant und es wäre unfair, jetzt die Grundlage zu ändern. Gerhard Bühler (Freie Wähler) sah sogar das Renommee der Stadt gefährdet: „Die Stadt Ulm ist vertragstreu.“Mit vier Gegenstimmen votierte der Bauausschuss für ein Projekt, das im Grunde alle Fraktionen mittragen. Denn die Brache gegenüber dem Hauptquartier der Stadtwerke an der Neutorstraße bildet durch die Nähe zur Ludwig-ErhardBrücke einen „Stadteingang“, wie es von Winning ausdrückte. Ein neuer Supermarkt („Vollsortimenter“) mit etwa 1400 Quadratmetern Verkaufsfläche soll die Gegend zusätzlich aufwerten.
Kurios bleibt: Das unbezifferte Multimillionen-Projekt wird um zwei unansehnliche Nachkriegshäuser an der Neutorstraße herumgebaut. Ein Erwerb der dreistöckigen, ganz offensichtlich sanierungsbedürftigen Häuser gelang weder der Stadt noch Realgrund. Am Geld lag es offensichtlich nicht, so Städtebauleiter Peter Rimmele.
Ohne große Diskussion machte der Bauausschuss den Weg frei für den nächsten Bauabschnitt auf dem ehemaligen Gummi-Welz-Areal an der Magirusstraße/Söflinger Straße. Der erste Bauabschnitt wurde im vergangenen Jahr genehmigt. Die Firma Munk plant, hier 130 Wohnungen zu erstellen. Auch hier greifen die Beschlüsse zum geförderten Wohnungsbau nicht, weil diese erst nach dem Erwerb gefasst wurden.
„Auf freiwilliger Basis“, so von Winning, wolle der Investor preisgünstigen Wohnraum anbieten. Bis zum Auslegungsbeschluss sollen die Pläne konkretisiert werden. Nachdem das kommunale Wohnungsunternehmen UWS Grundstücke an der Söflinger Straße/Kässbohrerstraße erwarb, soll das Viertel neu geordnet werden. Wie Rimmele beklagte, befinde sich in der Kässbohrerstraße auch ein Bordell, das allerdings Bestandschutz genieße. Durch einen einstimmig gefassten neuen Bebauungsplan für das Areal Söflinger Straße/Kässbohrerstraße, sei zumindest eine Ausweitung nicht mehr zulässig. Die barackenähnlichen Häuser an der Söflinger Straße 120/124 sollen abgerissen werden. Noch nicht steht fest, wie die Neubauten aussehen. Doch ein vergrößerter Supermarkt mit über 1100 Quadratmetern Verkaufsfläche gilt als gesetzt, laut Gutachten sei er wichtig für die Nahversorgung. Wichtig ist der Stadtverwaltung, dass hier ein Gebiet mit einen „hohen Wohnanteil“entstehe.