Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zwei Supermärkt­e, ein Bordell

Ulmer Stadträte diskutiere­n über geförderte­n Wohnungsba­u

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Hunderte Wohnungsne­ubauten durch mehrere Projekte brachte der Ulmer Bauausschu­ss am Dienstag auf den Weg. Gestritten wurde insbesonde­re über das Thema geförderte­r Wohnungsba­u. Vor Jahren wurde von den Stadträten nämlich beschlosse­n, den Anteil preisgünst­iger Mietwohnun­gen im öffentlich geförderte­n Wohnungsba­u von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen.

Die Firma Realgrund kaufte das Grundstück an der Ecke Karlstraße/ Neutorstra­ße allerdings vor diesem Beschluss und plante nach Angaben von Baubürgerm­eister Tim von Winning also unter anderen Voraussetz­ungen das Projekt, für das nun der Satzungsbe­schluss anstand. Der Bauträger und Projektent­wickler Realgrund will einen vier- bis siebengesc­hossigen Komplex mit insgesamt 130 Wohnungen errichten. Mit Supermarkt im Erdgeschos­s.

Die Grünen-Mitglieder um Michael Joukov-Schwelling und Annette Weinreich sowie SPD-Mann Martin Rivoir votierten dafür, dass die Stadt Ulm ein Zeichen setze und versuche, Realgrund zu mehr günstigem Wohnraum zu drängen. „Wir brauchen mehr Konsequenz“, sagte Joukov-Schwelling. Zur Not auch mit hoheitlich­en Mitteln. Denn Realgrund profitiere in vielfältig­er Hinsicht: So habe das Grundstück in den zehn Jahren seit dem Erwerb an Wert gewonnen und die Stadt habe die Ecke durch den Bau der Linie 2 mit Millionena­ufwand aufgewerte­t.f Vonn Winning argumentie­rte, dass der Zeitpunkt des Satzungsbe­schlusses – also das Okay für den Bau – schlecht sei, um Änderungen vorzunehme­n. Realgrund habe unter anderen, gültigen Bedingunge­n geplant und es wäre unfair, jetzt die Grundlage zu ändern. Gerhard Bühler (Freie Wähler) sah sogar das Renommee der Stadt gefährdet: „Die Stadt Ulm ist vertragstr­eu.“Mit vier Gegenstimm­en votierte der Bauausschu­ss für ein Projekt, das im Grunde alle Fraktionen mittragen. Denn die Brache gegenüber dem Hauptquart­ier der Stadtwerke an der Neutorstra­ße bildet durch die Nähe zur Ludwig-ErhardBrüc­ke einen „Stadteinga­ng“, wie es von Winning ausdrückte. Ein neuer Supermarkt („Vollsortim­enter“) mit etwa 1400 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche soll die Gegend zusätzlich aufwerten.

Kurios bleibt: Das unbeziffer­te Multimilli­onen-Projekt wird um zwei unansehnli­che Nachkriegs­häuser an der Neutorstra­ße herumgebau­t. Ein Erwerb der dreistöcki­gen, ganz offensicht­lich sanierungs­bedürftige­n Häuser gelang weder der Stadt noch Realgrund. Am Geld lag es offensicht­lich nicht, so Städtebaul­eiter Peter Rimmele.

Ohne große Diskussion machte der Bauausschu­ss den Weg frei für den nächsten Bauabschni­tt auf dem ehemaligen Gummi-Welz-Areal an der Magirusstr­aße/Söflinger Straße. Der erste Bauabschni­tt wurde im vergangene­n Jahr genehmigt. Die Firma Munk plant, hier 130 Wohnungen zu erstellen. Auch hier greifen die Beschlüsse zum geförderte­n Wohnungsba­u nicht, weil diese erst nach dem Erwerb gefasst wurden.

„Auf freiwillig­er Basis“, so von Winning, wolle der Investor preisgünst­igen Wohnraum anbieten. Bis zum Auslegungs­beschluss sollen die Pläne konkretisi­ert werden. Nachdem das kommunale Wohnungsun­ternehmen UWS Grundstück­e an der Söflinger Straße/Kässbohrer­straße erwarb, soll das Viertel neu geordnet werden. Wie Rimmele beklagte, befinde sich in der Kässbohrer­straße auch ein Bordell, das allerdings Bestandsch­utz genieße. Durch einen einstimmig gefassten neuen Bebauungsp­lan für das Areal Söflinger Straße/Kässbohrer­straße, sei zumindest eine Ausweitung nicht mehr zulässig. Die barackenäh­nlichen Häuser an der Söflinger Straße 120/124 sollen abgerissen werden. Noch nicht steht fest, wie die Neubauten aussehen. Doch ein vergrößert­er Supermarkt mit über 1100 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche gilt als gesetzt, laut Gutachten sei er wichtig für die Nahversorg­ung. Wichtig ist der Stadtverwa­ltung, dass hier ein Gebiet mit einen „hohen Wohnanteil“entstehe.

 ?? FOTO: KAYA ?? Die Neutorstra­ße gegenüber den SWU: Um die zwei alten Häuser ( r.) muss der Investor herumbauen.
FOTO: KAYA Die Neutorstra­ße gegenüber den SWU: Um die zwei alten Häuser ( r.) muss der Investor herumbauen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany