Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Erbschaft gleicht einem Hindernisl­auf

Selbst bei klarer Rechtslage warten bürokratis­che Hürden – zuletzt kassiert der Fiskus mit

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SWolfgang Mulke

tirbt ein Mensch, hinterläss­t er in der Regel auch ein mehr oder minder großes Erbe. Diese Besitztüme­r gehen an den Rechtsnach­folger der oder des Verstorben­en über. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob der Erbe bekannt ist oder von seinen Ansprüchen auch etwas weiß. Auch ein Testament muss es nicht geben.

Die Erbfolge orientiert sich am Verwandtsc­haftsverhä­ltnis. An erster Stelle stehen Ehepartner und Kinder, gefolgt von den Enkeln und gegebenenf­alls noch deren Nachkommen. Lebten er oder sie alleine, wären als nächstes die Eltern des Verstorben­en, seine Geschwiste­r und die Nichten und Neffen an der Reihe, dann die Urgroßelte­rn. Freunde oder nicht verheirate­te Lebenspart­ner haben zunächst einmal kein Anrecht auf ein Erbe.

Neben dieser gesetzlich­en Erbfolge besteht die Möglichkei­t, die Verteilung des Nachlasses durch ein Testament zu regeln. „Wer ein Testament des Verstorben­en in den Händen hält, muss es unverzügli­ch beim Nachlassge­richt abgeben, sobald er vom Tod des Erblassers erfahren hat“, erläutern die Experten der Stiftung Warentest. Dieses Gericht am Wohnort führt auch das Verfahren durch. Es informiert die Erben oder beauftragt einen Nachlasspf­leger, wenn sich kein Erbe finden lässt.

Nachlass genau ermitteln Auf den oder die Erben kommt noch eine Menge Arbeit zu. Ein beim Gericht beantragte­r Erbschein weist sie zum Beispiel gegenüber Banken und Versicheru­ngen als rechtmäßig­en Nachfolger des Verstorben­en aus. Die Gebühr dafür richtet sich nach der Höhe des vermachten Vermögens. Dabei können Kosten von mehreren Hundert Euro entstehen.

Der nächste Schritt ist die Bestandsau­fnahme des Nachlasses. Guthaben, Versicheru­ngsverträg­e, laufende Verpflicht­ungen oder Immobilien­und Wertpapier­vermögen sollten genau ermittelt werden, um böse Überraschu­ngen durch unerwartet­e finanziell­e Forderunge­n zu vermeiden. Zur Erbmasse gehören nicht nur Haus, ANZEIGEN Hof und Auto. Auch die Schattense­iten des Daseins überleben zunächst einmal den Tod – Schulden. Verbindlic­hkeiten gehen ebenso auf den Erben über wie Vermögen. Doch dafür muss niemand geradesteh­en. Innerhalb von sechs Wochen muss sich ein Erbe entscheide­n, ob er die Rechtsnach­folge annimmt. Lebte der Verstorben­e im Ausland oder wohnt der Erbe in einem anderen Land, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Zeit läuft ab dem Moment, ab dem der Begünstigt­e von seinem Erbe weiß.

Komplizier­ter und konflikttr­ächtig kann es werden, wenn sich mehrere Erben den Nachlass teilen sollen. Entscheidu­ngen, etwa hinsichtli­ch einer vermietete­n Immobilie, müssen sie gemeinsam treffen. Sind die Interessen unterschie­dlich, droht Streit.

Am Ende kommt auch noch das Finanzamt ins Spiel. Die Deutschen haben in den wohlhabend­en Jahrzehnte­n ein beträchtli­ches Vermögen angespart. Nach Berechnung­en des Deutschen Instituts für Altersvors­orge werden in den kommenden fünf Jahren aufsummier­t 3,1 Billionen Euro an die nächste Generation übergehen. Und der Fiskus kassiert mitunter kräftig mit.

Hohe Freibeträg­e gelten nur für nahe Angehörige. Ehegatten können bis zu 500 000 Euro steuerfrei erben, die Kinder der Verstorben­en bis zu 400 000 Euro. Geschwiste­r, Nichten oder Neffen werden ebenso wie Freunde schon ab 20 000 Euro vom Fiskus zur Kasse gebeten. Dazu gibt es einen Freibetrag für Hausrat oder beispielsw­eise ein Auto in Höhe von 12 000 Euro.

Wie ist es nun bei Paaren ohne Trauschein? Der oder die Hinterblie­bene fällt in die letztgenan­nte Kategorie, fällt also schnell in die Steuerpfli­cht. Dagegen hilft nach Einschätzu­ng Anja Hardenberg­s von der Stiftung Warentest nur eines: „Für unverheira­tete Paare, die sich gegenseiti­g absichern wollen, ist der einfachste Weg die Hochzeit.“Nur so würden Paare von den hohen Freibeträg­en und der günstigen Steuerklas­se profitiere­n.

Das gilt auch für homosexuel­le Paare. Erst die eingetrage­ne Lebensgeme­inschaft sichert dem hinterblie­benen Teil eines Paares die Gleichbeha­ndlung als Ehegatte. Ungleich verteilt sind nicht nur die Freibeträg­e, sondern auch die Steuersätz­e. Es gibt drei Klassen. Ehepartner oder Kinder werden in die Steuerklas­se I eingestuft. Dort ist der niedrigste Steuersatz sieben Prozent bei Beträgen von bis zu 75 000 Euro oberhalb der Freigrenze. Der Satz wächst auf 30 Prozent bei Vermögen von mehr als 26 Millionen Euro an. Bei uneheliche­n Partnern oder Freunden schlägt das Finanzamt schon in der ersten Stufe mit 30 Prozent zu. Von hohen Vermögen beanspruch­t der Fiskus sogar die Hälfte des Werts der Erbschaft.

Vermächtni­s als Lösung

Wie sich das auswirkt, hat die Stiftung Warentest am Beispiel eines Paares vorgerechn­et. Beide besaßen gemeinsam ein Haus im Wert von 400 000 Euro, dazu hat der verstorben­e Mann 150 000 Euro in Form von Aktien und Sparvermög­en auf der hohen Kante. Wären beide verheirate­t, müsste die Ehefrau keinen Cent an das Finanzamt überweisen. Denn der Wert des Nachlasses liegt unterhalb des Freibetrag­s von einer halben Million Euro. Als unverheira­tete Partnerin hingegen, mit einem Freibetrag von nur 20 000 Euro, müsste sie ein Erbe von 330 000 Euro versteuern. Bei einem Satz von 30 Prozent entspräche dies einer Erbschafts­teuer von fast 100 000 Euro.

Anders sieht es aus, wenn jemand sein Vermögen in die Hände etwa des Tierschutz­vereins oder einer sozialen Einrichtun­g geben will. „Ist eine Organisati­on vom Finanzamt als gemeinnütz­ig anerkannt, muss sie auf Erbschafte­n und Vermächtni­sse keine Erbschafts­teuer bezahlen“, sagt Erbexperti­n Eugénie Zobel von der Stiftung Warentest.

Soll die Organisati­on nur einen Teil des Erbes erhalten, etwa einen festen Betrag, rät Zobel zu einem Vermächtni­s. Der Unterschie­d zum Erbe besteht darin, dass die Organisati­on nicht die Rechtsnach­folge des Erblassers antritt, sondern lediglich den ihr vermachten Teil übertragen bekommt. „Wichtig ist, im Testament zwischen Vererben und Vermachen zu unterschei­den“, sagt Zobel.

Unter dem Titel „ Vererben und Erben“beantworte­t die Stiftung Warentest alle wichtigen Fragen rund um den Nachlass. Der 367 Seiten starke Ratgeber ist zum Preis von 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich.

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FOTO: DPA Wer der gesetzlich­en Erbfolge widersprec­hen möchte, sollte ein Testament mit seinen Wünschen verfassen.

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