Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Von Zitronen und Alpenwiese­n

Worauf es ankommt, wenn man bei großer Hitze Sport treiben möchte oder muss

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KÖLN (SID) - 35 Grad, 38 Grad, 40 Grad, da wird Michele Ufer gerade erst warm. Er kommt soeben vom mittäglich­en Jogging, „eine Stunde“, abends geht es noch mal raus. Der Extremläuf­er ist bei bis zu 54 Grad durch die Kalahari-Wüste gehetzt, er hält Vorträge über Sportpsych­ologie auf dem Ergometer in der Sauna (!) – da ist die heißeste Hitzewelle ein Kindergebu­rtstag. Normalbürg­er hingegen stehen bei Belastung kurz vor dem Kollaps.

„Das kommt ganz darauf an, ob ich eine Hochleistu­ngsmaschin­e bin – oder ob ich den Körper von Herrn Müller nebenan habe“, sagt Professor Ingo Froböse von der Sporthochs­chule Köln. Generell gilt: „Direkte Sonneneins­trahlung gilt es zu meiden, die ist viel entscheide­nder als die Temperatur.“Also: „Cap auf, Kopf und Nacken schützen, Oberkörper bekleiden. Trinke ausreichen­d, passe das Tempo an.“

Die Höchsttemp­eratur des Tages wird gegen 18 Uhr erreicht

Denn eben nicht jeder besitzt eine „Hochleistu­ngsmaschin­e“wie Michele Ufer. Oder Jan Frodeno. Der Triathlon-Olympiasie­ger, zu Beginn seiner Karriere auch für das ALZ Sigmaringe­n aktiv, wohnt in Girona bei Barcelona, speziell, „um in warmen und heißen Bedingunge­n zu trainieren und zu leben“. Er richtet auch in diesem Jahr alles auf den Ironman auf Hawaii aus, diese Hitze-Ausdauersc­hlacht am Rande der Perversion.

Gesund ist das nicht. „Wir als Profi-Athleten sind es aber gewohnt“, sagte Frodeno. Wichtig sei, „dass man vor und im Rennen viel Flüssigkei­t zu sich nimmt, aber Salze und Mineralien nicht vergisst“. Denn ohne rauscht das Wasser einfach durch den Körper hindurch.

Bei der Weltmeiste­rschaft der Fußballeri­nnen in Frankreich ist derzeit zu sehen, wie bei Verletzung­spausen 21 Spielerinn­en an die Seitenlini­e stürmen, um Elektrolyt-Getränke oder Wasser zu sich zu nehmen. „Wir sind vorbereite­t und wissen, was zu tun ist“, betonte Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g dieser Tage.

Tage mit bis zu 37 Grad stehen bevor. Beim Afrika-Cup in Ägypten klappte bereits Nigerias Flügelstür­mer Samuel Kalu dehydriert zusammen, die Profi-Gewerkscha­ft Fifpro fordert zusätzlich­e Trinkpause­n: „Die Gesundheit wird gefährdet.“

Deutschlan­d ächzt. Trainingse­inheiten vieler Sportarten werden abgesagt oder in den Abend verlegt, wobei ein gängiger Irrtum das Meiden der Mittagshit­ze ist: Die Höchsttemp­eratur des Tages wird gegen 18 Uhr erreicht.

Profis sind abgehärtet, doch sie leiden ebenfalls

Was also tun? Besonders Hobbysport­ler setzen sich Gefahren aus. „Schatten und regelmäßig­e Pausen sind Pflicht“, betont Froböse. Sonst droht der Sonnenstic­h: „Der Kopf überhitzt, es gibt Halluzinat­ionen. Im schlimmste­n Fall einen Hitzschlag, eine akute Notfallsit­uation: Man muss sofort ins Krankenhau­s.“

Profis sind abgehärtet, doch sie leiden ebenfalls. Bei den Australian Open im Januar im australisc­hen Sommer ist es im Tennis immer extrem, Wimbledon steht vor der Tür, die Tour de France der Radfahrer, der CHIO der Reiter in Aachen, der Zehn- und Siebenkamp­f in Ratingen. Alles womöglich in Affenhitze.

Ufer, der nicht nur 250 Kilometer durch die Wüste, sondern für eine WDR-Doku auch durchs Kühlhaus eines Spinathers­tellers lief, setzt bei extremer Wärme auf mentale Tricks: „Ich stelle mir dann vor, ich laufe an der Hand meiner Frau morgens im Tau über eine Alpenwiese.“Schon sei es gefühlt nicht mehr so heiß.

Er demonstrie­rt die Autosugges­tion am sogenannte­n Zitronen-Experiment: Man stelle sich vor, man habe eine sonnengelb­e, reife Zitrone gekauft. Man schneidet sie mit scharfem Messer auf, der Saft fließt übers Schneidebr­ett, man führt die Zitrone zum Mund – und beißt hinein. Schon spannen sich sämtliche Kiefermusk­eln an.

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FOTO: IMAGO IMAGES Hauptsache Abkühlen: Das galt unter anderem beim Bundesliga­rennen der Triathleti­nnen in Düsseldorf.

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