Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Angst des Goldsammlers vor dem Karriereende
Tischtennis-Star Timo Boll gewinnt Europaspiele und qualifiziert sich für sein letztes Großereignis
MINSK (dpa/SID) - Vom Krach am Tischkicker vor seiner Zimmertür und vom Lärm der Autos frühmorgens um 5.30 Uhr ließ sich Timo Boll nicht beirren. Trotz wenig Nachtschlaf gewann der Tischtennisprofi aus dem Odenwald am Mittwoch Gold im Tischtennis-Einzelwettbewerb der Europaspiele in Minsk. Nach hartem Kampf wurde RekordEuropameister Boll seiner Favoritenrolle gerecht und gewann 4:2 (6:11, 12:10, 12:14, 11:9, 11:6, 11:4) gegen den Dänen Jonathan Groth.
Zuvor hatte Deutschlands Topspielerin Ying Han die Goldmedaille verpasst. Die Düsseldorferin unterlag im Finale Yu Fu (Portugal) mit 2:4 (5:11, 8:11, 11:9, 11:9, 6:11, 7:11) und holte damit Silber. Ying Han durfte sich aber mit dem Olympia-Ticket trösten, das ihr nach dem 4:3 im Halbfinale gegen Xiao Xin Yang aus Monaco sicher war.
„Keine Vorstellung, wie ein Leben ohne Tischtennis aussehen kann“Für Boll werden die Olympischen Spiele 2020 „höchstwahrscheinlich“das letzte Topereignis in der Karriere des jetzt 38-Jährigen sein, wie er sagte. „Aber ich weiß es noch nicht genau.“Er unterstrich, dass ihm der Spaß bis zu den Spielen in Tokio „sicher nicht abhandenkommen“werde. „Spielerisch und vom Know-how her wird nicht mehr viel passieren, nach oben wie nach unten.“Der Gedanke an das Ende der Laufbahn „macht mir Angst“, gestand er im „Zeit-Magazin“: „Ich habe keine Vorstellung davon, wie ein Leben ohne Tischtennis aussehen kann.“
Boll betonte, wie wichtig es sei, den richtigen Moment zum Aufhören zu finden. Kürzlich habe er eine Dokumentation über Ex-Tennisprofi Boris Becker gesehen. „Es hat mich sehr erschreckt, in welch schlechtem körperlichem Zustand er am Ende seiner aktiven Laufbahn war“, sagte Boll. „Die Vorstellung, meine Karriere als Invalide zu beenden, ist ein Alptraum. Ich möchte auch danach noch sportlich aktiv sein, mit meiner Tochter Fahrrad fahren, Tennis oder Fußball spielen.“
Bereits durch den Einzug ins Endspiel nach einem 4:1-Halbfinalsieg gegen den kroatischen Außenseiter Tomislav Pucar hatte Boll das Ticket für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio gelöst. Der Weltranglisten-33. Groth hatte im Achtelfinale den zweiten deutschen Hoffnungsträger Dimitrij Ovtcharov (Hameln) überraschend klar 4:0 bezwungen.
Eine weitere Olympiachance gibt es über die Qualifikation in den am Donnerstag beginnenden TeamWettbewerben, in den zwei von drei Spielern einer Mannschaft zugleich ihr Einzelticket lösen können.
Mit dem Titel in Minsk krönte das Tischtennis-Ass den bisher erfolgreichsten Tag für Team Deutschland. Zuvor hatten bereits die Kanuten Max Hoff und Jacob Schopf sowie der Pistolenschütze Oliver Geis jeweils Gold geholt.