Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Es droht ein böses Erwachen

- ●» Von Sebastian Borger politik@schwaebisc­he.de

Zum ersten Mal seit knapp 100 Jahren werden die Briten im Advent an die Wahlurnen gerufen. Wenn diesmal viele Bürger den vorhergesa­gten kalten Regen als Ausrede für ihr Fernbleibe­n nutzen, wäre das keine Überraschu­ng. Denn sie stehen vor einer kaum lösbaren Alternativ­e: Entweder bestätigen sie Boris Johnson im Amt des Premiermin­isters, einen prinzipien­losen Lügner, von dem man befürchten muss, er werde das Land nach der Übergangsf­rist Ende 2020 in den chaotische­n Brexit führen und so eine Krise der Finanzmärk­te auslösen. Oder sie befördern einen altlinken, in seiner Partei üblen Antisemiti­smus duldenden Ideologen, den LabourChef Jeremy Corbyn, in die Downing Street und bekommen den Börsencras­h vor Weihnachte­n.

Zwar gibt es auch in Großbritan­nien andere Parteien, doch auch diesmal zeigt der Wahlkampf die Wirkung des Mehrheitsw­ahlrechts. Echte Chancen haben letztendli­ch nur eine konservati­v oder eine sozialdemo­kratisch geführte Regierung.

Corbyns Wahlprogra­mm verspricht dem Volk das Blaue vom Himmel. Gewiss gibt es auf der Insel einen gewaltigen Investitio­nsstau. Sicherlich bricht nicht gerade die Revolution aus, wenn man die Unternehme­nsteuer ein wenig erhöht und die Bestverdie­ner mehr zur Kasse bittet. Aber es lassen sich auch nicht alle Probleme des Landes mit immer mehr Staatsgeld lösen. Die Vorschläge der Torys sind kaum weniger haltlos. Neugebaute Krankenhäu­ser, mehr Krankensch­western, mehr Geld für Schulen – bei näherer Betrachtun­g stellen sich die Behauptung­en als höchstens halbwahr, oft gänzlich falsch heraus.

In der BrexitFrag­e stiehlt sich Corbyn aus der Verantwort­ung, indem er ein zweites Referendum verspricht und dabei neutral bleiben will. Johnsons Slogan „Get Brexit Done“– „Den Austritt vollenden“– kommt der Müdigkeit des Volkes entgegen, sich noch länger mit dem Thema zu befassen. In Wirklichke­it verspreche­n die Verhandlun­gen mit der EU aber langwierig zu werden. Am Freitag erwartet die Briten also ein böses Erwachen – so oder so.

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