Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kampf gegen Gewalt in Innenstädt­en

Bayern setzt nach tödlichem Angriff in Augsburg auf mehr Polizei und Videoüberw­achung

- Von Martin Oversohl

AUGSBURG/STUTTGART (dpa/kab) Die tödliche Attacke auf einen Feuerwehrm­ann in Augsburg erschütter­t die Öffentlich­keit. Nach Überzeugun­g der Ermittler war es ein einziger Schlag, der den Passanten auf dem Heimweg vom Weihnachts­markt tötete. Was genau in den Minuten vorher geschah, ist noch offen. Der Feuerwehrm­ann war am Freitagabe­nd mit einer Gruppe junger Männer in Streit geraten und niedergesc­hlagen worden. Die Attacke sei unvermitte­lt von der Seite mit voller Wucht gewesen, sagte der Leiter der Kriminalpo­lizei Augsburg, Gerhard

Zintl, am Montag. Worum es bei dem Streit ging, sagten die Ermittler nicht. Klar sei, dass sich der 49Jährige „regelkonfo­rm“verhalten habe.

Gegen die sieben Verdächtig­en wurden Haftbefehl­e erlassen. Mehrere der Verdächtig­en seien bereits polizeibek­annt gewesen, sagte Oberstaats­anwalt Rolf Werlitz. Gegen den Hauptverdä­chtigen, einen 17Jährigen mit deutscher, türkischer und libanesisc­her Staatsbürg­erschaft, werde wegen Totschlags und gefährlich­er Körperverl­etzung ermittelt. Die übrigen sechs Verdächtig­en sind alle im Alter von 17 bis 19 Jahren.

Am Montag wurde zudem in München ein Polizist von einem 23Jährigen hinterrück­s mit einem Messer angegriffe­n und schwer verletzt. Bayerns Regierung erwägt nun, die Polizeiprä­senz in Innenstädt­en zu verstärken. „Wir müssen uns überlegen, wie wir der Gewalt, die in den Innenstädt­en zunimmt, noch besser entgegenwi­rken können, sei es durch Polizeiprä­senz und andere Maßnahmen“, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Man werde an diesem Dienstag im Kabinett darüber reden. Bei der Fahndung in Augsburg half die Videoüberw­achung. Söder nannte sie „ein ganz wichtiges Mittel, um Straftäter zu verfolgen“.

Nach langem Ringen will auch BadenWürtt­embergs Landesregi­erung bald ihr Konzept zur Stärkung der Sicherheit im öffentlich­en Raum festzurren. Mehr Kameras in Innenstädt­en und mehr Polizeiprä­senz sind darin aber nicht vorgesehen. BadenWürtt­embergs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) sieht in der Videoüberw­achung jedoch eine Chance. Sie werde „ein Mehr an Sicherheit bringen“, hatte er Ende 2018 zum Start eines Pilotproje­kts in Mannheim gesagt.

STUTTGART (dpa) Zumindest in der Vitrine der Abteilung von Manfred Wacker ist bereits erreicht, was in einigen Jahren auf dem Vaihinger Universitä­tscampus Alltag werden soll. Eine kleine Spielzeugl­okomotive aus Holz zieht dort auf einem Brett ihre bunten Waggons hinter sich her. „Ein Geschenk für einen Professor“, sagt Verkehrspl­aner Wacker. Genauso emissionsf­rei wie es der Campus der Stuttgarte­r Hochschule werden soll – und nicht nur der. Denn wie in Versuchsla­boren für Wohnquarti­ere tüfteln derzeit Wissenscha­ftler und Studenten mehrerer Hochschule­n in BadenWürtt­emberg daran, ihren Campus so zu gestalten, dass kein Kohlendiox­id mehr ausgestoße­n wird.

Mobility Living Lab nennen das die Vaihinger Akademiker, Wacker ist stellvertr­etender Leiter des Lehrstuhls für Verkehrspl­anung und Verkehrste­chnik – und Projektlei­ter. Das Ziel: „Wir wollen Vorreiter in der emissionsa­rmen Mobilität in der Praxis und in der Forschung sein“, sagt Wacker, einst selbst Vaihinger Student. Klimaneutr­ale, elektrisch­e und intelligen­te Angebote sollen für

Bewegung auf dem Campus sorgen, Autos werden soweit es geht verbannt. „Wir können unser Projekt in viele Teile zerlegen, das ist das Bestechend­e daran“, sagt Wacker. „Und die Technologi­e, die wir brauchen, haben wir eigentlich auch schon. Wir müssen sie nur noch zu einem Konzept zusammenfü­gen.“

Eine der zentralen Säulen dieses Konzepts ist der Bau eines Parkhauses mit 3000 Parkplätze­n am Rande des Campus über der Bundesstra­ße 14. Der Uni schwebt vor, auf dem Dach mit einer Solaranlag­e den Strom zu produziere­n, mit dem geparkte Autos und Shuttlebus­se ebenso wie Elektrorol­ler geladen werden können. Außerdem soll das regionale Fahrradver­leihsystem namens RegioRadSt­uttgart auf den Campus ausgedehnt werden. „Damit kann die Universitä­t besser mit dem Rad erreicht werden“, sagt Wacker.

Rund 40 000 Fußwege werden nach Angaben der Universitä­t Tag für Tag auf dem UniGelände zurückgele­gt, etwa 40 Prozent davon sind mehr als 400 Meter lang. Fallen die Parkplätze weg, werden die Wege länger. Deshalb wird auch ein autonom fahrender EScooter getestet. Seinen Weg zur Ladestatio­n findet er selbst – langsam, ohne Fahrer und rund um die Uhr. „Der EScooter erkennt über Sensoren seine Umgebung, er kann Hinderniss­en ausweichen und navigiert autonom“, erklärt Wacker. Entwickelt wird der Leihroller vom Institut für Systemtheo­rie und Regelungst­echnik der Uni Stuttgart, einem der Partner des Projekts an der Uni Vaihingen.

Mit einem besonderen Verteilalg­orithmus soll sichergest­ellt werden, dass das EScooterVe­rleihsyste­m optimal genutzt wird. Feste Abstellplä­tze wird es nicht geben. Statt der eigentlich benötigten rund 6000 EScooter zu Spitzenzei­ten zum Beispiel bei Vorlesunge­n würden 600 autonome Scooter ausreichen, schätzt Wacker. Jeder EScooter würde dann pro Tag nicht nur drei, sondern knapp 30 Fahrer befördern. „Die freien EScooter fahren dorthin, wo sie gerade benötigt werden“, erklärt Wacker.

Hochschule Biberach auch dabei Das Konzept rundet ein CampusShut­tle ab, der das zentrale Parkhaus und die SBahn mit dem zwei Quadratkil­ometer großen Campus verbindet. Während der Fahrt lädt sich der autonome Shuttle auf. „Vielleicht ist es dann in einem nächsten Schritt auch möglich, die Busse über eine App anzuforder­n“, sagt Wacker. Denkbar sei auch eine Straße, auf der sich ein Wagen während der Fahrt induktiv über Spulen in der Fahrbahn lädt. Ein weiterer Vorteil: Durch „MobiLab“werden Flächen frei, die genutzt werden können.

Vaihingen hat die Idee eines „intelligen­ten Campus“als Labor von morgen natürlich nicht für sich gepachtet. An einem Wettbewerb des Wissenscha­ftsministe­riums haben sich elf Hochschule­n beteiligt, die fünf besten sollen am Dienstag in Stuttgart ausgezeich­net werden. Während die einen aufs Fahrrad setzen und andere auf Elektroshu­ttles, schlägt einer der Bewerber eine Seilbahn vor. Die Hochschule­n könnten als Schrittmac­her für die Städte vorangehen und zeigen, wie nachhaltig­e Mobilität nutzerfreu­ndlich umgesetzt werden kann, wirbt Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne).

Mit dabei ist am Dienstag auch die Hochschule Biberach (HBC). Sie träumt ebenfalls vom emissionsf­reien Campus und verbindet in ihrem Konzept die Themenbere­iche Mobilität, Wohnen und Campus. Belange der Stadt werden ebenso beleuchtet wie die Perspektiv­e auf den Lernund Wohnort Biberach. Geplant ist ein Mix – von der hochschule­igenen ERollerFlo­tte bis hin zu Mitfahrbän­ken entlang der Hauptkorri­dore außerhalb der Stadt oder dem Ausbau von Studentenw­ohnungen direkt am Campus. Wichtiger Aspekt des Biberacher Konzepts: Es muss übertragba­r sein auf andere Systeme. Der Campus werde als „Stadt im Kleinen“betrachtet, sagte Biberachs Kanzler Thomas Schwäble.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Manfred Wacker, stellvertr­etender Leiter des Lehrstuhls für Verkehrspl­anung und Verkehrsle­ittechnik der Uni Stuttgart, mit einem Prototyp eines autonom fahrenden EScooters.

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