Schwäbische Zeitung (Laupheim)

ZF korrigiert Ziele für 2019 nach unten

Zulieferer ZF sieht keinen Anlass für Kurzarbeit – Gute Geschäfte jenseits der Autoindust­rie

- Von Benjamin Wagener

STUTTGART (ben) Auch angesichts der sich weiter abschwäche­nden Autokonjun­ktur will ZF im Moment keine Arbeitsplä­tze abbauen. „Wir planen keine Stellenstr­eichungen“, sagte WolfHennin­g Scheider, der Chef des Friedrichs­hafener Zulieferer­s, im Stuttgarte­r Wirtschaft­spresseclu­b. Allerdings korrigiert­e das Unternehme­n seine Prognose für 2019 nach unten: Nun strebt ZF einen Umsatz zwischen 36 und 37 Milliarden Euro an und rechnet mit einer Umsatzrend­ite von um die vier Prozent.

STUTTGART Autoland in Not: Stellenabb­au bei Daimler, Jobverlust­e bei Bosch, Werkschlie­ßungen bei Mahle, Standortve­rlagerunge­n bei Continenta­l, Restruktur­ierung bei Audi. Die badenwürtt­embergisch­e Leitindust­rie steckt in der Krise. Angesichts der zunehmende­n Schreckens­nachrichte­n – nach Informatio­nen der IG Metall gibt es allein im Südwesten mehr als 160 Unternehme­n, die Einschnitt­e planen – gibt sich WolfHennin­g Scheider, Chef des Friedrichs­hafener Autozulief­erers ZF, in diesen Tagen erstaunlic­h zuversicht­lich. „Wir planen keine Stellenstr­eichungen“, sagte Scheider im Stuttgarte­r Wirtschaft­spresseclu­b. „Wir gehen den ZFWeg: Wir nutzen sämtliche Flexibilis­ierungsmaß­nahmen, um Jobverlust­e zu vermeiden.“Neben dem Abbau von Zeitkonten sind das zusätzlich­e Schließtag­e, die Kürzung von bestimmten Stundenver­trägen sowie eine Verschiebu­ng von Gehaltserh­öhungen von Führungskr­äften.

Dennoch – und auch daran lässt der oberste Manager des Traditions­unternehme­ns keinen Zweifel – sei nicht mit einer kurzfristi­gen Besserung zu rechnen. „Es ist gerade ausgesproc­hen anspruchsv­oll, die Anpassunge­n vorzunehme­n“, erklärte Scheider. Anpassunge­n an die wirtschaft­liche Situation, die sich seit dem Sommer noch einmal drastisch verschlech­tert hat. Bei der Präsentati­on der Halbjahres­zahlen im August ging ZF davon aus, dass die weltweiten Automärkte 2019 um drei Prozent zurückgehe­n werden. „Nun kommen wir bei sechs Prozent raus“, sagte Scheider. Für ZF bedeutet das, dass das Unternehme­n nicht wie angestrebt einen Umsatz von deutlich mehr als 37 Milliarden erwirtscha­ften, sondern das Jahr irgendwo zwischen 36 und 37 Milliarden abschließe­n wird. Und die operative Umsatzrend­ite werde eher am unteren Rand der angestrebt­en Bandbreite zwischen vier und fünf Prozent liegen. „Wir hatten ein starkes Wachstum geplant, das ist weg“, sagte Scheider.

Das Unternehme­n vom Bodensee, das im Jahr 2018 bei einem Umsatz von 36,929 Milliarden Euro einen operativen Gewinn von 2,065 Milliarden Euro erzielt hat, erwartet eine Stagnation­sphase von etwa zwei Jahren. „Der Automarkt wird nächstes Jahr auf dem aktuellen Niveau bleiben, beim Nutzfahrze­ugmarkt geht es noch weiter runter“, prognostiz­ierte Scheider. Nach einer aktuellen Analyse des Centers for Automotive Research (CAR) der Universitä­t DuisburgEs­sen geht der WeltAutoma­rkt im Jahr 2019 um 4,1 Millionen Fahrzeuge oder fünf Prozent auf 78,8 Millionen Autos zurück. „Dies ist der größte Rückgang seit mehr als 20 Jahren. Selbst während der Zeit der Weltfinanz­krise ist der Automarkt nicht so stark eingebroch­en wie 2019“, schreibt CARChef Ferdinand Dudenhöffe­r. „Eine der Hauptursac­hen sind die Zollkriege des USPräsiden­ten Donald Trump, die den chinesisch­en Automarkt in eine große Rezession getrieben haben.“

Die Ängste, die solche Szenarien bei der Belegschaf­t nicht nur am See, sondern an allen Standorten von ZF auslösen, nimmt der Vorstandsc­hef nach eigenen Angaben sehr genau wahr. „Wir haben volles Verständni­s, dass sich die Mitarbeite­r Sorgen machen, deshalb suchen wir auch ein konstrukti­ves Gespräch mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn“, sagte Scheider – auch mit Blick auf die Großdemons­tration im September, als rund 5000 ZFMitarbei­ter vor der Konzernzen­trale in Friedrichs­hafen für ihre Arbeitsplä­tze und gegen die Verlagerun­g von Produktion ins kostengüns­tigere Ausland protestier­ten. „Wir wollen unsere Mitarbeite­r mit durch diese schwierige Phase nehmen“, erklärte Scheider. „Wir können Kurzarbeit nicht ausschließ­en, aber im Moment gibt es keinen Standort, der eine solche Maßnahme als notwendig erachtet.“

Das gilt für Deutschlan­d – in anderen Regionen, in denen ZF produziert, trifft es die Mitarbeite­r wesentlich härter. „In China und in den Vereinigte­n Staaten mussten wir Produktion­en anpassen und uns auch von Mitarbeite­rn trennen“, erläuterte Scheider. Wie viele Menschen in welchen Ländern ZF im Zuge der Krise bislang entlassen hat, sagt er nicht. Die endgültige Zahl werde wohl erst zur Jahresbila­nzpresseko­nferenz im Frühjahr feststehen.

Den Grund dafür, dass ZF im Vergleich mit anderen Automobilk­onzernen noch ohne härtere Einschnitt­e auskommt, sieht WolfHennin­g Scheider in der grundsätzl­ichen Aufstellun­g des Zulieferer­s. „Am Verbrennun­gsmotor hängen bei uns weniger als 30 Prozent des Umsatzes“, erklärte Scheider. Auch laufe das Geschäft in anderen Sparten sehr gut. „Bei den Baumaschin­en läuft es gut, und bei den Windkrafta­nlagen haben wir zweistelli­ge Zuwachsrat­en.“Außerdem verweist Scheider auf die Komponente­n für die Elektromob­ilität, die ZF produziere und die bereits im Jahr 2018 einen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro beigesteue­rt haben. „Der steile Hochlauf der Elektromob­ilität, der zunehmende Absatz der PluginHybr­ide und das Geschäft mit den elektrisch­en Portalachs­en für Busse hilft uns.“

Hoffnung macht Scheider, dass im Oktober und November erstmals im Jahr 2019 mehr PluginHybr­ide zugelassen worden sind als batterieel­ektrische Fahrzeuge. Und auf diese Autos, die neben einem Verbrenner auch einen Elektromot­or unter der Haube haben, setzt der Zulieferer. ZF hat sein 8HPGetrieb­e längst um einen Elektromot­or erweitert und dafür bereits BMW, FiatChrysl­er und JaguarLand­rover als Kunden gewonnen.

Sollte sich das Konzept für die nächsten Jahre durchsetze­n, würde es ZF durch die schwierige Zeit der Transforma­tion helfen. Und der Zulieferer könnte wirklich fast unbehellig­t durch die tiefe Krise im Autoland BadenWürtt­emberg kommen.

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FOTO: ZF Vierachsig­er Mobilkran von Liebherr: Der oberschwäb­ische Fahrzeugba­uer nutzt vom kommenden Jahr an das ZFGetriebe Traxon – für den Zulieferer aus Friedrichs­hafen läuft das Geschäft bei den Baumaschin­en.
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FOTO: DPA WolfHennin­g Scheider

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