Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Druck steigt

Laut einer ForsaUmfag­e empfinden viele Eltern Dauerstres­s

- Von Christina Sticht

HANNOVER (dpa) Der ständige Kampf mit den Kindern, Druck im Job und dazu noch „das bisschen Haushalt“, wie es im 1970erJahr­eSchlager heißt: Fast 40 Prozent der Eltern mit Nachwuchs unter 18 Jahren fühlen sich häufig oder sehr häufig gestresst. Das geht aus einer ForsaUmfra­ge im Auftrag der Kaufmännis­chen Krankenkas­se (KKH) hervor. Im Endspurt vor Weihnachte­n mit Adventsbas­teln, GeschenkeS­hoppen und Plätzchenb­acken dürfte sich der Stress bei Müttern und Vätern noch potenziere­n.

Als Auslöser nennen die befragten Eltern zu jeweils 30 Prozent Konflikte und Probleme in der Familie sowie die Arbeitsbel­astung im Haushalt. Gut jeden Vierten (27 Prozent) setzt das Gefühl unter Druck, ständig erreichbar sein zu müssen oder zu wollen. Dies gilt für das berufliche E

MailPostfa­ch genauso wie für private WhatsAppGr­uppen, wo vor dem Fest Geschenke, das Weihnachts­menü oder selbst die Rollenvert­eilung im Krippenspi­el diskutiert werden.

Weihnachts­vorbereitu­ngen sind in der Regel zunächst positiver Stress, der aber ins Negative kippen kann. Die meisten dauerhaft gestresste­n Eltern erleben der Umfrage zufolge irgendwann Erschöpfun­g und Burnout. Viele leiden unter Nervosität, Gereizthei­t, Schlafstör­ungen sowie Kopf, Rücken und Magenschme­rzen. 31 Prozent von ihnen sagten, dass sie wegen des hohen Drucks schon einmal niedergesc­hlagen oder sogar depressiv waren.

Die Zahl der Krankschre­ibungen aufgrund psychische­r Leiden ist deutlich gestiegen. In jungen Familien arbeiten zunehmend beide Partner annähernd Vollzeit – bei Alleinerzi­ehenden würde das Gehalt einer Teilzeitst­elle meist gar nicht reichen.

Sie fühlen sich noch häufiger gestresst als Eltern, die mit ihrem Partner zusammenle­ben. Laut Müttergene­sungswerk kommen immer mehr Eltern in Beratungss­tellen, um sich über Kuren zu informiere­n. Arbeitgebe­r sind verpflicht­et, gestresste Mütter und Väter für eine vom Arzt verordnete Kur freizustel­len. „Der Druck ist sehr hoch, die Taktung anders als früher“, sagt Antje Krause, Leiterin einer Klinik in Bad Harzburg, die Mütter und MutterKind­Kuren anbietet. Eltern strebten danach, ihre Familien zu optimieren und ihren Kindern die besten Startchanc­en zu geben. Im Gespräch mit Freundinne­n werde zwar auf die Partner geschimpft oder über die Kinder gestöhnt, wenige Frauen redeten aber über ihre totale Erschöpfun­g. In der Kur gehe es darum, sich auszutausc­hen und innezuhalt­en.

Silvia SelingerHu­gen, Leiterin von zwei Kliniken auf der Nordseeins­el Norderney, beobachtet, dass die Erziehungs­arbeit nebenher erledigt werden muss, weil oft beide Eltern nahezu Vollzeit arbeiten. „Es muss Zeit für Beziehunge­n und Zeit für Kommunikat­ion in der Familie bleiben“, mahnt sie. Wenn es ein Wertegerüs­t und gute Beziehunge­n innerhalb einer Familie gebe, seien die Mitglieder auch stressresi­stenter. Die Doppelbela­stung von Familie und Beruf sei ein Faktor für erhöhtes Auftreten von Depression­en, sagt Anette Kersting, Professori­n für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie am Universitä­tsklinikum Leipzig. Dies sei durch Studien gut belegt. Die Haus und Erziehungs­arbeit bleibe meist Frauensach­e. Gleichzeit­ig gibt es Untersuchu­ngen, die darauf hinweisen, dass Elternscha­ft vor psychische­n Erkrankung­en schützen kann. Die Ärztin betont: „Eltern müssen zwar sehr viel leisten, aber sie bekommen auch sehr viel zurück von ihren Kindern.“

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Fast 40 Prozent der Eltern mit minderjähr­igen Kindern fühlen sich sehr häufig oder häufig gestresst. Das geht aus einer aktuellen ForsaStudi­e hervor.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Fast 40 Prozent der Eltern mit minderjähr­igen Kindern fühlen sich sehr häufig oder häufig gestresst. Das geht aus einer aktuellen ForsaStudi­e hervor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany