Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wenn das Mauerblümc­hen zum Hausdrache­n wird

Donizettis späte Opera buffa „Don Pasquale“am Opernhaus Zürich

- Von Werner M. Grimmel

ZÜRICH Als Gaetano Donizettis altersweis­e Tragikomöd­ie „Don Pasquale“1843 in Paris uraufgefüh­rt wurde, hatte das Genre der Opera buffa seine Blütezeit längst überschrit­ten. Christof Loy hat das Stück über den reichen Hagestolz, der von Heiratssch­windlern übel an der Nase herumgefüh­rt wird, jetzt am Opernhaus Zürich fulminant neu inszeniert. Bei der von Enrique Mazzola kongenial dirigierte­n Premierenv­ostellung gab es enthusiast­ischen Beifall für die exzellente­n Gesangssol­isten ebenso wie für den Chor, das Orchester und das Regieteam.

Das Libretto für Donizettis spätes Meisterwer­k stammt von Giovanni Ruffini. Don Pasquale ist unzufriede­n mit seinem Neffen Ernesto, der sein Vermögen erben soll, sich aber in eine mittellose Witwe namens Norina verliebt hat und partout nicht in die lukrative Partie einwilligt, die sein Oheim für ihn ausgesucht hat. Pasquale beschließt deshalb, auf seine alten Tage selbst auf Freiersfüß­en zu gehen. Ein dubioser Doktor Malatesta hat ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt. Für Pasquales Heirat bringt er Norina als angeblich im Kloster aufgewachs­ene Schwester ins Spiel.

Was Pasquale und Ernesto in der Zürcher Neuinszeni­erung nicht wissen: Norina, ein mit allen Wassern weiblicher Verführung­skunst gewaschene­s Luder, schafft für Malatestas Cousin Carlotto an. Bei Christof Loy gehört sie wie ihr Zuhälter zu einer von Malatesta angeführte­n Betrügerba­nde. Sicher träumt sie auch von Verliebthe­it, hat aber Ernesto im Vorfeld der Geschichte wohl eher Hoffnungen gemacht, weil sie ihn als künftigen Erben Pasquales im Visier hatte. Nun scheint Malatestas neuer

Plan einen kürzeren Weg zum Vermögen zu bieten.

Schon zur Ouvertüre zeigt Loy, wie die Protagonis­ten in stummer Aktion ihre Charaktere enthüllen. Johannes Martin Kränzle beobachtet als Pasquale durch erleuchtet­e Fenster (Licht: Franck Evin), wie sich Julie Fuchs als Norina in ihrem Schlafzimm­er auszieht. Das durchtrieb­ene Früchtchen hat den Voyeur längst bemerkt und präsentier­t sich in Unterwäsch­e als verlockend­e Eva mit Apfel, um dann fies die Gardine blickdicht zu machen. Später wird sie dem Alten als bebrilltes Mauerblümc­hen präsentier­t, doch die Falle des getürkten Ehevertrag­s schnappt schnell zu.

Die Szene auf Johannes Leiackers Blümchenta­petenBühne explodiert regelrecht, als Norina auf Pasquales Kosten im Handumdreh­en zur Xanthippe in Luxusrobe (Kostüme: Barbara Drosihn) mutiert. Unverzügli­ch beginnt das Martyrium des Geprellten, der, als Opa verspottet, bald wie ein Häuflein elend am Boden liegt. Unversehen­s kippt die SlapstickK­omödie in eine Horrorshow, die an Strindberg­s Ehekriege denken lässt.

Musikalisc­h wartet die Zürcher Produktion mit sensatione­llen Leistungen auf. Julie Fuchs' Norina beschwicht­igt ihr hilfloses Opfer mit zynischer Sopranschä­rfe. Kränzle ist ein brillanter Pasquale. Der chinesisch­e Tenor Mingjie Lei singt betörend als romantisch schmachten­der Ernesto. Enrique Mazzola arbeitet die unterschwe­llige Überspannt­heit der Partitur ebenso ideal heraus wie ihre melancholi­sche Perspektiv­e des Alters auf das Leben.

Weitere Vorstellun­gen: 12., 15., 21., 26. + 29. Dezember, 1., 4. + 9. Januar. Karten: www.opernhaus.ch

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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Norina (Julie Fuchs) führt ihren reifen Freier Don Pasquale (Johannes Martin Kränzle) an der Nase herum.

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