Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Auch die Politik ist gefordert
Ärzte der Riedlinger SIPraxisklinik: Aufrechterhaltung der Ambulanz „unumstößlich“
RIEDLINGEN „Nur das Bettenhaus wird geschlossen“, betonen Dr. Erik Seidel und Dr. Sebastian Jung von der chirurgischen und orthopädischen SIPraxisklinik am Riedlinger Krankenhaus und reagieren damit auf viele Anfragen ihrer Patienten, ob es sie nächstes Jahr noch gebe. Für sie ist „unumstößlich“, dass auch nach der Schließung der stationären Einrichtung am Riedlinger Krankenhaus der ambulante Betrieb erhalten bleibt und sogar noch erweitert wird.
Seit fünf Jahren arbeitet die SIPraxisklinik erfolgreich in Riedlingen. Angetreten ist sie nach dem Werben von Sana und mit einem Vertrag, der neben der Ambulanz die Nutzung von stationären Strukturen in Eigenverantwortung mit einer Mindestlaufzeit bis Ende 2020 in Riedlingen festlegte. Den politischen Willen, kleine Krankenhäuser zu schließen, habe es damals schon gegeben, so Seidel, das hätten sie durchaus im Hinterkopf gehabt und hier mache er Sana auch keinen Vorwurf. Über das Wie der Kommunikation jedoch könne man diskutieren. Lediglich eine Stunde vor der medialen Verbreitung hätten er und seine Kollegen von der beabsichtigten Schließung zum 30. Juni 2020 erfahren. Sie hätten sich mehr Vorbereitungszeit gewünscht, um die Logistik für den künftigen Betrieb zu ebnen. „Für uns ist das Entscheidende, den Ambulanzbetrieb wie bisher mit allem Drum und Dran langfristig aufrechtzuerhalten“, betont er und erwartet von Sana und Landkreis die dafür mehrfach angekündigte Unterstützung, damit „mindestens unser großer Ambulanzbetrieb mit ambulantem Operieren uneingeschränkt fortgeführt werden kann“.
Bis ein neues bauliches Konzept umgesetzt sei, wobei Seidel und Jung hier einen Ärztehausneubau deutlich bevorzugen, habe das in den bisherigen Räumen zu geschehen. Gibt es hierfür bislang Mietverträge mit Sana, müssten diese dann mit dem Landkreis geschlossen werden.
Was den Ärzten der SIPraxisklinik wichtig ist: Auch nach der Schließung der Bettenstation würden die ambulant operierten Patienten umfassend betreut und überwacht. Große Eingriffe habe man schon bisher in Biberach operiert. Geschehen würde dies künftig dann bei allen Patienten, die ein paar Tage im Krankenhaus verweilen müssen. Die Logistik und der Zeiteinsatz seien für sie als Ärzte aufwendiger, räumt Dr.
Seidel ein. Darauf müssten sie reagieren.
Grottenschlecht bezahlt Trotzdem bleibe der Vorteil der persönlichen Betreuung des Patienten durch seinen Chirurgen vor und während der Operation und bei der ambulanten Nachsorge. „Das ist die Stärke unseres Versorgungskonzepts“, unterstreicht er. Dies gelte im Übrigen auch für die stationär in Biberach aufgenommenen Patienten. „Auch sie werden von uns vollumfänglich weiterbetreut.“Klar ist für die Ärzte aber auch, dass die Patienten, die ambulant operiert werden sollen und können, nicht nach Biberach fahren müssen. Dies müsse vor Ort geschehen. Dazu brauche man die Operationssäle. Das sei mit der Landkreisverwaltung so besprochen. Auf 20 000 beziffern Dr. Seidel und Dr. Jung die Patientenzahl pro Jahr. Ambulante Eingriffe seien es 500 bis 600, wobei sie davon ausgehen, dass sich diese erhöhen werden. Arbeiten sie derzeit noch mit Anästhesisten des Krankenhausträgers, so sei es kein Problem, dafür niedergelassene Fachärzte zu engagieren. Hierfür gäbe es Konsens mit Sana.
„Grottenschlecht“bezahlt werde das ambulante Operieren, wenden sich die beiden Ärzte an die Politik und erwarten hier ein Umdenken. Auch für den Wegfall der Budgetierung plädieren sie. Sollte sich die Politik dafür entscheiden, würden sich viele Probleme im ambulanten Bereich lösen, sind sie sicher.
Seidel und Jung beobachten die Tendenz, ambulante und nur kurz stationär aufzunehmende Patienten in fachärztlich selbstständigen Strukturen behandeln zu lassen, unterstreichen deren hohe Effizienz dank Arbeitsdichte und kürzerer Entscheidungswege und meinen, dass ein Ärztehaus mit wenigen Betten für eine kurze stationäre Verweildauer eine sehr gute Perspektive für die Zukunft sei. Diese Strukturen gedanklich bereits beinhalten sollte denn auch der Ärztehausneubau in Riedlingen, empfehlen sie.
Voraussetzung sei jedoch die Änderung des Entgeltsystems. Dann könnte man auch wesentlich mehr auf ambulanter Basis agieren. Deutlich machen sie: Kleine Versorgungsstrukturen sind wie große immer nur dann sehr gut, wenn auch die einzelnen Komponenten sehr gut sind und dafür müsse die Politik sorgen. Aktuell seien stationäre Betten an einen Krankenhausträger gebunden.
Der Aussage des badenwürttembergischen Sozialministers Manfred Lucha (Grüne), dass die großen Kliniken eine bessere Gerätemedizin böten, begegnen sie harsch: „Die Qualität der medizinischen Versorgung hängt nicht an den Geräten, sondern an der Qualität der Ärzte und die ist entscheidend, egal, ob kleines oder großes Krankenhaus“. Die Gerätemedizin sei nur „Beiwerk“.
Da es nach der Schließung des Bettenhauses nachts und am Wochenende keine Notfallversorgung mehr geben wird, überlegen die Ärzte der SIPraxisklinik, ob sie für diese Fälle eventuell eine abendliche Sprechstunde bis 20 Uhr einrichten wollen. Unberührt von den Plänen der Sana sind Notarztversorgung und Rettungsdienst vor Ort. „Darauf können wir immer uneingeschränkt zurückgreifen.“
Dankbar sind die Ärzte den Hausärzten für die gute Zusammenarbeit und die große Unterstützung, die den Ausbau des umfangreichen Ambulanzbetriebs erst ermöglicht hat.