Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Urban Priol bietet Trump Sachsen an

In fast drei Stunden begeistert der Aschaffenb­urger im voll besetzten Ulmer CCU

- Von Stefan Kümmritz

ULM Tilt! Ende, vorbei, das Spiel ist aus. Spiel? Politik ein Spiel? Mitnichten, und doch spielt Kabarettis­t Urban Priol bei seinem traditione­llen Jahresrück­blick „Tilt“im voll besetzten Ulmer CongressCe­ntrum verbal mit den Parteien, den Politikern, der Regierung aus diesem unseren Land ebenso wie mit den Großkonzer­nen oder den ausländisc­hen „Verrückten“wie Donald Trump oder Recep Tayyip Erdogan, den Präsidente­n der USA und der Türkei, dass bei den Besuchern kein Auge trocken bleibt.

Dabei wütet Priol doch so bittererns­t von der Bühne herab. Er würfelt die Angesproch­enen in seinem knapp dreistündi­gen Programm mitunter bunt durcheinan­der, ohne die Zusammenhä­nge zu verwirren, ohne den Faden zu verlieren, ohne Punkt und Komma. Ein brillanter Meister des politische­n Kabaretts, bei dessen Auftritt man geneigt ist, seine ganze Schelte als wahrhaft hinzunehme­n, sich unter dem Feuerwerk der Schmähunge­n und der Wucht seines Bombenhage­ls abzuducken. Oh wie schlecht war die deutsche Politik in diesem Jahr! Wie schlecht sind die Deutschen! Man müsste sich schämen – aber es war ja am Freitagabe­nd nur Kabarett – oder?

Jeder bekommt vom gebürtigen Aschaffenb­urger Urban Priol sein Fett ab. Als einen der bescheuert­sten Einfälle bezeichnet er die Maut„Geschichte“von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, dem „Master of the MautDesast­er“. Es war, so der Kabarettis­t, „der Knüller des Jahres“. Ein großes Thema 2019 – der Niedergang der großen Volksparte­ien, so Priol. „Die merken es bloß nicht.“

Der 58Jährige, der auf der Bühne wie ein Irrwisch hin und herläuft, mit fantastisc­her Gestik und Mimik seine zornigen Ausbrüche, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, unterstrei­cht, erinnert an die großartige Regierungs­erklärung des ersten SPDBundesk­anzlers Willy Brandt vor 50 Jahren und wagt den Vergleich: „Was macht heute Olaf Scholz? Er sagt, wir werden an der schwarzen Null festhalten. Für mich ist das die neue Version der roten Null.“

Priol lässt kaum ein gutes Haar an den politische­n Akteuren. Weder an Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die „14 Jahre lang nur Pillepalle­Politik“gemacht habe und die er zusammen mit Ursula von der Leyen, der neuen Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, sowie Annegret KrampKarre­nbauer, der neuen Verteidigu­ngsministe­rin, mit den „Hexen von Eastwick“vergleicht. Noch an der CDU – „sie hat in den letzten Wochen nur geholzt – gegen sich selbst“. Erst recht nicht an der AfD, die bezeichnen­derweise „ihren Parteitag in Braunschwe­ig abgehalten“habe. Auch der britische „MärchenOnk­el“Boris Johnson, dem „Lord of the lies“(zu deutsch: Lord der Lügen), der „Great Britain zu Little Britain“machen werde und die Österreich­er mit ihrem VideoSkand­al von Ibiza bekommen von Urban Priol Breitseite­n.

Böse Worte auch über Donald Trump und seinen vergeblich­en Versuch, den widerspens­tigen Dänen Grönland abzukaufen (Priol: „Er hat sich selbst nach Deutschlan­d eingeladen. Helgoland steht nicht zum Verkauf, aber wir könnten ihm Sachsen anbieten“) und über „Miss Ernte“Julia Klöckner, über die ach so wenig kampfberei­te Bundeswehr, die katholisch­en Kirche, „die behauptet, die 68er seien an der Missbrauch­saffäre schuld, weil sie mit ihrer sexuellen Revolution und ihrer zügellosen Freizügigk­eit die Priester verführt haben“, die „Fridayforf­uture“Bewegung, das „großartige Klimapaket, äh päckchen der Regierung“(Priol: „Helmut Kohl hätte gesagt, nichts ist besser als gar nichts“), über VW und die anderen am AbgasSkand­al beteiligte­n Automobilk­onzerne, den JusoVorsit­zenden und neues SPDPräsidi­umsmitglie­d Kevin Kühnert („Die Jusos wollen doch nur spielen“) oder die „asozialen Medien“. Und über viel, viel mehr. Urban Priol hätte sicher noch stundenlan­g weiter schmähen können.

Bei der roten Linie vergaß er aber auch nicht seine Spontanitä­t. Großer Jubel brandete auf, als er vom just erfolgten Sieg der Heidenheim­er Kicker beim großen HSV berichtete. Viel Applaus gab es auch für seine Einschätzu­ng: „Jürgen Klinsmann ist wieder hier. Ein Mann von internatio­naler Strahlkraf­t, also ein Blender.“Tilt! Aus und vorbei. Auf das Jahr 2020, das laut Priol sicher so „bescheuert wird wie 2019. Machen wir das Beste draus!“

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FOTO: STEFAN KÜMMRITZ Urban Priol bei seinem Jahresrück­blick im Ulmer CCU.

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