Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Verbannung mit Ausnahmen
Die Wada kann sich nicht zum Ausschluss aller russischen Athleten durchringen
LAUSANNE (dpa/SID) Die SportGroßmacht Russland wird für vier Jahre nur noch eine Nebenrolle im Weltsport einnehmen. Das WadaExekutivkomitee schloss Russland für vier Jahre von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften aus. Ausgewählte Athleten des Landes dürfen in dieser Zeit nicht unter eigener Fahne, sondern nur als neutrale Sportler starten. Damit folgte die Wada in ihrem einstimmigen Urteil den Empfehlungen der unabhängigen Prüfkommission CRC, die auch die Suspendierung der russischen AntiDopingAgentur Rusada bis 2023 vorsehen.
Russland hat 21 Tage Zeit, das Urteil zu akzeptieren oder es vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas anzufechten. Laut ersten Reaktionen aus Russland ist ein Einspruch gegen die Strafen sehr wahrscheinlich. Moskaus Regierungschef Dmitri Medwedew kritisierte die Strafen als „antirussische Hysterie“von chronischem Ausmaß. Dass Russland große Probleme mit Doping habe, räumte Medwedew („Ich kann das nicht leugnen“) zwar ein. Eine Bestrafung der Athleten hält er aber für ungerechtfertigt.
Die WadaEntscheidung hat auch Auswirkungen auf den Fußball. Sollte sich die FußballNationalmannschaft Russlands für die WM 2022 in Katar qualifizieren, müsste sie ohne Fahne und Ländernamen antreten. Die EM 2020, die auch in St. Petersburg stattfindet, ist davon nicht betroffen, da es sich um ein kontinentales respektive regionales Turnier handelt, für das die Wada nicht zuständig ist.
„Das Doping in Russland hat zu lange dem sauberen Sport geschadet“, sagte WadaPräsident Craig Reedie. Der Verstoß der russischen Behörden gegen die im September 2018 genehmigten Bedingungen zur Wiedereinsetzung der Rusada verlangten nach einer robusten Reaktion. „Genau die wurde heute geliefert“, betonte er. Die Wada hatte die dauerhafte Aufhebung der RusadaSperre mit der Herausgabe der Dopingdaten aus dem Moskauer Labor verbunden. Es wurden manipulierte Daten geliefert.
Russland sei jede Gelegenheit geboten worden, sein Haus in Ordnung zu bringen, „aber es entschied sich stattdessen dafür, seine Haltung der Täuschung und Verleugnung fortzusetzen“, sagte der Schotte. Die starke Entscheidung des ExCo zeige die Entschlossenheit der WADA. Dabei seien die Rechte der russischen Athleten gewahrt worden, die nachweislich nicht von den „betrügerischen Handlungen“profitierten. Es sei „einhellige
Ansicht“der CRC gewesen, unschuldige Athleten nicht zu bestrafen.
Die Einzelfallprüfung gilt für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tokio und 2022 in Peking, für die Olympischen Jugendspiele und Weltmeisterschaften von Sportarten, die dem WADACode unterliegen, sowie sogenannte „Major SportEvents“. Entsprechend könnte Russland bei der FußballWM 2022 nur mit „einer Mannschaft aus neutralen Spielern und ohne Flagge antreten“, erklärte CRCChef Taylor.
Außerdem darf Russland bis 2023 weder Gastgeber sein, noch sich für eine Ausrichtung großer Wettkämpfe bewerben. Bereits an das Land vergebene Welttitelkämpfe sollen entzogen werden. Betroffen davon sind die RodelWM im Februar in Sotschi, die für 2022 nach Russland vergebene VolleyballWM, die KurzbahnWM der Schwimmer in Kasan und die EishockeyWM 2023 in St. Petersburg. Taylor betonte aber, dass man flexibel bleiben müsse. Dies könnte bedeuten, dass etwa die Zeit für einen Ersatzausrichter der RodelWM zu kurz ist.
Harsche Kritik übte der Chef der amerikanischen AntiDopingAgentur. „Russland einem kompletten Bann entkommen zu lassen, ist ein weiterer verheerender Schlag für die sauberen Athleten, die Glaubwürdigkeit des Sports und die Rechtsstaatlichkeit“, wetterte Travis Tygart. Zugleich forderte er zu „nichts weniger als einer Revolte gegen dieses kaputte System“auf, um Reformen zu erzwingen. Auch Linda Helleland zeigte sich enttäuscht. „Ich wollte Sanktionen, die nicht verwässert werden können“, sagte die scheidende Vizepräsidentin der Wada und kritisierte das Strafmaß: „Ich fürchte, es ist nicht genug.“
Untersuchungen durch WadaExperten hatten ergeben, dass die Moskauer Daten von 2012 bis 2015 „weder vollständig noch vollständig authentisch“sind. Dies konnte im Vergleich mit einer 2017 von einem Whistleblower zugespielten Kopie nachgewiesen werden. Die Manipulation war aber vergebens. „Die WADA hat jetzt die Namen aller verdächtigen Athleten in der Datenbank“, sagte Taylor.