Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Elterngeld soll reformiert werden
Was ändert sich künftig beim Elterngeld? Die wichtigsten Fragen und Antworten
BERLIN (dpa) - Mit dem Elterngeld möchte die Regierung Müttern und Vätern ermöglichen, nach der Geburt eines Kindes nicht oder vorerst nur wenig zu arbeiten. Nun plant das Bundesfamilienministerium eine Reform: Eltern von Frühchen sollen künftig mehr Elterngeld bekommen. Zudem soll während des Elterngeldbezugs mehr Teilzeitarbeit möglich sein und Paare mit mehr als 300 000 Euro Jahreseinkommen sollen in Zukunft keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben.
BERLIN - Eltern von Frühchen sollen länger Elterngeld bekommen. Das sieht eine Reform vor, die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) am Montag vorgestellt hat. Außerdem sollen Mütter und Väter während der Elternzeit flexibler in Teilzeit arbeiten können. Darüber hinaus sollen die Verdienstgrenzen für Paare gesenkt werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum neuen Elterngeld.
Wenn ein Kind mindestens sechs Wochen vor dem errechneten Termin auf die Welt gekommen ist, soll es einen Monat länger Elterngeld geben. Die Eltern sollen mit der geplanten längeren Zahlung mehr Zeit bekommen, „um mögliche Entwicklungsverzögerungen ihres Kindes besser auffangen zu können“. Zudem sollen Paare, die mehr als 300 000 Euro pro Jahr verdienen, künftig keinen Anspruch mehr auf die Sozialleistung haben. Bisher galt eine Grenze von 500 000 Euro. Zur Begründung heißt es im Entwurf: „Bei einem derart hohen Einkommen ist davon auszugehen, dass Elterngeld für die Entscheidung, in welchem Umfang zugunsten der Betreuung des Kindes auf Erwerbstätigkeit verzichtet werden soll, unerheblich ist. Vor diesem Hintergrund ist eine Herabsetzung des Grenzbetrags für Paare mit einem gemeinsamen Elterngeldanspruch angemessen.“
Des Weiteren plant Ministerin Giffey, dass Eltern in Zukunft 32 Stunden statt bisher 30 Stunden in Teilzeit beschäftigt sein dürfen, ohne den Anspruch auf Verlängerungsmonate zu verlieren. So werde beispielsweise eine Vier-Tage-Woche möglich, heißt es im Entwurf.
Was genau soll sich ändern? Wozu dient das Elterngeld?
Die 2007 von Giffeys Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeführte Sozialleistung bekommen Eltern, die nach der Geburt des Kindes nicht oder nur wenig arbeiten wollen. Dafür gibt es je nach vorherigem Einkommen 300 bis 1800 Euro netto im Monat. Betreuen beide, wird das Elterngeld maximal 14 Monate lang gezahlt. Die Zahlungsdauer kann auch weiter gestreckt werden (ElterngeldPlus). Dafür sind die monatlichen Zahlungen dann kleiner. Den Bund kostet das jährlich rund sieben Milliarden Euro.
Ist das Elterngeld bislang ein Erfolg?
Ja, sagt Marcus Tamm vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. Er hat eine Studie veröffentlicht, wonach Väter, die das Angebot nutzen, sich auch anschließend überdurchschnittlich intensiv um die Betreuung der Kinder kümmern. „Noch nach zwei bis vier Jahren beschäftigen sie sich pro Tag im Schnitt 40 Minuten länger mit den Kindern als Väter, die das Angebot nicht wahrnehmen“, sagte Tamm der „Schwäbischen Zeitung“. Auch einen zweiten Effekt bewertet er positiv: Vom einkommensabhängigen Elterngeld profitieren vor allem Mütter und Väter aus der Mittelschicht. „Das ist eine gesellschaftliche Schicht, die sich lange Zeit schwer tat, Kinder in die Welt zu setzen, weil damit massive Einkommensverluste verbunden waren. Mit dem Elterngeld und mit besseren Betreuungsmöglichkeiten in Kitas ist es gelungen, diese Entwicklung aufzuhalten“, betont der Ökonom Tamm.
Andere sehen das Elterngeld kritischer. Warum?
Für die Linke ist es trotz der geplanten Korrekturen unsozial. Zumindest müsse der Mindestbetrag von 300
Euro um 50 Euro angehoben werden, heißt es. Opposition und Verbänden gehen die geplanten Änderungen nicht weit genug. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katja Dörner, bezeichnete das Vorhaben als „mutlos“. Es bleibe weit hinter den wirklichen Zeitbedürfnissen junger Eltern zurück, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssten. Die Grünen favorisierten ein grünes Modell der „KinderZeit Plus“. Das Elterngeld würde dann 24 Monate gezahlt – acht Monate für den Vater, acht Monate für die Mutter und acht Monate zur flexiblen Aufteilung. Alleinerziehende hätten danach ebenso einen Anspruch auf die vollen 24 Monate.
Auch die FDP kritisierte das Vorhaben als „reine Kosmetik“. Nur wenn ein Frühchen mindestens sechs Wochen vor dem Termin zur Welt komme, würden laut den Plänen der Ministerin vier weitere Wochen Elterngeld gezahlt, so der familienpolitische Sprecher der Fraktion, Grigorios Aggelidis. Weiter bemängelte die Fraktion, dass es für Eltern, die vor der Geburt Insolvenz- oder Krankengeld bezogen hätten, keine Verbesserungen gebe. Zudem bräuchten Eltern ein Instrument, „um sich gegen lange Bearbeitungszeiten von teilweise drei bis vier Monaten wehren zu können“.
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, wies darauf hin, dass seit 2007 keine Anpassung des Mindestbetrages beim Elterngeld stattgefunden hat. So beträgt er bei Eltern ohne oder mit geringem Einkommen 300 Euro, beim ElterngeldPlus 150 Euro. Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten plädierte Loheide dafür, im Zuge der Reform die Mindestbeiträge beim Elterngeld künftig dynamisch an die steigenden Verbraucherpreise anzupassen.
Wie geht es weiter?
Im Frühjahr kommt die Reform des Elterngelds ins Kabinett. Bundestag und Bundesrat müssen dem zustimmen.