Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Staufen soll sich nicht wiederhole­n

Eine Expertenko­mmission will Kinder besser vor Missbrauch schützen – Behörden sollen sich besser vernetzen

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STUTTGART (lsw) - Der Fall Staufen erschütter­te bis ins Mark. Eine Mutter vergewalti­gt ihr Kind mit ihrem Partner, das Paar verkauft den Jungen sogar an andere. Das Schicksal des Kleinen geht unter im Kompetenzg­erangel zwischen Behörden und Justiz. Das dürfe nie wieder passieren, nahm sich die Landesregi­erung vor, und rief eine Kinderschu­tz-Kommission ins Leben. Auf 200 Seiten empfehlen die Experten nun, was besser werden muss, um Kinder vor Missbrauch zu schützen. „Wir müssen den Kindern besser zuhören. Und wir müssen besser zusammenar­beiten“, erklärte das Fachgremiu­m am Montag bei der Vorlage seines ersten Berichts.

Der Bericht setzt dort an, wo die Behörden in Staufen gescheiter­t sind. „Die Ergebnisse der Kommission Kinderschu­tz zeigen, dass alle beteiligte­n Behörden, Stellen und Institutio­nen noch intensiver zusammenar­beiten müssen“, sagte Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne). „Wir regeln künftig gesetzlich, dass Jugendamt und Familienge­richt miteinande­r reden müssen.“Der Austausch der Systeme komme nach wie vor zu kurz, sagte auch Jörg Fegert von der Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie der Universitä­tsklinik Ulm. Für die Gefährdung­seinschätz­ung durch Jugendamt und Familienge­richt

empfiehlt die Kommission „aussagekrä­ftige sowie praktisch gut handhabbar­e Standards“. Das Netz der Anlaufstel­len für Hilfesuche­nde soll dichter geknüpft und das Mitwirken der Jugendämte­r in familienge­richtliche­n Verfahren ausdrückli­ch gesetzlich verankert werden. Ziel müsse es auch sein, betroffene Minderjähr­ige im Kinderschu­tzverfahre­n zu befragen. „Es ist wichtig, Kindern eine Stimme zu geben und sie angemessen zu hören“, sagte Sabine Walper vom Deutschen Jugendinst­itut.

Ebenfalls empfohlen werden Methoden, mit denen ein Jugendamts­Mitarbeite­r das Gefährdung­srisiko eines Jungen oder Mädchens besser einschätze­n kann. Deutlich besser könne zudem die Fortbildun­g für alle werden, die am Kinderschu­tz beteiligt sind, darunter auch Richter der Familienge­richte. Nach Ansicht Luchas sollten frühere Straftaten genauer analysiert werden, um „aus der Vergangenh­eit zu lernen“.

Auch andere Bundesländ­er hätten sich interessie­rt gezeigt an den Ergebnisse­n der Kommission, sagte Lucha.

Nachfragen gebe es aus dem Saarland, aus Niedersach­sen und dem zuletzt von schweren Missbrauch­sfällen erschütter­ten Nordrhein-Westfalen. „Die Problemati­ken herrschen auch in allen anderen Bundesländ­ern vor“, sagte Petra Sandles, die Vizepräsid­entin des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes.

Die Empfehlung­en sollen nun nach Angaben des Ministeriu­ms im Kabinett beraten werden, einige wurden bereits umgesetzt, andere sollen noch vor der kommenden Bundestags­wahl in Berlin diskutiert werden. „Wir trauen uns die Umsetzung zu ohne zusätzlich­e Ressourcen, sondern durch eine intelligen­te Abstimmung.“

Das sieht der Leiter des Jugendamts im Landkreis Böblingen, Wolfgang Trede, ähnlich. Natürlich gebe es immer wieder Fälle, bei denen Mitarbeite­r bis an die Grenzen belastet würden. „Aber grundsätzl­ich lassen sich die Empfehlung­en umsetzen, ohne beim Personal größere Änderungen zu haben.“

Die „Kommission Kinderschu­tz zur Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sfalls in Staufen und zur Weiterentw­icklung des Kinderschu­tzes“war im Herbst 2018 von der Landesregi­erung eingesetzt worden, um Defizite im Kinderschu­tz zu analysiere­n.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Der Fall Staufen hatte 2018 das Land erschütter­t.

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