Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mutmaßlich­e Rechtsterr­oristen auch im Süden vernetzt

Zwölf Verdächtig­e sollen Anschläge auf Moscheen geplant haben – Mehrere davon waren in Baden-Württember­g und Bayern

- Von Stefan Kegel und Stefan Fuchs

GBERLIN/FRIEDRICHS­HAFEN - Die Verhaftung von zwölf rechtsextr­emen Terrorverd­ächtigen sowie mehrere Bombendroh­ungen in den vergangene­n Tagen haben die Muslime in Deutschlan­d aufgeschre­ckt. Nach einem Bericht des „Spiegel“plante die Gruppe, mit Pistolen und selbst gebauten Handgranat­en betende Muslime zu töten.

Religionsv­erbände äußerten sich am Montag zutiefst besorgt. Die aufgedeckt­en Anschlagsp­lanungen rückten die „stetigen Warnungen und Mahnungen gegen den rechten Terror in ein völlig neues Licht“, hieß es beim größten deutschen Islamverba­nd Ditib, gegen dessen Moscheen in der vergangene­n Woche mehrere Bombendroh­ungen eingegange­n waren. „Es zeigt den Ernst der Lage.“Bei Ditib war von einem nahenden „point of no return“die Rede, einem Punkt, von dem es kein Zurück mehr gebe. In diesem Jahr habe es bereits zehn Angriffe auf Ditib-Moscheen gegeben.

„Muslime fühlen sich in Deutschlan­d nicht mehr sicher“, sagte der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Muslime, Aiman Mazyek, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Viele seien angesichts der Bedrohunge­n „extrem verängstig­t“. Im vergangene­n Jahr habe es rund 20 Bombendrok­ommt hungen gegen Moscheen gegeben. „Aber nur ein Bruchteil davon wird angezeigt. Viele Gemeinden haben Angst, es öffentlich zu machen und damit Trittbrett­fahrer zu ermutigen.“

Mazyek forderte mehr Schutzmaßn­ahmen für Moscheen, vor allem für jene, die bereits bedroht worden seien. Die Bundesregi­erung habe es in der Hand, bei den Ländern Druck zu machen. „Diese Signalwirk­ung ist wichtig. Sie würde zeigen, dass sich der Staat schützend vor die deutschen Muslime stellt“, sagte Mazyek. Die Bundesregi­erung verwies erneut auf die Zuständigk­eit der Länder. Generell sei man jedoch mit der Ermittlung­sarbeit zufrieden. „Der Vorgang zeigt, dass die Sicherheit­sbehörden wachsam sind“, betonte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag.

Die rechtsextr­eme Gruppe, die Verbindung­en zum finnischen Bürgerwehr-Netzwerk „Soldiers of Odin“unterhielt, war bereits seit einem knappen halben Jahr im Fokus der baden-württember­gischen Polizei. In Bayern werden Ableger seit mehreren Jahren vom Verfassung­sschutz beobachtet.

Im Südwesten und in Bayern scheinen die jetzt verhaftete­n Mitglieder der „Soldiers of Odin“gut vernetzt zu sein: Werner S., der mutmaßlich­e Anführer der Gruppe,

aus einer kleinen Gemeinde bei Augsburg. Der 53-Jährige tritt in sozialen Medien unter Pseudonyme­n auf. Vor wenigen Wochen legte er ein neues Facebook-Profil an, das am Montagnach­mittag deaktivier­t wurde. Screenshot­s davon liegen der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Ein früheres Profil wurde – wie er selbst auf seiner Pinnwand kommentier­t – gesperrt. Auf den Beitrag eines Kameraden zur Löschung antwortet er: „Ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum.“S. zeigt auf Facebook mehrfach Bezüge zu patriotisc­hen Gruppierun­gen, zur AfD und zu „Wodans Erben Germania“. Dabei handelt es sich um eine rechtsextr­eme Gruppierun­g, die unter anderem rund um München, in Ulm, im Raum Konstanz und in Villingen-Schwenning­en als Bürgerwehr auftritt.

Sie entstand im Jahr 2018, als sich bayerische und baden-württember­gische Rechtsextr­emisten von der internatio­nalen Gruppierun­g „Soldiers of Odin“abspaltete­n. Der bayerische Verfassung­sschutz attestiert­e „Wodans Erben“in den Informatio­nen für das erste Halbjahr 2018 eine

„grundsätzl­iche Affinität zu Gewalt“. Auch in Baden-Württember­g hat der Verfassung­sschutz die Aktivitäte­n der Bürgerwehr­en im Blick. In einer Antwort auf eine Anfrage der FDPFraktio­n im Landtag vom November 2019 heißt es, man werde „künftige Entwicklun­g solcher Gruppierun­gen aufmerksam verfolgen“, um im Ernstfall einschreit­en zu können.

Einen Beitrag zur Mitglieder­werbung auf der Seite der „Erben Wodans“beantworte­te S. vor fünf Wochen mit den Worten „ich bewerbe mich jetzt mal, schau mal was passiert.“Die Antwort eines Mitglieds: „Es wäre eine Ehre, dich bei uns willkommen zu heißen.“

Ein Foto, das in sozialen Medien kursiert, zeigt Werner S. zusammen mit Tony E., einem inzwischen ebenfalls verhaftete­n Mitglied der „Gruppe S.“Gemeinsam mit anderen Männern und Frauen präsentier­en sie ein Transparen­t mit der Aufschrift „Freikorps Heimatschu­tz – Division 2018. Das Original“. In der Freundesli­ste von S. findet sich zudem Thomas N. aus Minden. Auch er sitzt als Verdächtig­er in Untersuchu­ngshaft.

Die Gruppe um S., E. und N. feierte ihre Gründung nach Informatio­nen des SWR auf einem Grillplatz in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Das Treffen wurde offenbar von einem mobilen Einsatzkom­mando der Polizei beobachtet.

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FOTO: ULI DECK/DPA

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