Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mutmaßliche Rechtsterroristen auch im Süden vernetzt
Zwölf Verdächtige sollen Anschläge auf Moscheen geplant haben – Mehrere davon waren in Baden-Württemberg und Bayern
GBERLIN/FRIEDRICHSHAFEN - Die Verhaftung von zwölf rechtsextremen Terrorverdächtigen sowie mehrere Bombendrohungen in den vergangenen Tagen haben die Muslime in Deutschland aufgeschreckt. Nach einem Bericht des „Spiegel“plante die Gruppe, mit Pistolen und selbst gebauten Handgranaten betende Muslime zu töten.
Religionsverbände äußerten sich am Montag zutiefst besorgt. Die aufgedeckten Anschlagsplanungen rückten die „stetigen Warnungen und Mahnungen gegen den rechten Terror in ein völlig neues Licht“, hieß es beim größten deutschen Islamverband Ditib, gegen dessen Moscheen in der vergangenen Woche mehrere Bombendrohungen eingegangen waren. „Es zeigt den Ernst der Lage.“Bei Ditib war von einem nahenden „point of no return“die Rede, einem Punkt, von dem es kein Zurück mehr gebe. In diesem Jahr habe es bereits zehn Angriffe auf Ditib-Moscheen gegeben.
„Muslime fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der „Schwäbischen Zeitung“. Viele seien angesichts der Bedrohungen „extrem verängstigt“. Im vergangenen Jahr habe es rund 20 Bombendrokommt hungen gegen Moscheen gegeben. „Aber nur ein Bruchteil davon wird angezeigt. Viele Gemeinden haben Angst, es öffentlich zu machen und damit Trittbrettfahrer zu ermutigen.“
Mazyek forderte mehr Schutzmaßnahmen für Moscheen, vor allem für jene, die bereits bedroht worden seien. Die Bundesregierung habe es in der Hand, bei den Ländern Druck zu machen. „Diese Signalwirkung ist wichtig. Sie würde zeigen, dass sich der Staat schützend vor die deutschen Muslime stellt“, sagte Mazyek. Die Bundesregierung verwies erneut auf die Zuständigkeit der Länder. Generell sei man jedoch mit der Ermittlungsarbeit zufrieden. „Der Vorgang zeigt, dass die Sicherheitsbehörden wachsam sind“, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.
Die rechtsextreme Gruppe, die Verbindungen zum finnischen Bürgerwehr-Netzwerk „Soldiers of Odin“unterhielt, war bereits seit einem knappen halben Jahr im Fokus der baden-württembergischen Polizei. In Bayern werden Ableger seit mehreren Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet.
Im Südwesten und in Bayern scheinen die jetzt verhafteten Mitglieder der „Soldiers of Odin“gut vernetzt zu sein: Werner S., der mutmaßliche Anführer der Gruppe,
aus einer kleinen Gemeinde bei Augsburg. Der 53-Jährige tritt in sozialen Medien unter Pseudonymen auf. Vor wenigen Wochen legte er ein neues Facebook-Profil an, das am Montagnachmittag deaktiviert wurde. Screenshots davon liegen der „Schwäbischen Zeitung“vor.
Ein früheres Profil wurde – wie er selbst auf seiner Pinnwand kommentiert – gesperrt. Auf den Beitrag eines Kameraden zur Löschung antwortet er: „Ein Witz, aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum.“S. zeigt auf Facebook mehrfach Bezüge zu patriotischen Gruppierungen, zur AfD und zu „Wodans Erben Germania“. Dabei handelt es sich um eine rechtsextreme Gruppierung, die unter anderem rund um München, in Ulm, im Raum Konstanz und in Villingen-Schwenningen als Bürgerwehr auftritt.
Sie entstand im Jahr 2018, als sich bayerische und baden-württembergische Rechtsextremisten von der internationalen Gruppierung „Soldiers of Odin“abspalteten. Der bayerische Verfassungsschutz attestierte „Wodans Erben“in den Informationen für das erste Halbjahr 2018 eine
„grundsätzliche Affinität zu Gewalt“. Auch in Baden-Württemberg hat der Verfassungsschutz die Aktivitäten der Bürgerwehren im Blick. In einer Antwort auf eine Anfrage der FDPFraktion im Landtag vom November 2019 heißt es, man werde „künftige Entwicklung solcher Gruppierungen aufmerksam verfolgen“, um im Ernstfall einschreiten zu können.
Einen Beitrag zur Mitgliederwerbung auf der Seite der „Erben Wodans“beantwortete S. vor fünf Wochen mit den Worten „ich bewerbe mich jetzt mal, schau mal was passiert.“Die Antwort eines Mitglieds: „Es wäre eine Ehre, dich bei uns willkommen zu heißen.“
Ein Foto, das in sozialen Medien kursiert, zeigt Werner S. zusammen mit Tony E., einem inzwischen ebenfalls verhafteten Mitglied der „Gruppe S.“Gemeinsam mit anderen Männern und Frauen präsentieren sie ein Transparent mit der Aufschrift „Freikorps Heimatschutz – Division 2018. Das Original“. In der Freundesliste von S. findet sich zudem Thomas N. aus Minden. Auch er sitzt als Verdächtiger in Untersuchungshaft.
Die Gruppe um S., E. und N. feierte ihre Gründung nach Informationen des SWR auf einem Grillplatz in der Nähe von Schwäbisch Gmünd. Das Treffen wurde offenbar von einem mobilen Einsatzkommando der Polizei beobachtet.