Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Mannschaft ist der Star
Wie sich Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker auf die Osterfestspiele Baden-Baden vorbereiten
BERLIN - Die Berliner Philharmoniker haben schon längst die Bühne verlassen, da kommt Kirill Petrenko nochmals zurück, weil das Publikum in der Berliner Philharmonie nicht aufhört zu klatschen. Der Dirigent verbeugt sich und zeigt hinter sich auf die leeren Stühle. Nicht er, sondern das Orchester verdiene den Beifall, möchte er sagen, auch wenn die Musiker schon längst beim Bier sind. Dann huscht der freundliche, kleine Mann wieder mit schnellen Schritten hinaus.
Das Berliner Publikum hat den neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker seit dem Saisonstart Ende August mit Beethovens Neunter noch nicht oft erlebt. Denn Kirill Petrenko ist noch als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München gebunden. Ein Silvesterkonzert mit der Sopranistin Diana Damrau und die 6. Symphonie von Gustav Mahler waren bisher die einzigen Konzertprogramme, die Petrenko in
Berlin dirigierte.
Beim jüngsten Berliner Konzert mit Strawinskys Symphonie in drei Sätzen und Bernd Alois Zimmermanns Ballettsuite „Alagoana“zeigt sich der neue Chefdirigent als nüchterner Klangorganisator. Kirill
Petrenko ist kein Zampano, sondern ein Handwerker. Er inszeniert sich nicht.
Dabei kann Petrenko im Dirigat aber auch freier werden und den
Dingen ihren
Lauf lassen wie bei den perfekt ausbalancierten „Symphonischen Tänzen“von Rachmaninow zu erleben ist. Alles perfekt aufeinander abgestimmt. Die Mannschaft ist der Star.
Wie genau Petrenko arbeitet, war bei der Generalprobe zu beobachten. Kein einfacher Durchlauf ist das, sondern ein Suchen und Finden von modellierten Übergängen, klaren Rhythmen und feinen dynamischen Unterschieden. Freundlich, aber bestimmt, mit leiser Stimme spricht der neue Chef – und die Berliner Philharmoniker spitzen die Ohren. „Kirill Petrenko kommt so gut vorbereitet in die Probe, wie ich es von niemanden anders kenne“, sagt Cellist und Orchestervorstand Knut Weber im anschließenden Gespräch. „Er weiß immer genau, was er korrigieren möchte und ist dabei sehr schnell. Die Spannung im Orchester ist derzeit auf einem Level, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe“, schwärmt Weber.
Von einem langen Honeymoon ist beim Pressegespräch die Rede und von einem Zauber, der noch lange währen wird. „Wir lernen uns ja erst kennen“, ergänzt die aus Sankt Georgen im Schwarzwald stammende Intendantin Andrea Zietzschmann. „In der ersten Saison ist er nicht überpräsent. Das tut auch dieser wachsenden Beziehung gut.“Eine kürzere Tournee im Herbst mit dem neuen Chefdirigenten wurde schon absolviert, zwei weitere werden diese Saison noch kommen.
Vor allem aber stehen die Osterfestspiele Baden-Baden vor der Tür, die Kirill Petrenko, der ganz der Oper verbunden ist und vor München bereits in Meiningen und der Komischen Oper Berlin Generalmusikdirektor war, am 4. April mit Beethovens „Fidelio“eröffnet. Die slowenische Schauspielregisseurin Mateja Koležnik wird in Baden-Baden erstmals eine Oper inszenieren. Die Leonore wird Marlis Petersen singen. Die aus Tuttlingen stammende Sopranistin ist artist-in-residence und gilt als exzellente Sängerdarstellerin.
Orchestervorstand Weber freut sich sehr auf die Osterfestspiele und verspricht ein „Feuerwerk an Inhalt“. Dass alle sechzehn Streichquartette Beethovens sowie die Große Fuge von 17 verschiedenen Ensembles der
Berliner Philharmoniker im Kurhaus Baden-Baden gespielt werden, sei ambitioniert. „Gerade in den Kammerkonzerten schätzen wir auch die vielen persönlichen Begegnungen, die wir mit dem Publikum haben. Dieser direkte Kontakt ist etwas ganz Besonderes in Baden-Baden“, sagt er. Neben den Gastdirigenten Herbert Blomstedt, Tugan Sokhiev und Yannick Nézet-Séguin ist Kirill Petrenko in den Orchesterkonzerten auch mit Beethovens Missa solemnis, exklusiv in Baden-Baden, und Mahlers 6. Symphonie zu hören. Mit der hatte sich Simon Rattle von den Berliner Philharmonikern verabschiedet.
Die Osterfestspiele möchte Intendantin Zietzschmann noch stärker international vermarkten. Den immer wieder auftauchenden Abwanderungsgerüchten, dass die Berliner Philharmoniker wieder nach Salzburg zurückkehren würden, begegnet sie mit einem selbstbewussten Lächeln. „Wir fühlen uns in BadenBaden zu Hause“. Und kündigt an, dass Kirill Petrenko ab 2022 als Operndirigent nur noch in BadenBaden zu erleben sei.
Osterfestspiele Baden-Baden,
4. - 13. April 2020. Karten unter www.festspielhaus.de oder Telefon unter 072 21/30 13-101.