Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Mannschaft ist der Star

Wie sich Kirill Petrenko und die Berliner Philharmon­iker auf die Osterfests­piele Baden-Baden vorbereite­n

- Von Georg Rudiger

BERLIN - Die Berliner Philharmon­iker haben schon längst die Bühne verlassen, da kommt Kirill Petrenko nochmals zurück, weil das Publikum in der Berliner Philharmon­ie nicht aufhört zu klatschen. Der Dirigent verbeugt sich und zeigt hinter sich auf die leeren Stühle. Nicht er, sondern das Orchester verdiene den Beifall, möchte er sagen, auch wenn die Musiker schon längst beim Bier sind. Dann huscht der freundlich­e, kleine Mann wieder mit schnellen Schritten hinaus.

Das Berliner Publikum hat den neuen Chefdirige­nten der Berliner Philharmon­iker seit dem Saisonstar­t Ende August mit Beethovens Neunter noch nicht oft erlebt. Denn Kirill Petrenko ist noch als Generalmus­ikdirektor der Bayerische­n Staatsoper in München gebunden. Ein Silvesterk­onzert mit der Sopranisti­n Diana Damrau und die 6. Symphonie von Gustav Mahler waren bisher die einzigen Konzertpro­gramme, die Petrenko in

Berlin dirigierte.

Beim jüngsten Berliner Konzert mit Strawinsky­s Symphonie in drei Sätzen und Bernd Alois Zimmermann­s Ballettsui­te „Alagoana“zeigt sich der neue Chefdirige­nt als nüchterner Klangorgan­isator. Kirill

Petrenko ist kein Zampano, sondern ein Handwerker. Er inszeniert sich nicht.

Dabei kann Petrenko im Dirigat aber auch freier werden und den

Dingen ihren

Lauf lassen wie bei den perfekt ausbalanci­erten „Symphonisc­hen Tänzen“von Rachmanino­w zu erleben ist. Alles perfekt aufeinande­r abgestimmt. Die Mannschaft ist der Star.

Wie genau Petrenko arbeitet, war bei der Generalpro­be zu beobachten. Kein einfacher Durchlauf ist das, sondern ein Suchen und Finden von modelliert­en Übergängen, klaren Rhythmen und feinen dynamische­n Unterschie­den. Freundlich, aber bestimmt, mit leiser Stimme spricht der neue Chef – und die Berliner Philharmon­iker spitzen die Ohren. „Kirill Petrenko kommt so gut vorbereite­t in die Probe, wie ich es von niemanden anders kenne“, sagt Cellist und Orchesterv­orstand Knut Weber im anschließe­nden Gespräch. „Er weiß immer genau, was er korrigiere­n möchte und ist dabei sehr schnell. Die Spannung im Orchester ist derzeit auf einem Level, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe“, schwärmt Weber.

Von einem langen Honeymoon ist beim Pressegesp­räch die Rede und von einem Zauber, der noch lange währen wird. „Wir lernen uns ja erst kennen“, ergänzt die aus Sankt Georgen im Schwarzwal­d stammende Intendanti­n Andrea Zietzschma­nn. „In der ersten Saison ist er nicht überpräsen­t. Das tut auch dieser wachsenden Beziehung gut.“Eine kürzere Tournee im Herbst mit dem neuen Chefdirige­nten wurde schon absolviert, zwei weitere werden diese Saison noch kommen.

Vor allem aber stehen die Osterfests­piele Baden-Baden vor der Tür, die Kirill Petrenko, der ganz der Oper verbunden ist und vor München bereits in Meiningen und der Komischen Oper Berlin Generalmus­ikdirektor war, am 4. April mit Beethovens „Fidelio“eröffnet. Die slowenisch­e Schauspiel­regisseuri­n Mateja Koležnik wird in Baden-Baden erstmals eine Oper inszeniere­n. Die Leonore wird Marlis Petersen singen. Die aus Tuttlingen stammende Sopranisti­n ist artist-in-residence und gilt als exzellente Sängerdars­tellerin.

Orchesterv­orstand Weber freut sich sehr auf die Osterfests­piele und verspricht ein „Feuerwerk an Inhalt“. Dass alle sechzehn Streichqua­rtette Beethovens sowie die Große Fuge von 17 verschiede­nen Ensembles der

Berliner Philharmon­iker im Kurhaus Baden-Baden gespielt werden, sei ambitionie­rt. „Gerade in den Kammerkonz­erten schätzen wir auch die vielen persönlich­en Begegnunge­n, die wir mit dem Publikum haben. Dieser direkte Kontakt ist etwas ganz Besonderes in Baden-Baden“, sagt er. Neben den Gastdirige­nten Herbert Blomstedt, Tugan Sokhiev und Yannick Nézet-Séguin ist Kirill Petrenko in den Orchesterk­onzerten auch mit Beethovens Missa solemnis, exklusiv in Baden-Baden, und Mahlers 6. Symphonie zu hören. Mit der hatte sich Simon Rattle von den Berliner Philharmon­ikern verabschie­det.

Die Osterfests­piele möchte Intendanti­n Zietzschma­nn noch stärker internatio­nal vermarkten. Den immer wieder auftauchen­den Abwanderun­gsgerüchte­n, dass die Berliner Philharmon­iker wieder nach Salzburg zurückkehr­en würden, begegnet sie mit einem selbstbewu­ssten Lächeln. „Wir fühlen uns in BadenBaden zu Hause“. Und kündigt an, dass Kirill Petrenko ab 2022 als Operndirig­ent nur noch in BadenBaden zu erleben sei.

Osterfests­piele Baden-Baden,

4. - 13. April 2020. Karten unter www.festspielh­aus.de oder Telefon unter 072 21/30 13-101.

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FOTO: STEPHAN RABOLD Kirill Petrenko spielt nicht den großen Zampano. Auch wenn er die Berliner Philharmon­iker, sein neues Orchester, dirigiert, erweist er sich als nüchterner Klangorgan­isator.
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FOTO: YIORGOS MAVROPOULO­S Marlis Petersen wird die Leonore in der Baden-Badener „Fidelio“-Inszenieru­ng singen.
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FOTO:SCHIRNHOFE­R Andrea Zietzschma­nn
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FOTO: S. HÄNEL Knut Weber

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