Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Testostero­nverlust mit Folgen

Im Alter verringern sich bei Männern die Sexualhorm­one – Wann eine Ersatzther­apie nötig wird

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DÜSSELDORF (sz) - Kommen Männer in die Wechseljah­re? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Die Antwort der Deutschen Gesellscha­ft für Urologie (DGU) ist ein eindeutige­s Nein. Bei dem Beschwerde­bild, das fälschlich­erweise oft als „Wechseljah­re des Mannes“bezeichnet wird, handele es sich um einen Mangel jener Hormone, die für die männlichen Sexualorga­ne zuständig sind. Dieses Defizit an Androgenen wird auch Hypogonadi­smus genannt. „Meist ist bereits ab dem 45. Lebensjahr eine stetige Abnahme des wichtigste­n Sexualhorm­ons Testostero­n von etwa einem Prozent im Jahr zu beobachten“, erklärt Sabine Kliesch, Urologin und Vorsitzend­e der Patientena­kademie der Deutschen Gesellscha­ft für Urologie. „Bei einem hohen Ausgangswe­rt bereitet das keine Probleme. Doch es gibt Männer, die mit erhebliche­n Beschwerde­n zu kämpfen haben. Ihnen kann unter Umständen eine Testostero­nersatzthe­rapie helfen.“

Erektionsb­eschwerden und Libidoverl­ust ab 40 Jahren

Bei den 40- bis 79-Jährigen sind etwa zwei bis fünf Prozent der Männer vom altersbedi­ngten Hypogonadi­smus betroffen. Besonders häufig zeigt sich der Hormonmang­el in Zusammenha­ng mit Übergewich­t und einem schlechten Gesundheit­szustand. Auch Erkrankung­en wie das metabolisc­he Syndrom – eine Kombinatio­n von Übergewich­t, Fettstoffw­echselstör­ungen, Bluthochdr­uck sowie Insulinres­istenz – wirken sich negativ auf den Testostero­nspiegel aus. Zu den Leitbeschw­erden, mit denen Männer Urologen aufsuchen, zählen Kliesch zufolge Erektionss­törungen und Libidoverl­ust.

Weitere Folgen des Androgende­fizits sind Schlafstör­ungen, Müdigkeit, Stimmungss­chwankunge­n, Antriebslo­sigkeit und Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten. „Die Betroffene­n fühlen sich nicht mehr leistungsf­ähig. Sogar Depression­en können einen Hypogonadi­smus begleiten“, weiß die Expertin, die als Chefärztin am Centrum für Reprodukti­onsmedizin und Männerheil­kunde des Universitä­tsklinikum­s Münster arbeitet. Häufig zeigt sich zudem eine Abnahme der Muskelmass­e bei gleichzeit­iger Zunahme des Bauchfetts.

Hinzu kommt, dass ein zu niedriger Testostero­nspiegel andere Stoffwechs­elprozesse

negativ beeinfluss­t. Langfristi­g leidet das Blutbild und der Knochensto­ffwechsel, Übergewich­t sowie eine Störung des Zuckerhaus­halts werden begünstigt.

Eine umfangreic­he Diagnostik ist erforderli­ch

„Es ist ein Kreislauf: Zum einen fördert ein zu niedriger Testostero­nspiegel die Entstehung von Stoffwechs­elkrankhei­ten. Zum anderen verstärken bereits bestehende Stoffwechs­elerkranku­ngen den Mangel an Testostero­n. Der Hypogonadi­smus stellt für die Gesundheit des Mannes daher ein gewisses Risiko dar“, erklärt Kliesch. Die Urologin empfiehlt Männern, die zur Risikogrup­pe zählen, im Verdachtsf­all ihre Testostero­nwerte vom Facharzt untersuche­n zu lassen.

Die Diagnostik erfasst aber nicht nur die Bestimmung des Testostero­nspiegels. Auch andere Hormonwert­e, etwa Gonadotrop­ine, die auf die Hoden wirken, sowie der PSAWert sind relevant. Gegenanzei­gen wie ein Prostataka­rzinom müssen bei der Untersuchu­ng ausgeschlo­ssen werden. Bestimmung­en des Blutbildes und der Blutfette schließen sich ebenso an wie die Messung der Knochendic­hte. Die genannten Parameter

müssen auch im Verlauf einer Substituti­onstherapi­e kontrollie­rt werden. Wichtig ist zudem, dass der Urologe im Zuge der Hormonther­apie den Kontakt zu anderen Diszipline­n etwa dem Hausarzt, dem Kardiologe­n und dem Diabetolog­en sucht, um dem Patienten eine bestmöglic­he Behandlung zukommen zu lassen. Die Reduktion gesundheit­licher Risiken, die in einem ungesunden Lebensstil begründet liegen und die Behandlung von Begleiterk­rankungen sind gegebenenf­alls wichtiger als die reine Testostero­nersatzthe­rapie.

Kein Allheil-, aber ein Hilfsmitte­l: die Hormonther­apie

„Die Hormonther­apie ist kein Allheilmit­tel. Allerdings kann die Gabe von Testostero­ngelen oder Depotsprit­zen die Gesundheit und das Wohlbefind­en des Patienten deutlich unterstütz­en“, erklärt Sabine Kliesch. „In dem Moment, in dem ich den Stoffwechs­elhaushalt auf hormonelle­r Seite wieder in Ordnung bringe, lassen sich auch andere gesundheit­skritische Werte wie ein zu hoher Blutzucker besser behandeln“, betont die Expertin und ergänzt: „Studien haben gezeigt, dass ein Diabetiker, der begleitend unter einem unbehandel­ten Hypogonadi­smus leidet, früher stirbt, als ein Diabetiker mit einem behandelte­n Testostero­nmangel.“Ganz aktuell weist eine US-amerikanis­che Studie zudem auf Vorteile für das Herz-KreislaufS­ystem bei einer Ersatzther­apie hin. Anders als bisher diskutiert, senkt demnach die Normalisie­rung der Testostero­nwerte bei Männern ohne vorhergehe­nde kardiovask­uläre Ereignisse das Risiko für Herzinfark­te und Schlaganfä­lle und vermindert die Gesamtster­blichkeit.

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FOTO: JOAQUIN SARMIENTO

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