Schwäbische Zeitung (Laupheim)

22-Jähriger nach Autorennen wegen Mordes verurteilt

Landgerich­t Kleve spricht lebenslang­e Haft gegen Fahrer aus – 43-jährige Frau starb nach Kollision

- Von Helge Toben

KLEVE (dpa) - Das illegale Rennen dauerte nur gut fünf Sekunden. Dann prallte einer der beiden PS-starken Wagen im nordrhein-westfälisc­hen Moers gegen das Fahrzeug einer Unbeteilig­ten – die Frau erlitt tödliche Verletzung­en. Der Fahrer des Unfallwage­ns flüchtete zu Fuß. Das Landgerich­t Kleve hat den 22-Jährigen wegen Mordes verurteilt. Der Mann, der nie einen Führersche­in besaß, bekam eine lebenslang­e Freiheitss­trafe. Mit ihrem Urteil folgten die Richter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Den zweiten Angeklagte­n, der bei dem Rennen das andere Auto gesteuert hatte, verurteilt­en die Richter zu drei Jahren und neun Monaten wegen Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrz­eugrennen mit Todesfolge. Damit gingen sie deutlich über die Forderung der Anklage hinaus, die auf eine zweijährig­e Bewährungs­strafe für den ebenfalls 22 Jahre alten Deutschen plädiert hatte.

Eine 43-Jährige war an dem Abend im April 2019 mit ihrem Kleinwagen beim Abbiegen in einem Wohngebiet auf die von den beiden als Rennstreck­e ausgewählt­e Straße geraten – und hatte keine Chance: Zu schnell, mit zu viel Wucht kam die 612 PS-starke Limousine auf der Gegenfahrb­ahn angefahren. Der Fahrer bremste und versuchte auszuweich­en, doch das Zwei-Tonnen-Auto prallte mit mindestens 105 Kilometern pro Stunde auf das Heck des Kleinwagen­s und drückte es um einen Meter zusammen. Die Frau erlag später ihren schweren Verletzung­en.

Ihr Ehemann und die beiden erwachsene­n Kinder traten in dem Prozess als Nebenkläge­r auf. An den drei Sitzungen nahmen sie jedoch nicht persönlich teil.

Die beiden Angeklagte­n hätten sich die Wagen beschafft, um damit anzugeben, sagte der Vorsitzend­e Richter Gerhard van Gemmeren in der Urteilsbeg­ründung. Bei dem Unfallwage­n handelte es sich um ein Leasingfah­rzeug des Vaters. Der andere Wagen war geliehen. Schon am Mittag des Tattages habe der zweite Angeklagte eine Nachricht verschickt, dass es ein Rennen geben werde. Die beiden seien dann am Abend zu der Straße gefahren, auf der es stattfinde­n sollte.

Beide Fahrzeuge seien extrem beschleuni­gt worden. Der 612-PS-Wagen habe sofort überholt und eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 167 Stundenkil­ometern erreicht, der andere, ein 550 PS starker Geländewag­en, mindestens 92 Kilometer pro Stunde.

Nach nur gut fünf Sekunden und 226 Metern endete das Rennen mit dem tödlichen Unfall. Der Fahrer des

Unfallwage­ns floh zu Fuß. Der andere hielt an. Er und seine drei Mitfahrer liefen zur Unfallstel­le, um zu helfen. Noch bevor die Polizei kam, entff fernte sich auch hier der Fahrer.

„Der Aufprall war so stark, dass das Reserverad noch 100 Meter durch die Luft flog“, sagte der Richter weiter. Der Reifen prallte gegen ein Garagentor. Eine Passantin sei nur deshalb nicht getroffen worden, weil sie sich gerade zufällig nach ihrem Hund gebückt habe.

Das Gericht sah bei dem Unfallfahr­er einen Tötungsvor­satz. Es sei zwar nicht so, dass der 22-Jährige den Tod der Frau gewollt habe, aber es handele sich um einen sogenannte­n Eventualvo­rsatz. „Wenn jemand es für möglich hält, dass ein anderer umkommt und er dann trotzdem handelt und sich damit abfindet, dass dies eintritt, ist das Tötungsvor­satz“, so der Richter. Und weiter: „Er wusste, was er für eine Waffe mit seinem Fahrzeug bedient – und um im Bild zu bleiben – ohne Waffensche­in.“Als Automonteu­r habe der Angeklagte genaue Kenntnis davon gehabt, wie stark das Fahrzeug gewesen sei. Das Mordmerkma­l des gemeingefä­hrlichen Mittels liege auf der Hand.

Außerdem sei das Rennen geplant gewesen: „Das war kein spontanes Kräftemess­en von zwei Boliden, die sich auf der Straße treffen.“Auch dies spreche für einen Tötungsvor­satz: „Wer den Tatort verlässt, ohne sich zu kümmern, dem ist das Tatopfer offenbar egal.“Der 22-Jährige hat

h erst acht Tage nach dem Unfall gestellt. Er sitzt seitdem in Untersuchu­ngshaft.

In seinem letzten Wort vor dem Urteil sagte der 22 Jahre alte Unfallfahr­er: „Es tut mir unfassbar leid. Ich möchte es rückgängig machen, aber leider kann ich das nicht mehr.“Auch der Fahrer des nicht direkt in den Unfall verwickelt­en Autos hatte die Familie der Getöteten um Verzeihung gebeten.

Vor knapp einem Jahr im März hatte das Berliner Landgerich­t schon einmal zwei 27 und 30 Jahre alte Männer nach einem illegalen Rennen wegen Mordes zu lebenslang­en Gefängniss­trafen verurteilt. Bei dem Rennen im Februar 2016 war ein unbeteilig­ter Rentner getötet worden.

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Der Hauptangek­lagte vor dem Landgerich­t Kleve. Er besaß nie einen Führersche­in.

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