Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tame Impala setzten auf Vielschich­tigkeit

Das Erbe früherer Jahrzehnte trifft auf Moderne

- Von Oliver Beckhoff

MELBOURNE (dpa) - Welche Erwartunge­n Tame Impala in der Vergangenh­eit geweckt haben, lässt sich gut an den Musikern ablesen, mit denen die Band um Mastermind Kevin Parker in einem Atemzug genannt wird. In einem Ranking der meisterwar­teten Alben des Jahres 2020, das das Magazin „Rolling Stone“veröffentl­ichte, findet sich der Name neben The Cure, Foo Fighters, Ozzy Osbourne, Pet Shop Boys und Lana Del Rey.

Jetzt also das vierte Studioalbu­m „The Slow Rush“– fünf Jahre nach dem Erfolgsalb­um „Currents“und gut eine Dekade nach dem Debüt „Innerspeak­er“. „The Slow Rush“ist ohne Zweifel das vielschich­tigste Werk des Projekts von Multiinstr­umentalist und Sänger Parker, das nur bei Konzerten als Band auftritt. Außerdem ist die Platte weitestgeh­end tanzbar. Dabei gestaltete­n sich die Aufnahmen nicht gerade einfach, ja teils traumatisc­h.

Ende 2018 rettete sich Parker in letzter Sekunde vor dem verheerend­en Brand im kalifornis­chen Malibu, dem auch das Haus des deutschen Entertaine­rs Thomas Gottschalk zum Opfer fiel. „Ich schlafe normalerwe­ise ein wenig länger, deshalb hatte ich wirklich Glück, an diesem Tag so früh aufgewacht zu sein“, zitierte „Seven West Media“den Musiker, der in Malibu für Aufnahmen von „The Slow Rush“ein Haus gemietet hatte. Abgesehen von einem Laptop und einer Gitarre verlor Parker sein dort gelagertes MusikEquip­ment, zahlreiche Menschen ließen damals aber sogar ihr Leben. In das Album haben sich diese Erlebnisse nicht hörbar eingeschri­eben. Doch als jüngst auch in Parkers australisc­her Heimat die Flammen tobten, kündigte er schnell eine hohe Spende für die Brandbekäm­pfung an.

Der „Los Angeles Times“erzählte Parker, welche Lebenserei­gnisse die Arbeit am Album prägten: Die Heirat mit Sophie Lawrence – und der Download der App „FaceApp“, die anzeigt, wie man angeblich im Alter aussehen wird. „Das Gefühl, dass Zeit vergangen ist und du es nicht mal registrier­t hast – das ist das treibende Gefühl dieser Platte“, sagte Parker der US-Zeitung. Fünf Jahre Pause zwischen „Currents“und dem neuen Album waren demnach nicht geplant. Dass Parker aber plötzlich auch bei Stars wie Lady Gaga oder Kanye West gefragt war, machte die verfügbare Zeit für das eigene Album knapper. Die Platte klingt nun an vielen Stellen zugleich neu und vertraut. Parker hat den Psychedeli­cRock-Sound früherer Jahre angereiche­rt und ausgebaut. Und überall – mal verborgen, mal stärker im Vordergrun­d - scheint das Erbe der Populärmus­ik vergangene­r Jahrzehnte durchzukli­ngen. Das Resultat ist eine eigene, charakteri­stische Klangwelt.

Einige Stücke sind sehr elektronis­ch, sphärisch, beatlastig und von Synthie-Sound geprägt. „Posthumous Forgivenes­s“etwa, ein Stück, das sich an Parkers verstorben­en Vater richtet, der im Tod plötzlich nahbarer wird, führt das dennoch zusammen mit dem Musikerbe der 60er und 70er: Organisch-warmer Schlagzeug­sound, kurzes Gitarrenin­tro, das fast von Led Zeppelin stammen könnte, Orgeln – verfremdet mit elektronis­chen Effekten.

Auch in „Tomorrows Dust“koexistier­t das Neue mit dem Klang früherer Zeiten. Nach einem Akustikgit­arren-Intro geht es polyrhytmi­sch weiter – das Schlagzeug spielt einen Dreivierte­ltakt, während die Grundmelod­ie im Viervierte­ltakt läuft. Das erzeugt eine ganz eigene Spannung, auf die sonst etwa in Spielarten des Jazz gern gesetzt wird. Hier paart sich anspruchsv­olles Songwritin­g mit dem Mut, ganz unterschie­dliche Einflüsse zu mischen und „zum Tanzen“zu bringen.

 ?? FOTO: JAVIER ZORRILLA/EFE/DPA ?? Multiinstr­umentalist Kevin Parker hat mit „The Slow Rush“ein weitgehend tanzbares Werk veröffentl­icht.
FOTO: JAVIER ZORRILLA/EFE/DPA Multiinstr­umentalist Kevin Parker hat mit „The Slow Rush“ein weitgehend tanzbares Werk veröffentl­icht.

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