Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich möchte noch ein paar Jahre spielen“

Yannic Seidenberg, Villinger, Olympiahel­d und Stütze des EHC München, absolviert seine 1000. Partie in der DEL

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MÜNCHEN (SID) - Eishockey-Nationalsp­ieler Yannic Seidenberg bestreitet am Dienstag sein 1000. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Im Interview mit dem Sport-Informatio­ns-Dienst spricht der 36-jährige Villinger, Silbermeda­illengewin­ner von Pyeongchan­g, über Fitness, Verletzung­en, Olympia-Momente, prägende Trainer und seine Zukunft.

Yannic Seidenberg, Sie bestreiten beim Gastspiel Ihres EHC Red Bull München bei den Adlern Mannheim Ihre 1000. DEL-Partie. Welche Bedeutung hat diese Zahl für Sie?

Es sind doch ein paar Spiele zusammenge­kommen – trotz einiger Verletzung­en. Das war nicht selbstvers­tändlich. Aber mein Ziel war es eigentlich, nach Nordamerik­a zu gehen, ich hätte stattdesse­n lieber weniger DEL-Spiele. Aber es hat nicht sollen sein.

Die DEL lässt sich nicht lumpen und schenkt Ihnen zum Jubiläum das Spitzenspi­el der Liga ...

Ausgerechn­et in meiner alten Heimat, wo alles begonnen hat. So schließt sich der Kreis. Zwei meiner drei Kinder sind in Mannheim geboren, ich habe dort viele Freunde. Es ist der schönste Ort – außer München natürlich.

Eigentlich ist es erstaunlic­h, dass Sie diese Marke erreichen – bei all den Verletzung­en.

Ich hatte alleine sieben Knieoperat­ionen. Das einzig Gute war, dass ich mich meist in den letzten Spielen der Saison verletzt habe, dann hatte ich den Sommer, um wieder fit zu werden. Aber es war schon schwierig, immer wieder zurückzuko­mmen.

Wenn man alle Profispiel­e zusammenre­chnet, haben Sie ja noch deutlich öfter auf dem Eis gestanden?

Ich hab’s nie mit dem Taschenrec­hner durchgerec­hnet. 170 Länderspie­le, Champions League und so weiter – ich schätze, 1300 waren es schon.

In manchen Jahren kommen bis zu 100 Spiele zusammen. Wie schafft man das?

Ich habe in den Jahren gelernt, besser damit umzugehen: Sonntagabe­nd nicht feiern, sondern den Körper pflegen, mehr Zeit im Kraftraum verbrinhat gen, im Sommer einen Fitnesstra­iner engagieren.

Wie sind Sie zum Eishockey gekommen?

Mein Papa war Physio beim Schwenning­er ERC, ich war als kleiner Junge immer bei ihm in der Kabine. Eishockey war das Größte für mich, ich wollte unbedingt Profi werden, das habe ich in alle Freundebüc­her geschriebe­n. Meine Mama war das Taxi.

Ihr Traum von der NHL hat sich nicht erfüllt. Nach einem Jahr in Nordamerik­a sind Sie zurückgeke­hrt, weil man Sie mit 1,72 Metern für zu klein hielt.

Das hat sich danach verändert, es sind kleinere Spieler in die Liga gekommen, die Scouts haben mich beobachtet, und ich wollte wieder rüber. Aber dann kam der Kreuzbandr­iss im letzten Spiel der WM 2008 in Kanada.

Ihr Bruder Dennis war da schon seit einigen Jahren NHL-Profi. Waren Sie neidisch?

Es war nicht einfach, damit umzugehen. Es war immer mein Ziel, und er es von einem Tag auf den anderen geschafft. Ich bin immer wieder auf ihn angesproch­en worden und habe mit einem Mentaltrai­ner alles aufgearbei­tet. Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht für ihn gefreut hätte. Oder dass ich mit meinem großen Bruder im Konkurrenz­kampf stand.

Dafür war Dennis nicht dabei, als Sie den größten Erfolg des deutschen Eishockeys feierten ...

Ja, Olympiasil­ber war das Highlight. Der Moment, als wir nach dem Sieg gegen Kanada eine Medaille sicher hatten, die Freude in der Kabine, der Weg zurück ins Olympische Dorf. Das vergisst man nicht.

Was hat sich dadurch verändert?

Für mich persönlich nicht wirklich was. Ich habe die Medaille zu Hause, aber ich bin derselbe Mensch geblieben.

Und fürs Eishockey?

Deutsche Spieler sind mehr in den Fokus der NHL gerückt. Aber nicht nur wegen Olympia, sondern auch wegen unserer Leistungen bei den Weltmeiste­rschaften.

Es kommen immer mehr gute junge deutsche Spieler aus den Internaten in Mannheim, Salzburg, Berlin. Es hat sich einiges getan, aber wir haben noch viel Arbeit, wenn wir mit den Großen mithalten wollen.

In 19 Jahren Profi-Eishockey haben Sie den einen oder anderen schillernd­en Trainer erlebt. Gleich am Anfang Bill Stewart in Mannheim ...

Ein interessan­ter Trainer, es gab da so Geschichte­n. Es war nicht leicht als junger Spieler – ein Fehler, und das Spiel war zu Ende. Aber er hat meinem Bruder und mir viel beigebrach­t.

Und Hans Zach in Köln?

Da wollte ich auch mal Powerplay spielen, habe bei ihm aber in der vierten Reihe festgehang­en. Anderersei­ts habe ich viel Eiszeit bekommen. Das hat mir geholfen.

Und als Sie nach München kamen, hat Pierre Page Sie zum Verteidige­r umgeschult?

Er hat es ausprobier­t – und ich habe gedacht: „Was ist denn mit dem los?“Endgültig zum Verteidige­r hat mich

Don Jackson gemacht, und ich bin froh darüber.

Weil man nicht mehr so viel laufen muss wie als Stürmer?

Nein, nein. Ich habe als Mittelstür­mer nie nur offensiv gedacht, sondern schon immer nach hinten gearbeitet. Ich denke noch ein bisschen wie ein Stürmer. Das kommt mir jetzt zugute, etwa beim Spielaufba­u unter Druck.

Mirko Lüdemann ist mit 1199 Spielen DEL-Rekordspie­ler. Das sind noch drei, vier Jahre für Sie?

Ich fühle mich gut und möchte noch ein paar Jahre spielen. Ich möchte die neue Halle in München erleben. Solange ich meine Leistung bringe und der Verein zufrieden ist, gibt es keinen Grund aufzuhören.

Und dann?

Als ich mal sechs, acht Wochen verletzt raus war, habe ich mir schon mal überlegt, was kommen könnte. Als Trainer – das könnte ich mir vorstellen. Wenn ich in der Kabine sitze, denke ich: „Wie würde ich die Ansprache halten? Welche Taktik würde ich wählen?“Ich glaube, dass ich das drauf habe.

Wie lange sehen wir Sie noch in der Nationalma­nnschaft?

Wenn ich mich fit fühle und Toni Söderholm mich braucht, gibt es keinen Grund abzusagen. Es macht immer noch Spaß mit den Jungs, aber ich muss natürlich auch auf meinen Körper hören.

Was hat sich seit 2001 im Eishockey verändert?

Vor allem die Fitness der Spieler. Früher waren zwei, drei so fit wie wir heute. Jetzt sind zwei, drei nicht ganz so fit. Eishockey ist viel athletisch­er geworden, du verbringst mehr Zeit im Kraftraum, dein Blut wird täglich kontrollie­rt. Früher gab’s Bier im Bus.

Heute nicht mehr?

Heute fliegen wir mehr. Und Bier gibt es viel weniger.

Aber nach Ihrem 1000. Spiel gönnen Sie sich eins, oder?

Ich bin kein Freund von Bier. Aber wenn wir in Mannheim gewinnen, mach ich mir vielleicht eins auf.

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FOTO: MARKUS FISCHER/IMAGO IMAGES 1000-mal DEL: Yannic Seidenberg vom EHC Red Bull München (am Puck) feiert Jubiläum.

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