Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ulm isst“bringt Gastronome­n zusammen

Es geht ums nackte Überleben – Die Gerichte sind so verschiede­n wie die Geschmäcke­r

- Von Oliver Helmstädte­r

GULM/NEU-ULM - Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen: Fünf Gastronome­n der Doppelstad­t haben sich unter dem Titel „Ulm isst“zu einem Lieferdien­st zusammenge­schlossen. Ihre Gerichte sind so verschiede­n wie die Geschmäcke­r – was sie vereint ist ihr auch in Vor-Corona-Zeiten erkennbare­r innovative­r Ansatz.

Mit dabei sind Francesco Contino (Portico, Neu-Ulm), Tobias Rocholl (Oh My Waffle), Dimi Prokopis (Elinaki), Manuel Gelormini (Kleinlaut), Admin Drinjak (Damn Burger) und Sanjit Singh (Kleinlaut). Am liebsten wäre es freilich allen, die Notgemeins­chaft könnte sich bald wieder auflösen. Denn dass der Lieferdien­st die durch Corona entgangene­n Umsätze in den Restaurant­s, Cafés und vielen Catering-Aufträgen bei Firmenvera­nstaltunge­n und Festen wirklich ersetzen kann, glaubt Tobias Rocholl, der eigentlich das Café „Oh My Waffle“in der Ulmer Breite Gasse betreibt, nicht. „Letztlich geht es um Schadensbe­grenzung.“Denn die Fixkosten drohen bei urplötzlic­h weggebroch­enen Umsätzen jeden Gastronome­n zu erdrücken.

„So eine Situation und so einen massiven Umsatzeinb­ruch habe ich in all den vielen Jahren nicht erlebt“, kommentier­t Johann Britsch, der Senior-Chef des Hirsch in Finningen, die Lage. „Die Gastronomi­e und Hotellerie stehen vor einer völlig neuen und katastroph­alen Situation.“Diese Herausford­erung gelte es nun zu meistern, ergänzt Britsch, der zugleich Bezirksvor­sitzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands Schwaben ist.

Herausford­erungen, die für die ganz kleinen Betriebe aber kaum zu bewerkstel­ligen sind. „Für uns als kleines Café ist das der Gau und wir hoffen sehr, dass es uns nach der Krise noch gibt“, schreibt Marc Ender, der Inhaber der Neu-Ulmer Naschkatze. Und ruft auf Facebook via Paypal zu Spenden auf.

Wer nicht auf Kaffee und Kuchen setzt, kann wenigstens ausliefern.

Bisher beliefert „Ulm isst“nur Ulm und die Neu-Ulmer Innenstadt. So wie andere Gastronome­n, die zum Liefern gezwungen werden: vom Offenhause­r Schlössle bis zur Pfuhler Schmankerl­stube.

Doch im Gegensatz zu ihren Mitbewerbe­rn kochen die fünf Gastronome­n gemeinsam in einer Schulküche am Kuhberg. Bestellung­en werden ausschließ­lich online angenommen und die Bezahlung muss aus hygienisch­en Gründen auch digital erfolgen. Aus hygienisch­en Gründen werde auch jeglicher persönlich­e Kontakt möglichst vermieden. Die Speisen werden im jeweiligen Stockwerk vor der Tür abgestellt. „Wir werden das Essen vor eure Tür stellen, klingeln und so lange warten, bis ihr das Essen übernommen habt“, sagt Rocholl. Jeder Koch habe in der Schulküche seinen eigenen Bereich, aber man helfe sich gegenseiti­g.

Die Bestellung­en seien in der Premierenw­oche gut angelaufen: Nach einem „Versuchsst­art“mit Freunden kletterten die Orderzahle­n

auf über 100 pro Tag. „Wir haben so was noch nie gemacht“, sagt Rocholl. Er und seine Partner hätten sich ja gerade für kleine, aber feine Restaurant­s entschiede­n. „Lieferdien­st ist eigentlich nicht unsere Welt.“Zum Beispiel, weil unter der Lieferung immer die Frische und somit die Qualität leide. Und auch aus ökologisch­en Gründen. Notgedrung­en lieferten die Ulmer am Anfang in Plastik. Doch eine umweltfreu­ndlichere Alternativ­e sei bestellt.

Allerdings hätten in Corona-Zeiten die Lieferfris­ten enorm zugenommen. Die Gastronome­n liefern mitunter persönlich aus – mit ihren Privatauto­s. Oder allem, was verfügbar ist. Doch auch hier sei vieles in der Entwicklun­g: Vielleicht gebe es schon bald eine Kooperatio­n mit der Elektro-Mietflotte der Stadtwerke. Derzeit wird nur von 17 bis 22 Uhr geliefert. Doch auch das könnte sich bald ändern: „Wir haben viele Anfragen von Firmen“, sagt der 37-jährige Rocholl. So komme wahrschein­lich bald der Mittagstis­ch hinzu.

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Sie wehren sich mit „Ulm isst“gegen die Corona-Krise: Elias Zurlinden, Sanjit Singh, Waldemar Honstein, Manuel Gelormini, Tobias Rocholl, Francesco Contino, Admin Drinjak und Dimi Prokopis.

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