Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Schweden geht ein erhebliches Risiko ein“
RAVENSBURG - Im Kampf gegen Corona setzt beinahe die ganze Welt auf Verbote und Beschränkungen. Die Schweden jedoch nicht. Sie wollen auch in Zeiten der Krise so viel Normalität wie möglich aufrechterhalten. Und die Gesundheitsbehörden sind überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, warum das zum Problem werden könnte.
In Schweden läuft das Leben trotz der Corona-Pandemie weitgehend weiter: Kneipen und Cafés sind geöffnet, Schüler bis zur neunten Klasse gehen zur Schule. Was riskiert Schweden damit?
Schweden hat rund 10 Millionen Einwohner auf etwa 450 000 Quadratkilometern und damit 23 Einwohner pro Quadratkilometer. Die Zahlen im Vergleich für Deutschland: 83 Millionen Einwohner, 350 000 Quadratkilometer und 10-mal so viele Menschen (230) pro Quadratkilometer. Etwa 40 Prozent der Schweden wohnen in nur drei Städten mit über 100 000 Einwohnern. Die epidemiologischen Verhältnisse im großen Schweden, mit dünner Besiedelung sind nicht mit den unsrigen vergleichbar.
Die Schweden gehen meiner Meinung nach dennoch ein erhebliches Risiko ein, auch wenn alte Menschen bereits aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben, und Homeoffice propagiert wurde. Es besteht die Gefahr, dass das Gesundheitssystem überfordert werden könnte, und es zu vermeidbaren Todesfällen kommt. Die Engländer haben es sich ja mittlerweile anders überlegt.
Knapp 3500 bestätigte Infektionsfälle gibt es in Schweden. Muss man – auch durch die Inkubationszeit – davon ausgehen, dass sich das Virus unbemerkt weit ausgebreitet hat?