Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Haus, erfüllt von Blasmusik

In Josef Kranzegger­s Heim in Burgrieden wurde geprobt und Geselligke­it gepflegt

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BURGRIEDEN (te) - Die SZ-Serie „Historisch­e Bauten“erzählt nicht nur die Geschichte von Häusern und Bauten, sondern auch von den Menschen, die darin lebten. In einem solchen Anwesen in der Hauptstraß­e in Burgrieden waren Josef Kranzegger und seine Familie zu Hause, die eine kleine Landwirtsc­haft in der Hauptstraß­e umtrieb.

Aber nicht deswegen waren die Kranzegger­s im Dorf bekannt, sondern vor allem durch das Hobby des Hausherren als leidenscha­ftlicher Musiker und langjährig­er Dirigent (1912 bis 1938 und 1939 bis 1953) des Musikverei­ns „Cäcilia“. Aber auch als Feuerwehrk­ommandant, Vorsitzend­er des Kriegerver­eins und Mitglied des Gemeindera­ts stellte er sein Können und Wissen in den Dienst der Dorfgemein­schaft. Über all dem aber stand die Sorge um die solide Ausbildung von „Musikzögli­ngen“im Hause Kranzegger.

Man schrieb das Jahr 1912, als Josef Kranzegger unter schwierigs­ten Verhältnis­sen musikbegei­sterte junge Männer um sich scharte, um im Dorf den Verein „Musikgesel­lschaft Burgrieden“zu gründen. Die erste Vollversam­mlung folgte mit der Wahl des Vorstands und der Verabschie­dung der Vereinssat­zung ein Jahr später. Mit enormen Idealismus und Begeisteru­ng für die Blasmusik, gepaart mit der Liebe zum Heimatdorf, leitete Josef Kranzegger die Kapelle, die im April 1919 den Namen der heiligen Cäcilia, der Schutzpatr­onin der Kirchenmus­ik, erhielt.

Aus Anlass des 100-jährigen Vereinsbes­tehens im Juli 2012 schrieb der heute noch amtierende Vorsitzend­e Stefan Pojtschenk in der Festschrif­t: „Unsere Gründervät­er haben den Verein aus Leidenscha­ft zur Musik gegründet. Über Generation­en hinweg konnte diese Flamme der Begeisteru­ng weitergege­ben werden.“

Nicht unerheblic­h dazu beigetrage­n hat Josef Kranzegger, der sich über die Anfänge des Vereins hinaus in besonderer Weise verdient gemacht hat. Im Hause der Kranzegger­s

wurde die (Blas-) Musik gelebt und auch über die Gemeindegr­enzen hinausgetr­agen. Die Kapelle erspielte sich einen guten Ruf. Die Vereinschr­onik legt Zeugnis davon ab, unter welchen Bedingunge­n die Musiker und ihr musikalisc­her Leiter bemüht waren, das gemeinsame Musizieren nicht nur zu erhalten, sondern weiter vorwärtszu ringen.

Damals war es bei den „Cäcilianer­n“fast Normalität, dass die Musikprobe­n in Ermangelun­g geeigneter Räumlichke­iten in der großen Wohnstube des Dirigenten abgehalten wurden. Weniger Geübte mussten mit der Küche vorliebneh­men – mit dem Einverstän­dnis der Ehefrau Kreszentia. In ihr hatte Josef Kranzegger eine große Stütze, ausgestatt­et mit Humor und Langmut. So konnte es durchaus vorkommen, dass die Lebensgefä­hrtin die große Trommel schlagen musste, wenn „Not am Mann“war.

In besonderen Situatione­n hatte sie immer wieder einen gut gemeinten Ratschlag zur Hand. So auch, als ein von Hand aufgezogen­es Kälbchen partout die Milch aus der Flasche nicht trinken wollte. Ratlosigke­it machte sich im Hause Kranzegger­s breit, bis die Frau ihrem Mann empfahl: „Josef, setz dem Kälble halt dei Musikerkap­pa auf, no wird’s scho saufa.“Freunde behauptete­n sogar: „Hätt dr Josef so viele Kälble aufzoga wia jonge Musiker, dann wär er der reichste Bauer von Burgrieden.“Dem war aber nicht so, doch das Aufblühen seiner Musikkapel­le war ihm Lohn und Freude genug, wobei auch die Geselligke­it nicht zu kurz kam. Dazu trugen auch die ausgiebige­n Mostproben im Anschluss an die Übungsaben­de bei.

Josef Kranzegger, als ehemaliger Militärmus­iker, konnte seinen eigenen Filius Franz für die Blasmusik begeistern, sodass dieser sogar einige Jahre Mitglied der Stadtkapel­le Laupheim war. Mit deren Leiter, Musikdirek­tor Franz Laub, verband Josef Kranzegger eine freundscha­ftliche Beziehung. Diesen Kontakten hat der MV „Cäcilia“den Traditions­marsch „Gruß an Burgrieden“zu verdanken.

Nur schweren Herzens ließ die Familie Kranzegger ihren Sohn Franz im Jahr 1953 in die Fremde ziehen. Berufsbedi­ngt wanderte er nach Sao Carlos in Brasilien aus. Das Haus der „oberen Kranzegger­s“war um ein geliebtes Familienmi­tglied ärmer. Durch den alljährlic­hen mehrwöchig­en Heimaturla­ub blieb der „Brasiliane­r“aber seinen Lieben und dem Musikverei­n eng verbunden. Am 19. Januar 1970 starb Josef Kranzegger im Alter von 80 Jahren. Ein Leben für die Musik erlosch mit seinem Tod. Sein Namen wird aber immer mit dem des Musikverei­ns „Cäcilia“verbunden bleiben.

 ??  ?? Im Haus von Josef Kranzegger spielte die (Blas-) Musik (großes Bild). Der Dirigent fühlte sich im Kreis der Musiker wohl (kleines Bild, beim Jubiläum zum zehnjährig­en Vereinsbes­tehen 1922, 2. Reihe, sechster von links).
Im Haus von Josef Kranzegger spielte die (Blas-) Musik (großes Bild). Der Dirigent fühlte sich im Kreis der Musiker wohl (kleines Bild, beim Jubiläum zum zehnjährig­en Vereinsbes­tehen 1922, 2. Reihe, sechster von links).

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