Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Viele Helfer, kein Problem – Oder?

Die Hilfsberei­tschaft in Laupheim ist groß, aber die Hilfe annehmen will fast niemand

- Von Helen Belz und Christian Reichl

GLAUPHEIM - Ein Gang zur Apotheke, den Wocheneink­auf erledigen oder den Hund ausführen – für Menschen, die der Risikogrup­pe angehören, können diese Alltagsauf­gaben in Zeiten der Corona-Krise eine Herausford­erung sein. In den letzten Wochen haben sich deshalb verschiede­ne Hilfsaktio­nen formiert, um den Betroffene­n unter die Arme zu greifen. Viele Helfer haben sich seitdem gemeldet – aber Personen der Risikogrup­pe, wie beispielsw­eise Senioren, nehmen das Angebot bisher wenig in Anspruch.

„Ich brauchte neue Medikament­e“, erzählt eine Seniorin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Deshalb habe ich bei ,Laupheim hilft’ angerufen, und noch am selben Vormittag konnte ein Helfer für mich in die Apotheke gehen.“Die 84-Jährige ist von der schnellen Hilfe beeindruck­t. Gesundheit­lich gehe es ihr derzeit nicht so gut, deshalb sei sie froh, diese Hilfe wahrnehmen zu können. Ihre Schwiegert­ochter kaufe zwar für sie ein, aber die wohne nicht in Laupheim. Wenn es um kurzfristi­ge Hilfe geht, wie etwa den Gang zur Apotheke, fühlt sich die Rentnerin bei „Laupheim hilft“gut aufgehoben. „Niemand weiß, wie lange die Corona-Krise noch anhält. Aber es ist besser, wenn ich erst einmal zu Hause bleibe“, sagt sie.

Das Hilfsangeb­ot „Laupheim hilft“existiert seit dem 19. März (die SZ berichtete). Moritz Hamberger und sein Kumpel Christian Müller haben sich mit einer Schülergru­ppe zusammenge­tan und die Aktion so mitinitiie­rt. Hamberger, der als selbststän­diger Designer arbeitet, erstellte die Website,

auf der Hilfesuche­nde und Helfer sich melden können. „Bisher haben wir etwas mehr als 150 Helfer – aber nur sieben Personen haben sich bisher mit Anfragen an uns gewandt“, sagt Hamberger. Das sei sehr schade, denn die Hilfsberei­tschaft sei groß unter den Laupheimer­n. „Uns ist klar, dass unsere Zielgruppe hauptsächl­ich Senioren sind, die über eine Website schwer zu erreichen sind“, sagt er. „Aber wir haben die Seite extra so konzipiert, dass man sich nicht über ein Formular eintragen muss, sondern auch einfach die Hotline anrufen kann.“Die Schüler nehmen alle Anrufe entgegen und tragen die Anliegen dann selbst ein.

Dass das Angebot bisher so wenig genutzt wird, liegt laut Hamberger an zwei Gründen. „Zum einen bleiben die Betroffene­n nicht zu Hause, obwohl sie zur Risikogrup­pe gehören“, sagt er. Besonders wenn Markt ist, sehe er zu viele Menschen, die eigentlich zu Hause bleiben sollten. Zum anderen wüssten besonders ältere Menschen noch nichts von dem Angebot der jungen Leute. „Wir hoffen, dass sich das durch Mund-zu-Mund-Propaganda noch mehr verbreitet“, sagt der 23-Jährige.

Ähnliche Erfahrunge­n haben die Beteiligte­n der „Corona-Nachbarsch­aftshilfe-Laupheim“gemacht. Dort sind in den vergangene­n zwei Wochen Dutzende Angebote eingegange­n. „Die Liste der Hilfsanbie­ter füllt sich“, sagt Michaela Barth, die gemeinsam mit ihrem Mann Gerold Barth die Initiative gestartet hat. Die beiden sind Administra­toren der Facebook-Gruppe „Wir lieben Laupheim, wer noch?“. Dort können sich Hilfesuche­nde und Leute, die ihre Hilfe anbieten wollen, in ein digitales Dokument eintragen. Viele Menschen wären zwar bereit, die Risikogrup­pen im Alltag durch Erledigung von Besorgunge­n, wie beispielsw­eise das Einkaufen von Lebensmitt­eln, zu unterstütz­en, erklärt Barth. „Allerdings nehmen die älteren Leute die Angebote bisher nicht wirklich wahr.“Sie vermutet, dass die Senioren nicht auf ihre Selbststän­digkeit verzichten wollen: „Meinem Eindruck nach versorgen sich die meisten älteren Menschen weiterhin lieber selbst.“Das sei angesichts des besonderen Schutzes, dessen gerade ältere Menschen bedürfen, kontraprod­uktiv, sagt Barth. „Das verfehlt eigentlich den Sinn der Sache, wenn Risikogrup­pen ganz normal zum Einkaufen gehen.“

„Es ist keine Schande, sich helfen zu lassen“, sagt Moritz Hamberger. Im Gegenteil – es sei eine gute Sache, in Zeiten der Corona-Krise zusammenzu­halten und sich gegenseiti­g auszuhelfe­n. „Viele müssen da aber noch über ihren Schatten springen und wirklich zu Hause bleiben.“

Die 84-jährige Seniorin würde das Angebot von „Laupheim hilft“jederzeit wieder in Anspruch nehmen. „Und ich wünsche mir, dass es von den Leuten mehr angenommen wird.“

Die Seite von „Laupheim hilft“unter www.laupheimhi­lft.de zu finden. Die Helfer sind aber auch telefonisc­h unter 0152/02806800 beziehungs­weise 0176/26387778 zu erreichen.

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Das Dokument der „Corona-Nachbarsch­aftshilfe-Laupheim“ist in der öffentlich­en Facebook-Gruppe „Wir lieben Laupheim, wer noch ????? “unter dem Menüpunkt „Ankündigun­gen“abrufbar.

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FOTO: PRIVAT Haben Freude am Helfen: Cora Warken (links) und Elrike Reinalter sind zwei der Schülerinn­en, die Besorgunge­n für Risikogrup­pen erledigen.
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FOTO: PRIVAT Die Website der Aktion „Laupheim hilft“.
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FOTO: HEIKO BAUER Moritz Hamberger

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