Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kliniken der Region schließen Corona-Deal
Damit es keine italienischen Zustände gibt: „Austausch“von Covid-19-Patienten möglich
GULM - Die Ruhe vor dem Sturm? Noch bewegt sich die Zahl der Menschen, die in der Region am Coronavirus erkrankt sind, auf überschaubarem Niveau. Die Kapazitäten an Intensivbetten in den Krankenhäusern sind bei Weitem noch nicht ausgereizt. Um aber gewappnet zu sein, haben sich acht Kliniken aus Ulm, dem Alb-Donau-Kreis und dem Kreis Neu-Ulm nun zusammengetan. Ziel sind Absprachen: Dass, wenn es hart auf hart kommt, Patienten dort behandelt werden, wo es die Kapazitäten am besten zulassen. Chaotische Verhältnisse wie in Italien sollen so verhindert werden.
„Regionales Netzwerk“nennt es die Uniklinik am Freitag in ihrer Mitteilung. Mit an Bord sind acht Häuser von mehreren Klinik-Betreibern, das Netzwerk dehnt sich sogar über Landesgrenzen hinweg aus. Die Rolle der Koordinatorin hat als größte Klinik der Region die Uniklinik inne. Darüber hinaus machen das Ulmer Bundeswehrkrankenhaus (BWK) mit, die Ulmer Agaplesion Bethesda-Klinik, die Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm (RKU), die beiden Kliniken der Kreisspitalstiftung Weißenhorn (in Neu-Ulm und Weißenhorn) sowie die ADK GmbH für Gesundheit und Soziales, die im Alb-Donau-Kreis Kliniken in Ehingen, Blaubeuren und Langenau betreibt.
Eine Schlüsselrolle innerhalb des Netzwerkes kommt einem digitalen „Dashboard“zu: eine Art Übersichtsplattform, auf der tagesaktuell die Kapazitäten der Betreiber an den jeweiligen Standorten dargelegt werden. Im Fokus: Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert sind und die stationär behandelt werden müssen. Ziel sei es, heißt es in der Mitteilung, „die Behandlungskapazitäten klinikübergreifend zu erfassen und zu koordinieren“.
Noch hat das Ganze auf den Klinikbetrieb keine Auswirkungen. Was daran liegt, dass jeder Klinikbetreiber derzeit noch genügend eigene Betten hat, um Covid-Patienten selbst zu behandeln. Die ADK GmbH (eine Tochter des Alb-Donau-Kreises) geht zum Beispiel den Weg, dass solche Patienten ausschließlich in Ehingen behandelt werden. Dafür nehmen die ADKAbleger in Langenau und Blaubeuren andere Patienten, die deshalb nicht in Ehingen behandelt werden können, auf.
Im Kreiskrankenhaus Ehingen wurden Stand Freitagmittag zwölf Patienten, die mit dem Virus infiziert sind, stationär behandelt. Drei von diesen würden beatmet, so ADKSprecherin Daniela Rieker. Verdreifacht hat die ADK GmbH im Zuge der Corona-Krise ihre Kapazitäten an Intensivbetten in Ehingen: 18 könnten dort derzeit vorgehalten werden.
Was das Verhältnis von Bettenzahl zu Corona-Patienten angeht, stehen auch die Uniklinik und das Bundeswehrkrankenhaus gut da. Am BWK wurden laut Presseoffizier Peter Scheck am Freitag vier Covid-Patienten beatmet, drei weitere Corona-Patienten
auf der „normalen“Intensivstation betreut. Die BWK-Kapazitäten sind damit noch lange nicht erschöpft: Scheck spricht von 44 vorhandenen Intensivbetten mit Beatmungsgerät sowie bei Bedarf einer Erweiterungsoption auf 50 solcher Betten.
Ähnlich das Bild an der Uniklinik. 14 Covid-Patienten wurden dort laut einer Sprecherin am Freitag auf der Intensivstation betreut, 46 auf der Normalstation. Das sind mehr als im BWK; jedoch, so die Sprecherin, würde die Uniklinik auch über mehr Betten verfügen als das Bundeswehrkrankenhaus. Über wie viel genau, wollte sie nicht sagen.
Und welche Rolle spielt nun das neue Corona-Netzwerk, dessen „besondere Bedeutung“Alb-DonauLandrat Heiner Scheffold und Professor Dr. Udo X. Kaisers, der Chef der Uniklinik, betonen?
Ganz einfach. Erklärtes Ziel sei es, die vorhandenen Kapazitäten während der Pandemie „bestmöglich zu nutzen“. Dies kann bedeuten, dass Corona-Patienten beispielsweise aus dem Raum Ehingen nicht dort eingeliefert und behandelt werden (was eigentlich üblich wäre) – sondern an einer der übrigen Kliniken des neuen „Corona-Netzwerkes“. Jedoch nur dann, wenn in Ehingen keine CoronaBetten mehr frei sind. Sprich: Wenn die von manchen erwartete „CoronaWelle“rollt.
In einem solchen Fall wäre dann das „Dashboard“ins Spiel gekommen. Es zeigt an, welche der Kliniken noch
Kapazitäten hat. Gemeinsam soll dann entschieden werden, wohin es für den Patienten geht. So können Behandlungskapazitäten für Covid-19Patienten „optimal vorbereitet und bereitgestellt werden“. Auch die Rettungsdienste haben Zugriff auf das Dashboard. So haben die Rettungsteams einen Überblick darüber, welche Klinik wie viele Kapazitäten für Patienten frei hat.
Auf den Weg gebracht haben die neue Systematik – neben den Krankenhäusern – auch die Kreisärzteschaft, die Kassenärztliche Vereinigung und das DRK. Sie trafen und treffen sich regelmäßig im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises. Dort ist auch das für Ulm und den Alb-Donau-Kreis zuständige Gesundheitsamt angesiedelt.
Heiner Scheffold lobt die neue Zusammenarbeit – auch wenn er hoffen dürfte, dass sie gar nicht erst strapaziert wird. „Wir sind in unserer Region, was die Kliniken angeht, medizinisch außerordentlich gut aufgestellt. Mit dem Dashboard und bei der Ausweitung der Behandlungskapazitäten denken wir regional, stimmen uns ab und ziehen für die betroffenen Menschen an einem Strang.“UniklinikChef Udo X. Kaisers ergänzt: „Unser regionales Netzwerk und das Dashboard ermöglichen uns nun, unsere Kapazitäten bestmöglich an die Behandlungsbedarfe der an Covid-19 erkrankten Patienten der Region anzupassen, ohne die weiterhin erforderliche Therapie anderer Erkrankungen zu vernachlässigen.“
Lang