Schwäbische Zeitung (Laupheim)
FIFA kämpft für Saisonverlängerung
Die 3. und 4. Liga dürfen auch im Spätsommer Fußball spielen, die Profis könnten folgen
FRANKFURT/ZÜRICH (dpa/SID) FIFA-Präsident Gianni Infantino hat baldige Lösungen der Weltfußball-Organisation für die Verlängerung der Saison und die Transferprobleme im internationalen Fußball angekündigt. „Wir haben eine Task Force, die in Kürze Vorschläge zum Schutz der Vereine und Spieler unterbreiten wird“, sagte der Schweizer in einer Grußbotschaft an den südamerikanischen Fußballverband Conmebol. Seite an Seite steht dabei auch der europäische Verband UEFA, der zuletzt mit der FIFA im Clinch lag (siehe Bericht unten).
Durch die Zwangspausen in fast allen internationalen Ligen wegen der Coronavirus-Pandemie sind Eckdaten wie der 30. Juni als Vertragsende der meisten Spieler sowie das Sommertransferfenster nicht zu halten, wollen die Ligen ihre Runden beenden und damit die TV-Gelder erhalten.
Die sind überlebensnotwendig, auch für die Bundesliga, die finanziell weit besser dasteht als andere Fußball-Großmächte. Dennoch: Auch zahlreiche DFL-Clubs, vor allem jene der 2. Liga, bangen um ihre Existenz. Wie der „kicker“am Freitagabend berichtete, zittern vier Erstligisten und neun Zweitligisten um ihre Zukunft und befürchten die Insolvenz. Zwölf der 13 Clubs haben laut „kicker“bereits die nächste TV-Rate abgetreten, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Diese Fakten wurden auf der Video-Mitgliederkonferenz der DFL am Dienstag offenbar allen 36 Clubs mitgeteilt. Die DFL hatte alle Clubs 14 Tage zuvor bei der Mitgliederversammlung darum gebeten, ihre Zahlen offenzulegen.
Sieben Zweitligisten droht angeblich schon Ende Mai die Insolvenz, wenn bis dahin der Spielbetrieb nicht aufgenommen werden kann und die vierte Rate der Medienpartner nicht an die DFL zur Überweisung an die Clubs gezahlt wird. Die letzte Rate aus dem aktuellen Medienvertrag für 2019/20 wäre Anfang Mai fällig. In der ersten Bundesliga ist laut „kicker“ein Verein akut bedroht und nur noch bis Mai zahlungsfähig. Drei weitere wären im Juni insolvent.
Bereits zwölf DFL-Vereine haben angeblich ihre Gelder aus der vierten Fernsehrate an Kreditinstitute und andere Partner abgetreten, um laufende Rechnungen zu bezahlen. Selbst über die bei vielen Vereinen ausgerufene Kurzarbeit werden laut DFL Insolvenzen nicht zu verhindern sein, wenn der Spielbetrieb Anfang Mai nicht wieder aufgenommen werden kann.
Und weil es im Rest Europas teils noch wesentlich schlimmer aussieht, sprach Infantino Klartext. Die Streitigkeiten über Wettbewerbe und den internationalen Spielkalender müssten im Zeichen der großen Krise beendet werden, forderte er. „Jeder hat unterschiedliche Interessen, aber wir müssen reden und Themen auf den Tisch legen, die wir in der Vergangenheit
vielleicht nicht besprochen haben. Ich bin überzeugt, dass wir Lösungen für den internationalen Spielkalender finden werden.“
Wann die Corona-Krise für den Fußball beendet sei, vermöge er nicht zu prophezeien, sagte Infantino.
FIFA-Chef Gianni Infantino über die Folgen der Pandemie für den Fußball
„Morgen würden wir alle gerne wieder Fußball sehen, aber wir wissen nicht, wann wir wieder spielen können. Und niemand auf der Welt weiß, wann wir wieder wie zuvor spielen können.“
Der Deutsche Fußball-Bund ging am Freitag vermutlich auf Wunsch der FIFA voran und machte mit einem der weitreichendsten Eingriffe in die Spiel- und Jugendordnung den Weg für einen Saisonabschluss in allen Amateur- und Nachwuchsligen frei – die Profis dürften folgen. Erstmals in der Geschichte kann die Saison von der 3. Liga bis in die untersten Spielklassen
bei Bedarf über den 30. Juni hinaus verlängert werden. Sofern nötig und kein Abbruch gewollt ist, könne „das Spieljahr 2020/21 zu einem späteren Zeitpunkt beginnen oder notfalls sogar ganz oder teilweise entfallen“, sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch in einer Verbandsmitteilung.
Im Zuge einer Saisonverlängerung können Spielberechtigungen, Wechselfristen und Verträge mit Spielern zeitlich angepasst werden. Im Falle eines Saisonabbruchs wären zudem Sonderregelungen zu Auf- und Abstieg möglich.
„Das Maßnahmenpaket gibt vor allem den für den Amateurspielbetrieb zuständigen 21 Landes- und fünf Regionalverbänden nun statuarisch die Möglichkeit, so flexibel wie möglich auf diese Ausnahmesituation und neue Entwicklungen zu reagieren“, sagte Koch. Zuvor war der komplette Spiel- und Trainingsbetrieb im Amateurbereich auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. „Die zuletzt bis 19. April vorgesehene Unterbrechung des Spielbetriebs wird bis auf Weiteres ausgedehnt“, teilte auch der Württembergische Fußballverband im Namen seiner drei Landesverbände mit. „Wir sind davon überzeugt, dass der organisierte Fußball selbstverständlich seinen Beitrag leisten und insofern alles unterlassen muss, was ein Ansteigen der Infektionszahlen begünstigt“, sagte wfv-Präsident Matthias Schöck. Eine mögliche Fortsetzung werde mit einer Vorlaufzeit von mindestens 14 Tagen angekündigt.
Der Grundsatz, wonach ein Spieljahr zum 1. Juli beginnt und zum 30. Juni im folgenden Jahr endet, ist somit für die nächsten 15 Monate außer Kraft gesetzt. Mit Beginn der Saison 2021/22 sollen wieder die vorherigen Bestimmungen gelten.
Wegen der finanziellen Folgen der Pandemie lockert der DFB zudem die Strafen bei möglichen Insolvenzfällen in der 3. Liga, den fünf Regionalligen sowie der Bundesliga und 2. Bundesliga der Frauen. Sollten Vereine aus diesen Klassen diese Saison einen Insolvenzantrag stellen, entfällt der dafür vorgesehene Abzug von neun Punkten bei den Männern und sechs Punkten bei den Frauen komplett. Tritt in der nächsten Saison ein Insolvenzfall ein, werden dem Club in Männer-Klassen drei Punkte und bei den Frauen zwei Zähler abgezogen.
In den unteren Spielklassen, in denen ein Verein bei einer Insolvenz automatisch als Absteiger feststeht, dürfen die Landesverbände für die Dauer der Übergangszeit bis Ende Juni 2021 abweichende Regelungen treffen.
„Niemand auf der Welt weiß, wann wir wieder wie zuvor spielen können.“