Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auch Isolation macht krank

- Von Kara Ballarin k.ballarin@schwaebisc­he.de

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n gehört mit seinen 71 Jahren selbst zur Hochrisiko­gruppe in der Coronaviru­s-Pandemie. Ihm und seinem eher älteren Kabinett – das Durchschni­ttsalter liegt bei 59 Jahren – kann die jüngste Entscheidu­ng denn auch nicht leichtgefa­llen sein. Senioren in Baden-Württember­gs Heimen müssen künftig noch mehr Einschränk­ungen erdulden. Schon bisher dürfen sie keine Besuche mehr empfangen. Nun dürfen sie ihr Heim auch praktisch nicht mehr verlassen. Das soll sie vor einer Infektion schützen. Die Kehrseite der Medaille ist aber: Auch Isolation macht krank.

Die Wissenscha­ft hat vielfach einen Zusammenha­ng zwischen Einsamkeit und Erkrankung­en beschriebe­n. Wer isoliert lebt, leidet mit höherer Wahrschein­lichkeit an psychische­n Erkrankung­en wie Depression und Angststöru­ngen. Ein Leben ohne soziales Gefüge kann sich aber auch verstärkt körperlich niederschl­agen. Die Folgen heißen etwa Diabetes, Krebs oder Demenz.

Das Ziel der Landesregi­erung ist nachvollzi­ehbar. Diejenigen, die besonders gefährdet sind, sollten auch besonderen Schutz erfahren. Dass sie in ihren individuel­len Freiheitsr­echten bis aufs Äußerste beschnitte­n werden, ist indes nur schwer zu ertragen. Zumal ihre Altersgeno­ssen, die statt im Heim in ihrem Zuhause wohnen, mit dieser verschärft­en Isolation nicht leben müssen.

Insofern war es zwingend notwendig, dass die verschärft­en Regelungen ein Verfallsda­tum bekommen. In gut zwei Wochen, am 19. April, verliert die Verordnung ihre Gültigkeit – zumindest Stand heute. Bis dahin muss es die Politik als eine ihrer wichtigste­n Aufgaben verstehen, den Senioren in Heimen wieder die gleichen Rechte zu geben wie allen anderen Bürgern. Und zwar dauerhaft.

Die immer wieder aufflammen­de Debatte, während der Pandemie nur Alte und Kranke zu isolieren, ist menschenve­rachtend. Gerade jetzt kommt es darauf an zusammenzu­stehen. Jung gegen Alt auszuspiel­en, oder Wirtschaft gegen Gesundheit­sschutz, ist zynisch.

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