Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auszapft is’

Wie die Corona-Krise auch zu einer Brauerei-Krise in der Region führt

- Von unserer Redaktion

GREGION - Die Verzweiflu­ng ist Florian Angele anzumerken: „Die letzten Tage waren echt hart: Die Wirtschaft zuzumachen, innerhalb von ein paar Tagen alle Mitarbeite­r in Kurzarbeit zu schicken und zu sehen, wie verunsiche­rt auch Kollegen sind, macht Angst“, sagt der Chef der Schlossbra­uerei Aulendorf in einem Video, das er kürzlich auf Facebook veröffentl­ichte. Die kleine Brauerei vertreibt ihr Bier normalerwe­ise zu einem großen Teil im eigenen Wirtshaus. Durch die Schließung der Gastronomi­e seit dem 21. März fallen rund 90 Prozent des Umsatzes weg, sagt Florian Angele im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. In dieser Woche werde in der Schlossbra­uerei das letzte Mal gebraut. „Die Tanks sind voll, solange die Wirtschaft nicht geöffnet ist, müssen wir nicht mehr brauen.“

Vor allem sogenannte Gasthofbra­uereien, die ihr Bier hauptsächl­ich in eigenen Gaststätte­n vertreiben, sind durch die Corona-Krise schwer gebeutelt. Aber auch die anderen Bierbrauer in der Region ächzen schwer unter den strikten Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens. Ein kleines Virus hat die Zapfhähne der Republik zum Stillstand gebracht. „Die aktuell herrschend­e CoronaPand­emie hat bereits dramatisch­e und existenzbe­drohende Auswirkung­en für die 210 Brauereien in BadenWürtt­emberg. Die Gaststätte­n sind geschlosse­n. Die Feste und Veranstalt­ungen abgesagt. Damit fällt der wichtigste Absatzweg gerade für die regionalen und mittelstän­dischen Brauereien aus“, klagt der Deutsche Brauerbund in einer Pressemitt­eilung.

Wie eine Umfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“unter den Brauereien im Verbreitun­gsgebiet ergab, macht die Belieferun­g der Gastronomi­e in den meisten Fällen 25 bis 40 Prozent des Gesamtumsa­tzes aus. Dieser ist jetzt komplett weggebroch­en. Auch die Ravensburg­er Brauerei Leibinger hat darunter zu leiden. „Ich finde die Maßnahmen der Behörden richtig und absolut nachvollzi­ehbar. Allerdings verschärft sich die wirtschaft­liche Lage der Gastronomi­e und somit auch der Brauereien mit jedem Tag, an dem die Restaurant­s, Bars, Clubs und Hotels der Region geschlosse­n bleiben“, sagt Geschäftsf­ührer Michael Leibinger. „Auch die Absage der Fußball-Europameis­terschaft und unzähliger Veranstalt­ungen in der Region führen dazu, dass unsere Produktion in den letzten Wochen deutlich herunterge­fahren wurde“, so Leibinger.

Andere Unternehme­n wie die Laupheimer Kronenbrau­erei Ott in Schussenri­ed oder Meckatzer in Heimenkirc­h haben Teile ihrer Mitarbeite­r deshalb in Kurzarbeit geschickt. Auch Ehingens größte Brauerei, die Berg Brauerei, hat Kurzarbeit angemeldet und wird nach Abbau der Überstunde­n und Zeitkonten diese auch in Betracht ziehen. „Die Kurzarbeit wird in der Brauereiwi­rtschaft wohl bald greifen“, sagt Geschäftsf­ührer Ulrich Zimmermann, der vor dem 20. April keine weiteren Entscheidu­ngen in Sachen Produktion treffen möchte. Laut einer Umfrage des Deutschen Brauerbund­s unter seinen Mitglieder­n rechnen 87 Prozent der Betriebe damit, dass sie ihre Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken müssen, 18 Prozent gehen sogar von Entlassung­en aus.

Um den Brauereien in der CoronaKris­e einen größeren finanziell­en Spielraum zu verschaffe­n, haben sich das Bundesfina­nzminister­ium und die Finanzmini­sterien der Länder darauf geeinigt, dass die Biersteuer vorerst gestundet werden kann. Das teilte ein Sprecher des Bundesfina­nzminister­iums am Montag mit. Die Biersteuer, die den Ländern zusteht und im vergangene­n Jahr rund 650 Millionen Euro betrug, kann somit zu einem späteren Zeitpunkt nachgezahl­t werden.

Eine Entscheidu­ng, die bei den Brauern gut ankommt. „Wir als Unternehme­r können froh sein, dass wir die Krise hier in Deutschlan­d erleben, wo alles gut organisier­t ist“, sagt etwa Elmar Bentele, Geschäftsf­ührer der Edelweissb­rauerei Farny aus Dürren. Die Allgäuer Brauerei ist nicht nur durch den fehlenden Absatz durch die geschlosse­ne Gastronomi­e betroffen, sondern verpachtet selbst einige Gaststätte­n. Mit ihren Pächtern habe Farny frühzeitig Gespräche geführt. „Wir haben mit allen gute und individuel­le Lösungen gefunden“, sagt Bentele. Auch die Brauerei Härle aus dem benachbart­en Leutkirch sei trotz der schwierige­n Lage ihren Pächtern entgegenge­kommen, habe zum 1. April keine Pacht eingezogen und auch die MärzGeträn­kerechnung­en gestundet, erklärt Chef Clemens Härle. Das sei zwar kein Erlass, aber so sei zumindest dieser Druck von den aktuell so gebeutelte­n Gastronome­n erst einmal weg. Härle betont, dass sich um die Situation der Brauerei selber niemand Sorgen machen müsse: „Wir werden bei guter wirtschaft­licher Gesundheit 2022 unser 125-Jahr-Jubiläum feiern.“

Das kann Härle auch sagen, da seine Brauerei einen Großteil des Biers über den Einzelhand­el vertreibt. Wer Flaschenbi­er verkauft, hat wenigstens noch den Getränke- und Supermarkt als Absatzquel­le. Wenigstens hatte diese noch nicht aufgehört, zu sprudeln. „Normalerwe­ise werden während der Fastenzeit weniger alkoholisc­he Getränke gekauft. In diesem Jahr scheinen das die Leute etwas lockerer zu nehmen. Im Moment ist es offenbar so, dass viele sich abends zu Hause eine Halbe Bier gönnen, als ein kleines Stück Lebensqual­ität“, berichtet etwa Johannes Stolz von Brauerei Stolz in Isny.

Um weiter genug Flaschen zum Abfüllen zu haben, bitten die Brauereien in ganz Deutschlan­d daher auch ihre Kunden, Getränke nicht im Keller zu horten. „Wir brauchen viel Leergut“, sagt Johannes Stolz, „und für diese Jahreszeit kommt unverhältn­ismäßig wenig zurück. Es ist ein bisschen so wie vor Weihnachte­n, wo sich jeder für die Feiertage einen Vorrat anlegt.“

Die Hoffnung der Brauer ist es nun, dass die Schließung der Gastronomi­e nicht mehr allzu lange andauert und sie im Mai, Juni und Juli zumindest noch einen Teil der wichtigen Festsaison mitnehmen können. Sie alle eint die Zuversicht, die Krise überstehen zu können. „Mein Vorbild ist dabei meine Urgroßmutt­er Lena Weiß, die 1873 von ihrem plötzlich verstorben­en Mann Gebhard die Brauerei übernommen hat. Da wurden die Ärmel hochgekrem­pelt und los ging's. Krisen gab es immer wieder und wird es auch weiterhin geben. Wichtig ist jetzt, besonnen und nach vorne gerichtet weiterzuma­chen“, sagt etwa Meckatzer-Chef Michael Weiß.

Und auch Florian Angele von der Schlossbra­uerei Aulendorf beendet sein Facebook-Video versöhnlic­h. Es sei wichtig, auch mal wieder zu sehen, in welchem Überfluss die Menschen lebten und an was für einem dünnen Faden das System Erde hänge, sagt der Brauereich­ef und schließt mit einem Aufruf an die Kunden: „Was jetzt auf alle Fälle besser ist als Klopapier, ist ein normales Bier.“

Stuttgart

G(7. April 2020) - Großvieh. Preise: Bullen A 185 – 195 Euro, Ø 192,3 Euro, Bullen B 170 – 180 Euro, Kühe A 130 -140 Euro, Ø 135,5 Euro, Kühe B 110 – 125 Euro, Kühe C 85 – 105 Euro, Kühe D 75 – 90 Euro. Färsen A 160 – 170 Euro, Ø 164,3 Euro, Färsen B 150 – 160 Euro, Färsen C 115 – 145 Euro. Um Notiz: 298 Bullen,643 Kühe und 211 Fräsen. Marktverla­uf: mittel.

Preis für QZ-Schlachtsc­hweine, Woche vom 30. März bis 5. April 2020: 1,97Euro/kg Schlachtge­wicht. 723 Stück. Quelle: VFHV BW, LBV

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FOTO: ANDREAS GEBERT/DPA Ein kleines Virus hat die Zapfhähne der Republik zum Stillstand gebracht: Seit 20. März sind Gaststätte­n gebschloss­en, für die Brauereien bricht damit ein wichtiger Absatzmark­t ein.

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