Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wettervorh­ersagen im Corona-Tief

Weil der Flugverkeh­r zum großen Teil eingestell­t wurde, fehlen den Wetterstat­ionen wichtige Messdaten

- Von Sebastian Heilemann

GRAVENSBUR­G - Kaum ein Lebensbere­ich bleibt derzeit von den Auswirkung­en der Corona-Pandemie unberührt – nicht einmal das Wetter. Denn durch das Virus müssen Wetterstat­ionen mit deutlich weniger Messdaten als gewöhnlich auskommen. Und das hat Auswirkung­en auf die Genauigkei­t der Vorhersage­n.

Millionen von Wetterdate­n kommen täglich weltweit bei Wetterstat­ionen an. Angaben etwa über Temperatur und Luftfeucht­igkeit von überall auf der Welt werden in Computersy­steme eingespeis­t, um Vorhersage­n zu berechnen. Doch eine wichtige Datenquell­e ist den Meteorolog­en seit dem Beginn der CoronaKris­e weggebroch­en: der Flugverkeh­r. Denn der ist zum großen Teil eingestell­t worden, fast 95 Prozent der Flugzeuge bleiben derzeit am Boden.

„Flugzeuge sind wichtige Lieferante­n für meteorolog­ische Daten“, sagt Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdien­st (DWD). Sind die Maschinen in der Luft, zeichnen sie Wetterdate­n wie Temperatur, Luftdruck, Winde oder Feuchtigke­it auf und senden sie über Satellit an die Wetterstat­ionen. Doch fliegt kein Flugzeug, kommen auch keine Messwerte an. „Dadurch fällt eine deutliche Menge an Daten weg“, sagt Kirsche. „Aber wir versuchen, das durch zusätzlich­e Maßnahmen auszugleic­hen.“So setzt der Deutsche Wetterdien­st derzeit zusätzlich­e Wetterball­ons ein, die Wetterdate­n aus höheren Luftschich­ten liefern. Die steigen an insgesamt zehn Standorten in Deutschlan­d in 30 Kilometer Höhe auf und sammeln Wetterdate­n. Damit erhofft sich der Wetterdien­st, zumindest einen Teil der wegfallend­en Werte ausgleiche­n zu können.

Doch insgesamt werden die Vorhersage­n wohl vorübergeh­end etwas ungenauer als gewohnt. „Bei Vorhersage­n, wie sich beispielsw­eise die Temperatur verändern wird, gibt es vielleicht nicht mehr die hohe Trefferquo­te

wie sonst“, sagt Kirsche. Die Genauigkei­t könne in dieser Zeit um bis zu 10 Prozent sinken. Darunter würden gerade alle Wetterdien­ste leiden.

Um ein möglichst genaues Bild der Wetterlage zu erhalten, sammeln Wetterdien­ste Daten über mehrere Quellen. Wettersate­lliten, Bodenstati­onen, das Wetterrada­r und -ballons, aber eben auch mithilfe von Schiffen und Flugzeugen. Dabei komme es laut Kirsche nicht nur auf die Gesamtzahl der Daten an, sondern auch darauf, dass möglichst Daten von vielen verschiede­nen Standorten in das Computermo­dell eingespeis­t werden. Durch den Wegfall der Flugzeugda­ten fehlen auf einen Schlag so gut wie alle Daten aus der Atmosphäre.

„Erfreulich ist das natürlich nicht“, sagt Kirsche. Wettererei­gnisse, wie etwa ein Sturmtief, können so unter Umständen nicht mehr für drei, sondern nur noch für zwei Tage sicher vorausgesa­gt werden. Doch in den Wetterstat­ionen würden nicht nur Computer rechnen, sondern auch erfahrene Meteorolog­en arbeiten, die die Ergebnisse der Modelle mit ihrer Erfahrung einordnen könnten, sagt Kirsche.

Roland Roth ist Leiter der Wetterwart­e Süd und hat vor allem das Wetter für die Regionen Bodensee, Schwaben und Allgäu im Blick. „Für uns ist vor allem der Atlantik relevant“, sagt er. Denn dort entwickeln sich viele Wetterlage­n, die später auch über den Südwesten Deutschlan­ds ziehen. Deshalb sind die Flugzeugda­ten besonders relevant. „Uns fehlen 70 Prozent der Messwerte“, sagt Roth. „Ich würde das aber nicht so gravierend sehen, wie sich die Zahl anhört.“

Zwar hätte auch er bereits festgestel­lt, dass sich beispielsw­eise die Langzeitvo­rhersagen der Computermo­delle etwa für das Osterwette­r verändert hätten, ob das allerdings eine Auswirkung der fehlenden Daten sei, ließe sich nicht sicher sagen. Dennoch hat auch Roth seine Arbeit an die Situation angepasst. Die Wetterkart­en, von denen es alle sechs Stunden eine Aktualisie­rung gebe, prüfe der Meteorolog­e jetzt etwas genauer als sonst auf unerwartet­e Veränderun­gen. Doch grundsätzl­ich seien Vorhersage­n und Prognosen immer mit Unsicherhe­iten belastet. Das sei schon immer so gewesen, nicht erst seit dem Ausbruch des Coronaviru­s.

 ?? FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO MAGES ?? Zu Zeiten der Corona-Krise bleiben fast 95 Prozent der Flugzeuge am Boden, deshalb fehlt den Meteorolog­en eine wichtige Quelle für Wettermess­daten.
FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO MAGES Zu Zeiten der Corona-Krise bleiben fast 95 Prozent der Flugzeuge am Boden, deshalb fehlt den Meteorolog­en eine wichtige Quelle für Wettermess­daten.

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