Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Familienbetriebe sind ein stabilisierender Faktor“
Gerhard Glaser und Mathilde Wiest schildern die Situation der Landwirte in der Corona-Krise
GSCHEMMERHOFEN/GOPPERTSHOFEN - Gerhard Glaser aus Schemmerhofen steht auf der Weide bei seinen Kühen. „Ich bin froh, dass sie von der Corona-Krise nichts mitbekommen“, sagt er. Im Gegensatz zu den Landwirten im Kreis Biberach. Die derzeitige Situation macht es ihnen nicht leicht – aber sie hat auch eine positive Seite.
Als Kreisobmann des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen hat Gerhard Glaser die Situation gut im Blick. „Wir müssen natürlich einige Regeln einhalten“, erklärt er. Vor allem seien das Hygienevorschriften im Umgang mit den Tieren. „Das klappt aber gut, die Landwirte halten sich daran“, sagt er. Probleme sieht Glaser in anderen Bereichen. „Engpässe können vorkommen, wenn es um Vorlieferanten geht.“Beispielsweise bei der Futtermittelbeschaffung, wenn es nur wenige LKW-Fahrer gibt. Oder wenn die landwirtschaftlichen Geräte zur Werkstatt müssen, diese aber wegen des Coronavirus nur in einer Notbesetzung arbeitet. „Das schränkt uns natürlich auch ein“, sagt Glaser.
Aber: „Die Versorgung mit Lebensmitteln
ist auf keinen Fall gefährdet“, ist Glaser sich sicher. Besonders jetzt zeige sich, wie gut es ist, heimische Bauern zu haben. „Mit heimischen Bauern kann man immer rechnen“, sagt er. Das oberste Ziel der Landwirte sei es, die Qualität zu halten. „Unsere Bauern geben nach wie vor ihr Bestes“, sagt Glaser. Besonders Familienbetriebe seien während der Krise ein stabilisierender Faktor. Denn die müssten keine Angst haben, Mitarbeiter beispielsweise durch Quarantäne zu verlieren. „Familienbetriebe in der Tierhaltung, wie sie hier im Landkreis am häufigsten vorkommen, können solche Ausfälle gut kompensieren“, erklärt der Landwirt. Familien seien es gewohnt, einzuspringen, wenn Not am Mann ist – das weiß Glaser aus eigener Erfahrung. In seinem Betrieb mit ungefähr 100 Kühen und 100 Hektar Land sei das auch so. „Große Betriebe dagegen haben ein Problem, wenn auf einen Schlag 15 Mitarbeiter fehlen.“
Bauchschmerzen bereitet dem Landwirt aber die Situation auf dem Markt. „Die Nachfrage nach Lebensmitteln ist gerade gut – aber die Preise bewegen sich leider oft nach unten“, sagt er. Viele Discounter drückten die Preise. „Das ist einfach inakzeptabel“, stellt Glaser klar. Das schwäche die Betriebe in der Region und sorge dafür, dass die Stabilität, die die Familienbetriebe derzeit noch haben, in Gefahr gerät. „Es wäre sehr zu bedauern, wenn Unternehmen aus der Corona-Krise Profit schlagen wollen und die Landwirte dadurch Schaden nehmen“, sagt er.
Für Betriebe, die nicht ausschließlich Tierhaltung betreiben, ist die Situation eine andere. Mathilde Wiest aus Goppertshofen betreibt einen Sonderkulturbetrieb mit Grünspargel, Erdbeeren und Himbeeren. „Die aktuelle Situation ist sehr angespannt“, sagt sie. Derzeit dürfen nur wenige Erntehelfer einreisen – auf die sind Betriebe wie ihrer allerdings angewiesen. Plattformen des Landes Baden-Württemberg, wie beispielsweise „Das Land hilft“, versuchen nun, Menschen aus der Bevölkerung, die wegen der Krise gerade ihrem Job nicht nachgehen können, als Erntehelfer zu gewinnen. „Es ist sehr löblich, dass sich viele Helfer anbieten, diese Lücke zu schließen. Es ist eben auch Fakt, dass die Erntearbeiten, also Spargel schneiden und Erdbeeren pflücken, eine schwere körperliche Anstrengung sind“, sagt Wiest.
Unterstützung für die Landwirte
– in Form von Erntehelfern oder finanziell – würde die Situation entlasten. „Dazu kann ich nur sagen, dass wir ,Sonderkulturer’ noch nie Unterstützung von der Regierung oder vom Landwirtschaftsamt erfahren haben“, sagt Wiest. Glaser gibt zu bedenken, dass die Wirtschaft derzeit mit viel Geld unterstützt werde. „Dabei darf man die Landwirte – besonders die kleinen Familienbetriebe – aber nicht vergessen“, mahnt er. Es müsse gewährleistet sein, dass die Betriebe erhalten werden können und sie auch die Qualität ihrer Produkte beibehalten können. „Das muss finanzierbar sein“, sagt Glaser.
Trotzdem schauen die beiden Landwirte optimistisch in die Zukunft. „Solange meine lieben Kunden mir treu bleiben, wird alles gut“, sagt Wiest. Und auch Glaser hofft, dass die Situation sich bald bessert. „Wir lernen in dieser Krise jeden Tag dazu. Und wenn es jemand durch diese Krise schafft, dann unsere Familienbetriebe“, sagt er.
Seine Kühe bekommen von diesen Sorgen nichts mit, sie fressen in aller Ruhe ihr Gras. „Das wird schon“, versucht Glaser Mut zu machen. „Und wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.“