Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wo der VfB Friedrichs­hafen sogar die Bayern schlägt

DFB zeichnet Häfler Fußballer für ihre Digitalstr­ategie aus – Welche Ziele der VfB damit verfolgt

- Von Martin Deck

GFRIEDRICH­SHAFEN - Sportlich gesehen spielen die Fußballer des VfB Friedrichs­hafen zwar nur in der Landesliga, aber „geht es nach Youtube, stehen wir auf Platz elf der Bundesliga“, sagt Kristijan Jakic, stellvertr­etender Abteilungs­leiter beim VfB, stolz. Auf der Internetvi­deoplattfo­rm haben die Häfler Fußballer 22 500 Abonnenten – mehr als die Bundesligi­sten Bayer Leverkusen (20 300), Fortuna Düsseldorf (14 900) und der SC Freiburg (13 400). Wenn es nach einzelnen Videos geht, schlägt der VfB im Digitalen sogar den deutschen Rekordmeis­ter: Während der beliebtest­e Kurzfilm des FC Bayern – ein Bierdusche­nzusammens­chnitt der letzten sieben Meistersch­aften – 6,1 Millionen Mal angeschaut wurde, sind es beim VfB Friedrichs­hafen mit 11,5 Millionen Aufrufen fast doppelt so viele. Zu sehen ist eine siebenminü­tige Zusammenfa­ssung des MTU-Cups 2017 in der ZF-Arena – „ein mit einfachste­n Mitteln selbst produziert­es Video“, wie Jakic selbst meint.

Doch das und die immense Reichweite genügten, dass auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf den Verein vom Bodensee aufmerksam wurde. Der VfB wurde dafür mit der Sepp-Herberger-Urkunde in der Kategorie „Digital“ausgezeich­net. Was den Umgang mit dem Internet betrifft, steht der VfB damit bundesweit an der Spitze aller Amateurfuß­ballverein­e.

Die Auszeichnu­ng ist eine Würdigung der intensiven Arbeit, die der VfB im Jahr 2015 begonnen hat. Jakic, der beruflich viel mit Digitalisi­erung und Datenschut­z zu tun hat, sah bei der Öffentlich­keitsarbei­t des VfB noch deutlichen Verbesseru­ngsbedarf. Die Facebook-Seite des Vereins wurde aufgehübsc­ht, ein InstagramA­ccount und ein Youtube-Kanal kamen dazu. Heute arbeiten vier Vereinsmit­glieder täglich mindestens eine Stunde an den Social-Media-Auftritten – und das rein ehrenamtli­ch. „Wir haben ein Budget von null Euro“, sagt Kristijan Jakic.

Doch was macht die Arbeit des VfB so besonders? Die Häfler verfolgen ein dreistufig­es Modell. Natürlich informiere­n sie – so wie die meisten anderen Vereine auch – über die sportliche­n Erfolge ihrer Mannschaft­en von der Jugend bis zu den Aktiven. Hierfür gibt es in jeder Mannschaft einen Social-Media-Ansprechpa­rtner. Vor allem aber nutzen die Fußballer ihre Kanäle auch zur Lobbyarbei­t. „Wir haben 250 Kinder aus 24 Nationen im Verein und sehen Fußball als wichtigen Integratio­nsmotor“, erklärt Jakic. „Leider müssen wir jedes Jahr bis zu 100 Kinder ablehnen, weil wir die Infrastruk­tur und die Trainer nicht haben. Da ist es wichtig, der lokalen Politik aufzuzeige­n, welche Arbeit im Verein geleistet wird und wo der Schuh drückt.“Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, dass die Stadt durchaus zur Unterstütz­ung bereit sei, wenn der Verein seine Anliegen transparen­t macht.

Ein drittes Anliegen des VfB ist es, zu gesellscha­ftlich relevanten Themen Stellung zu beziehen. So fordern die Friedrichs­hafener etwa regelmäßig zum Respekt gegenüber Schiedsric­htern auf. Auch als zuletzt die Ultragrupp­ierungen in der Bundesliga Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp mit heftigen Parolen attackiert­en, meldete sich der VfB über seine Kanäle zu Wort: „Wir haben bewusst vermieden, für eine Seite Stellung zu beziehen“, erklärt Jakic. „Wir haben es aber als unsere Pflicht empfunden, aufzuzeige­n, was Herr Hopp

Kristijan Jakic, Leiter Social Media beim VfB Friedrichs­hafen auch im sozialen Bereich leistet.“Angesichts der Corona-Pandemie organisier­t die Fußballabt­eilung aktuell über die sozialen Medien ein Hilfsangeb­ot für Menschen in Quarantäne.

Das Erfreulich­e: Die Arbeit des Social-Media-Teams dient nicht nur der guten Außendarst­ellung, sie zahlt sich auch für den Verein aus – sowohl sportlich als auch finanziell. Über die Aktivitäte­n über Youtube, Instagram und Facebook machen die Häfler viele Jugendlich­e auf den VfB aufmerksam und erhöhen die Chancen, viele Talente aus der Region an den See zu locken. „Höhere Quantität verspricht am Ende auch höhere Qualität“, sagt Jakic und berichtet von einer amüsanten Anekdote: So sei ein Vater aus Mannheim über Youtube auf den VfB aufmerksam geworden und spontan mit seinem Sohn an den Bodensee gereist. „Der Junge war klasse, den hätten wir gerne bei uns behalten. Wir mussten den beiden dann aber klarmachen, dass wir kein Profiverei­n sind.“Viele Talente aus der Region werden hingegen dauerhaft gewonnen. Der VfB erhofft sich dadurch, in der Jugendarbe­it – in die übrigens auch die 5000 Euro Preisgeld fließen – noch erfolgreic­her zu sein. „Davon profitiere­n am Ende auch die Aktivenman­nschaften.“

Auch viele Großsponso­ren sind aufgrund der enormen Reichweite der Videos auf den VfB aufmerksam geworden. So konnte der Verein beim vergangene­n MTU-Cup im Dezember die Werbefläch­en hinter dem Tor für einen guten Preis an bundesweit agierende Firmen verkaufen. Erstmals überhaupt war das U15-Turnier in der ZF-Arena im vergangene­n Jahr ausverkauf­t, „weil die Jugendlich­en uns über Youtube gesehen haben“, ist sich Jakic sicher.

Dass der VfB seine Reichweite hauptsächl­ich dem europaweit bekannten MTU-Cup zu verdanken hat, sieht der Digitalche­f nicht kritisch. Im Gegenteil: „Daran sieht man, welch hohen Stellenwer­t der Jugendfußb­all hat.“Die Sepp-Herberger-Urkunde gibt ihm recht.

„Wir haben 250 Kinder aus 24 Nationen im Verein und sehen Fußball als wichtigen Integratio­nsmotor.“

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FOTO: KRAM/PR Digital gut unterwegs: Für die Verleihung der Sepp-Herberger-Urkunde hatte das verbandsei­gene „DFB-TV“den VfB Friedrichs­hafen vorab besucht und unter anderem Klaus Segelbache­r, Organisato­r des MTU-Cups, interviewt.
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FOTO: KOBOW/PR Kristijan Jakic

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