Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Eine Oase für Fernfahrer errichten
Arbeiten für den Bau des Lkw-Autohofs an der B 311 in Riedlingen-Neufra haben begonnen – Dort entstehen rund 140 Stellplätze
GRIEDLINGEN/HERBERTINGEN - Der Boden erzittert, als ein Bagger auf der frisch aufgeschütteten Trasse zurücksetzt, um die nächste Ladung Erde zu verteilen. Im Zehn-MinutenTakt treffen Lastwagen auf dem großen Grundstück des Gewerbegebiets Neufra an der Bundesstraße 311 ein. Es tut sich etwas auf dem Gelände, das jahrelang in einem Dornröschenschlaf lag. Anfang März haben die Bauarbeiten zur Erschließung des Areals begonnen. Dort wird das Bauunternehmen Beller bis 2021 ein Gewerbegebiet auf dem südlichen Teil entwickeln. Auf den nördlichen 4,3 Hektar entsteht vermutlich bis 2023 ein Lkw-Autohof. Gekauft hat das insgesamt 6,5 Hektar große Grundstück das Bauunternehmen Beller aus Herbertingen. „Wir treiben dieses Projekt leidenschaftlich voran und betrachten es als ein langfristiges Vorhaben“, sagt Winfried Beller, Geschäftsführer der Beller GmbH & Co. KG, lächelnd. Denn rund zwei Jahre nach der ersten Idee, Autohof und Gewerbegebiet zu errichten, ist es nun endlich zum Baustart des eigentlichen Vorhabens gekommen.
Als im Mai 2019 der offizielle Spatenstich in Neufra in Gegenwart des Tübinger Regierungspräsidenten Klaus Tappeser und Riedlingens Bürgermeister Marcus Schafft erfolgte, war klar, dass Winfried Beller eine Menge Auflagen erfüllen musste, bevor er die Bagger auffahren lassen durfte. Schließlich gilt das Gewerbeund Industriegebiet Neufra als Überschwemmungsgebiet der Donau. Als Ausgleich für die Baufläche in Neufra musste Beller zunächst rund 3,3 Hektar Land am Rande der Donau in ein Überflutungsgebiet verwandeln, sogenannte Retentionsflächen. Da Beller eigene Grundstücke in Hundersingen donauaufwärts besitzt und die Stadt Riedlingen sowie der Landesbetrieb Gewässer dafür noch weiteren Grund und Boden bereitstellten, konnte er das Projekt im Laufe des vergangenen Jahres abschließen. In Hundersingen entstand zum Beispiel eine extensiv bewirtschaftete Flachlandmähwiese. „Wir haben 3000 Lkw-Ladungen Donau-Kies abtransportiert und die Retentionsflächen renaturiert. Ein Teil des Kieses wird benutzt, um den Autohof zu erschließen“, erklärt Winfried Beller. Insgesamt habe sein Unternehmen rund 30 000 Kubikmeter Erde und Kies bewegt. Da Beller sämtliche Auflagen des Regierungspräsidiums erfüllt hat, darf er nun das 6,5 Hektar große Grundstück in Neufra erschließen: Das heißt, er baut Ab- und Zuwasserrohre, Gasleitungen und verlegt Kabel für Elektrizität und schnelles Internet. Zehn Mitarbeiter arbeiten derzeit auf der Fläche in Neufra. Der Vorteil für das Unternehmen ist, dass es ein Großteil der Arbeiten in Eigenleistung erstellt, zumal Beller viel Erfahrung mit solchen Infrastrukturvorhaben hat. Zugleich lobt er auch die enge und gute Zusammenarbeit mit der Stadt Riedlingen und den Behörden.
Bevor der Autohof komplett entwickelt wird, will Winfried Beller erst das kleine Gewerbegebiet bis zum Jahr 2021 fertigstellen. „Wir werden die jeweiligen Grundstücke an Unternehmen verkaufen, die sich dort ansiedeln wollen. Derzeit arbeiten wir mit einem Makler zusammen. Wir haben sehr konkrete Anfragen aus dem Bereich Handwerk und Dienstleistungen“, sagt Winfried Beller. Er gibt sich optimistisch, dass sein Konzept aufgeht.
Im nächsten Schritt soll schließlich der Autohof gebaut werden. Beller will dafür Wasser, Strom, Straßen und Parkplätze bereitstellen. Ein Tankstellenbetreiber soll den Autohof errichten, einschließlich Tankstelle, Duschen, Toiletten, gegebenenfalls ein Restaurant und Hotel. Der Unternehmer verhandelt derzeit mit einem namhaften Anbieter. „Bis zum Sommer 2020 soll die Erschließung der Gewerbefläche abgeschlossen sein, dann beginnt die nächste Phase beim Bau des Autohofs“, sagt er. Die Fläche des Autohofs will er verpachten. Zugleich möchte er sich um Fördergeld des Landes bewerben, das für solche Autohof-Projekte angeboten wird. Der Unternehmer aus Herbertingen macht keinen Hehl daraus, dass er in Neufra Geld verdienen will. Ihm geht es aber auch darum, Lastkraftfahrern ein Angebot für Pausen und gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten anzubieten.
„Lkw sollen hier kostenlos parken können“, betont er. Gebühren, wie sie an vielen Lkw-Rastplätzen erhoben werden, lehnt er ab. Das dürfte die Vereinigung deutscher Autohöfe VEDA gerne hören. Sie kritisiert solche sogenannten Schutzgebühren und weist auf den Mangel von 30 000 Stellplätzen für Lkw pro Nacht hin. Insbesondere an Bundesstraßen fehlten solche Angebote. „Mit einem Frequenzbringer können Autohof-Betreiber die Wertschöpfung erhöhen“, sagt Alexander Quabach, ein Sprecher der Vereinigung deutscher Autohöfe, wissend, dass Autobahnen deutlich mehr Lastkraftfahrer an Autohöfe lockten als Bundesstraßen.
Der Autohof Neufra wäre erst der zweite Lkw-Autohof an einer Bundesstraße im Süden Baden-Württembergs – er könnte daher eine Oase für Fernfahrer werden. Im Juli 2019 eröffnete in Rötenbach an der Bundesstraße 31 ein Lkw-Autohof seine Pforten mit 40 Stellplätzen. Winfried Beller hat die Angebotslücke erkannt und wittert gute Nachfrage. Etwa 2000 Laster führen täglich auf der Bundesstraße 311 bei Neufra entlang, sagt er. „Auch wenn der Autohof betriebswirtschaftlich vielleicht anfangs kein Reißer sein sollte, gibt es einen Notstand in Bezug auf Lkw-Rastplätze.“Beller kennt die Lebenswelt seiner Lastkraftfahrer und weiß um deren Probleme: Manchmal gehe es lediglich darum, einen Parkplatz für eine Pause zu finden. „Deshalb betrachte ich das Projekt des Autohofs langfristig.“