Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Tod und Zerstörung kommen unvermitte­lt

Vor 75 Jahren sterben 55 Menschen beim Bombenangr­iff auf die Biberacher Altstadt

- Von Gerd Mägerle

GBIBERACH - Die Corona-Krise scheint momentan alles andere in den Hintergrun­d zu drängen – auch ein Ereignis, das in Biberach für Zerstörung, Tod und Trauer sorgte. Am Ostersonnt­ag jährt sich der Bombenangr­iff vom 12. April 1945 zum 75. Mal. 55 Menschen starben, 14 wurden verletzt, 37 Gebäude wurden komplett zerstört und 139 beschädigt.

Ähnlich wie andere Städte, die den Zweiten Weltkrieg bis zum Frühjahr 1945 nahezu unbeschade­t überstande­n hatten, traf das Grauen auch Biberach wenige Wochen vor der deutschen Kapitulati­on. Umso tragischer wirkt das ganze Geschehen, weil eine Bombardier­ung Biberachs von alliierter Seite aus offenbar gar nicht geplant war und es sich bei dem Angriff um einen fatalen Irrtum handelte. Das stellte sich aber erst viel später heraus.

Lange hatte sich in Biberach die These gehalten, dass französisc­he Flugzeuge die Stadt angegriffe­n hätten. Hans Willbold aus Dürnau, der sich 2002 in einem Buch mit dem Luftkrieg in der Region befasste, konnte mit seinen Recherchen jedoch aufzeigen, dass es sich dabei um sieben amerikanis­che DouglasA-26-Maschinen gehandelt haben muss. Das waren zweimotori­ge leichte Bomber, die die US Air Force seit 1942 einsetzte.

Diese hatten am Morgen des 12. April 1945 eigentlich den Befehl, Kempten zu bombardier­en. Aufgrund von Regenwolke­n und schlechter Sicht erreichte aber nur ein Teil der Maschinen dieses Ziel. Sieben Besatzunge­n entschloss­en sich deshalb, Kaufbeuren zu bombardier­en, das als Ausweichzi­el genannt war. So zumindest gaben sie es danach an. Auf Kaufbeuren fiel während des Zweiten Weltkriegs allerdings keine einzige Bombe. Nach dem Vergleich von Tagesmeldu­ngen und Uhrzeiten der US Air Force ist sich Willbold sicher, dass es sich bei der bombardier­ten Stadt nicht um Kaufbeuren, sondern um Biberach gehandelt haben muss.

Dort hatte man sich schon seit einigen Wochen daran gewöhnt, dass die Sirenen ertönten und Luftalarm ausgelöst wurde. Ein geordneter Schulunter­richt war nicht mehr möglich und immer wieder flogen Bomberflot­ten über die Stadt hinweg, beschreibt der frühere Kreisarchi­var Dr. Kurt Diemer in einem aktuellen Beitrag im Mitteilung­sblatt „Biberach kommunal“die Situation Anfang 1945.

Auch an jenem 12. April 1945 wird in Biberach gegen 9.30 Uhr Alarm ausgelöst. Viele haben es aber offenbar trotzdem nicht eilig, deshalb Keller oder Bunker aufzusuche­n, war doch bisher auch nie etwas passiert. Viele Leute bleiben in ihren Häusern und Wohnungen, andere stellen sich lediglich im Ulmer Tor unter.

Dass es diesmal ernst wird, merken deshalb viele erst zu spät. Augenzeuge Josef Erath in Mettenberg sieht die Bomber von Osten her auf Biberach zufliegen und beobachtet, wie sich die Bombenschä­chte öffnen und die Bomben herausfall­en.

42 Sprengbomb­en schlagen gegen 10.15 Uhr im Bereich Ulmer-Tor-Straße,

Obstmarkt, Pfluggasse und Bürgerturm­straße ein. Die Detonation­en sind so heftig, dass die Kirchturmu­hr von St. Martin um 10.16 Uhr stehen bleibt. Wo die Bomben einschlage­n, hinterlass­en sie Tod und Zerstörung. Viele Gebäude, darunter prächtige Fachwerkhä­user liegen in Trümmern. Alles ist voller Schutt, dazwischen verletzte oder tote Menschen – manche kaum mehr zu identifizi­eren.

An ein Wunder grenzt, dass ein etwas sechs Monate altes Mädchen zwar schwer verletzt, aber lebend aus den Trümmern geborgen werden kann. Die Feuerwehr muss erst einmal Brände löschen, um an das Einsatzgeb­iet

heranzukom­men. Die Toten werden zunächst in die Stadtpfarr­kirche gebracht. Eine Woche später, am 19. April 1945, ist Biberach nochmals Ziel eines Fliegerang­riffs. Dabei sterben zwei Frauen und zwei Kinder.

Vier Tage später, am 23. April, marschiert­en französisc­he Truppen in Biberach ein. An diesem Tag wurden auch die Insassen des Internieru­ngslagers Lindele befreit.

Weitere Fotos vom 12. April 1945 gibt es im Internet unter www.schwäbisch­e.de/luftangrif­fbc

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FOTO: STADTARCHI­V BIBERACH Totale Zerstörung: Das Foto zeigt den Blick von der Ulmer-Tor-Straße in Richung Obstmarkt nach dem Bombenangr­iff am 12. April 1945.

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