Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Land fährt wieder hoch
In Österreich dürfen kleinere Geschäfte und Baumärkte nun öffnen – Mund-Nasen-Schutz hat sich etabliert
WIEN (dpa) - Es ist der Traum des Geschäftsmanns – und möglicherweise der Alptraum einiger Virologen: Vor manchem Bau- und Gartenmarkt in Österreich bildete sich am Dienstag eine lange Schlange von Kunden. Auf der Suche nach Pflanzen, Blumenerde, Schrauben und Farbe wollten die Österreicher nicht mehr warten und nutzten in der Corona-Krise gleich Tag eins der Wiederöffnung vieler Geschäfte. Das Wichtigste dabei: Es ging augenscheinlich diszipliniert zu, die Hygieneund Abstandsregeln wurden eingehalten. Und auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab sich eher gelassen. Damit habe er gerechnet und er vertraue weiter darauf, dass die Bürger beim Einkaufen den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz trügen und die Geschäfte nicht mehr Kunden als erlaubt Zutritt gewährten. Generell stellte der Regierungschef fest: „Wir sind auf Kurs.“
Mit der Öffnung der kleinen Läden unter 400 Quadratmetern Verkaufsfläche sowie der Bau- und Gartenmärkte tastet sich Österreich seit Dienstag als eines der ersten Länder in Europa an die „neue Normalität“heran, wie Kurz den künftigen Zustand umschreibt. Unter anderem
Für akute Fälle sind solche Tests ungeeignet, da ein Infizierter frühestens nach einer Woche, zumeist aber etwa nach zwei Wochen Antikörper bilde. Bei zwei von neun Patienten im frühen Webasto-Fall, die zu den ersten Infizierten in Deutschland gehörten, hat man festgestellt, dass die Antikörperkonzentration bereits wieder abnimmt.
Und von anderen Coronaviren weiß man, dass sich Infizierte nach einigen Jahre erneut mit dem Virus infizieren können. Wieler sagt denn auch: „Wir wissen nicht, wie stark die Immunität ist“. Antikörper müssten nicht unbedingt etwas über die Immunität aussagen. Auch die Zahl
Buchläden, Parfümerien, Boutiquen, Optikern sowie Uhren- und Schmuckgeschäften war es wieder erlaubt, Umsatz zu machen. Von der ersten Stufe der Lockerungen können fast 80 Prozent der Einzelhändler profitieren. Es gilt das Gebot: Nur ein Kunde pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche. Sind es mehr, müssen sie draußen warten.
Das Tragen des Mund-NasenSchutzes – erlaubt sind auch Schals oder Tücher – hat sich binnen kürzester Zeit in der Alpenrepublik etabliert. Zwar sind die Masken kein Schutz gegen Ansteckung, sie reduzieren der Tests, die zeigen, wer aktuell infiziert ist, soll gesteigert werden – das fordern RKI, Bundesinnenministerium oder Bundesärztekammer. Allerdings ist laut Wieler die erreichte Testkapazität von 100 000 pro Tag gar nicht ausgelastet.
Eine Begründung, die man etwa von Evangelos Kotsopoulos vom Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin oder auch vom Virologen Christian Drosten von der Charité hört: Es mangelt an für die Tests nötigem Material. Es gibt weltweit nur sechs größere Lieferanten dafür, angesichts der Corona-Ausbreitung ist, ähnlich wie bei Schutzbekleidung, ein Kampf um die knappen aber die Gefahr, dass ein Infizierter seine Viren verbreitet. Sie müssen nun auch in allen öffentlichen Verkehrsmitteln getragen werden. Wer mit dem Zug fährt, muss seine eigene Maske schon dabei haben. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) verkaufen jedenfalls keinen Mund-Nasen-Schutz in den Zügen.
Weiterhin gilt laut Kurz die Maßgabe: „So viel Freiheit wie möglich, so viele Einschränkungen wie notwendig.“Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte, dass der Anstieg bei den bestätigten Erzeugnisse entbrannt. Zudem gilt weiterhin: Es gibt noch immer
keine Medikamente und keinen Impfstoff,
auch wenn weltweit unter Hochdruck an beidem geforscht wird. Laut dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sind binnen kurzer Frist global 77 Impfstoffprojekte angelaufen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt derzeit 70. Wann daraus aber ein Erfolg wird, ist völlig unklar. Immer wieder mal heißt es, dass im Herbst oder zum Jahresende ein Impfstoff zur Verfügung stehen könnte. Die US-Biotech-Firma Moderna gilt als einer der Hoffnungsträger bei der Entwicklung eines Impfstoffs, denn sie hat bereits mit klinischen Tests begonnen. Aber auch Moderna erklärt, dass bei einem positiven Testverlauf das Mittel erst in zwölf bis 18 Monaten auf den Weltmarkt gebracht werden könnte.
Auch die passende Therapie gibt es noch nicht. Wer schwer erkrankt ist, für den stehen etwa nur fiebersenkende Mittel oder Sauerstoffgabe zur Verfügung. Ein Mittel gegen das Virus aber braucht Zeit. Denn mit dem Entwickeln ist es nicht getan. Es müssen Wirksamkeit, Verträglichkeit, technische Qualität nachgewiesen werden. Ist eine Arznei für eine andere Anwendung zugelassen, sind Verträglichkeit und Qualität bereits dokumentiert. Dann fehlt noch der Nachweis, dass das Mittel gegen das neue Coronavirus wirkt.
Vieles also rund um Sars-CoV-2 ist unklar. Oder wie es Lothar Wieler sagt: „Wir lernen täglich dazu.“Das macht es der Politik nicht leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Fällen seit zehn Tagen weniger als drei Prozent pro Tag betrage. Zuletzt lag die Wachstumsrate bei nur 0,8 Prozent, sagte Anschober. Die Zahl der Infizierten verdopple sich nun erst alle 39 Tage. Außerdem sind die Kapazitäten der Kliniken zur Behandlung auch schwerer Fälle der Lungenkrankheit Covid-19 bei Weitem nicht ausgereizt.
Insgesamt unterstreichen die Zahlen, dass Österreich gerade im internationalen Vergleich bisher ohne die befürchteten Worst-Case-Szenarien durch die Corona-Krise gekommen ist. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens mit der Schließung fast aller Geschäfte bereits Mitte März zeige die erhoffte Wirkung, heißt es von der Regierung. Es sei auch auffällig gewesen, dass sich die Österreicher selbst beim Traumwetter über Ostern kaum zu Ausflügen oder gar Besuchen von Verwandten hätten verleiten lassen.
Alle weiteren Geschäfte sollen am 2. Mai öffnen, so ist es zumindest geplant. Ab Mitte Mai können laut aktuellem Fahrplan möglicherweise auch Restaurants und Lokale wieder Gäste empfangen. Die Regierung behält sich aber vor, bei Bedarf jederzeit die Notbremse zu ziehen.
Leider noch viel zu wenig. Es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten einer Erklärung. Eine triviale Ursache wäre, dass die Tests bei einer der beiden virologischen Diagnosen falsch-positiv waren, das heißt, dass eine Diagnose nicht stimmt. Dies ist bei so umfangreicher Massentestung mit der für Kontamination äußerst empfindlichen PCR-Methode durchaus denkbar. Es ist auch denkbar, dass einzelne Personen, zum Beispiel Menschen mit Immundefekten, trotz Infektion keinen ausreichenden Immunschutz gebildet haben. Hier wäre es wichtig zu wissen, ob die Betroffenen nach der ersten Infektion Antikörper und/oder spezifische T-Lymphozyten gebildet hatten. Es ist weiter möglich, dass die Betroffenen noch vermehrungsfähiges Virus in sich trugen, und die Infektion erneut „aufgeflammt“ist. Hier wäre es entscheidend zu wissen, in welchem zeitlichen Abstand die Infektionen oder Erkrankungen stattfanden. Die genaue Unterscheidung zwischen erneuter Infektion und erneuter Erkrankung ist ganz wichtig, denn erneute „harmlose“, kurze Infektion, aber ohne Erkrankung, gibt es durchaus auch bei anderen Virusinfektionen. Eine erneute Infektion mit einem Virus, das so mutiert ist, dass sich die für den Immunschutz relevanten Virus-Antigene so stark verändert haben, dass zuvor gebildete Antikörper nicht mehr schützen, ist theoretisch nicht unmöglich, aber ich halte es persönlich derzeit für extrem unwahrscheinlich. Hierzu müsste man Viren aus erster und zweiter Infektion molekulargenetisch vergleichen. Bislang spricht weiter sehr viel dafür, dass eine durchgemachte Infektion Immunität hinterlässt, wie in dieser Kolumne schon gesagt. Wie lange diese Immunität anhält, lässt sich derzeit von niemandem beantworten. Aus immunologischen Untersuchungen, die bei Patienten einige Jahre nach Infektion mit Sars-CoV-1 durchgeführt wurden, schließt man, dass die Immunität ein bis zwei Jahre anhält.
Falls es keine Immunität geben würde: Was würde das für etwaige Maßnahmen bedeuten?
Derzeit gibt es keinen Grund zur Sorge vor einem solchen Szenario. Es würde sicher eine sehr ernste Situation bedeuten, da man sich weder auf Immunität des Einzelnen, noch auf Gemeinschaftsimmunität (Herdenschutz), noch unter Umständen auf einen Schutz durch Impfung verlassen könnte. Was das für „etwaige Maßnahmen“bedeuten würde, vermag im Augenblick wohl niemand zu sagen, aber man müsste dann ganz auf den Schutz von Risikogruppen und auf Therapie setzen.
Wie wahrscheinlich sind Mutationen bei Sars-CoV-2?
Mutationen treten immer auf und bei RNA-Viren mehr als bei DNA-Viren. Wie bereits früher an dieser Stelle gesagt, wird die Situation bei Coronaviren eher günstig eingeschätzt. Es geht ja auch nicht um Mutationen allgemein, sondern solche, die zu einer sehr grundlegenden Veränderung der Virusproteine (Antigene, s. o.) führen, was schon viel weniger wahrscheinlich ist.