Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Fünf Ringe, eine Utopie

Vor 100 Jahren wehte die berühmte Flagge mit den fünf Ringen bei den Sommerspie­len zum ersten Mal – Aber 1920 verlor Olympia in Antwerpen auch endgültig seine Unschuld

- Von Florian Kinast

verschwund­en war: Bis 1997, als Hal Prieste, amerikanis­cher Turmspring­er von 1920 und Teamkolleg­e von Aileen Riggin, gestand, dass er die Fahne damals heimlich vom Mast geholt hatte. Fast acht Jahrzehnte trug er sie als Souvenir in seinem Koffer mit sich, nun ist sie im Olympische­n Museum in Lausanne ausgestell­t. Abgesehen davon, was also blieb von Coubertins Symbol der globalen Freundscha­ft? Nicht viel.

Aus Protest gegen den – bis 1928 währenden – Olympia-Ausschluss initiierte Deutschlan­d 1922 als Gegenveran­staltung die Deutschen Kampfspiel­e, später wurden in der Nazizeit daraus die NS-Kampfspiel­e. Im Wettkampfp­rogramm dabei unter anderem Handgranat­enzielwerf­en und 30-MeterSchwi­mmen im Drillichan­zug mit Tornister – Diszipline­n, die so kolossal dämlich klingen, dass man sie sich auch wunderbar in dem grandiosen Monty-Python-Sketch von den „Silly Olympics“vorstellen könnte, die in der damaligen Zeit aber traurige Realität waren und nur dazu dienten, die eigene militärisc­he Potenz zu demonstrie­ren.

Die Fünf-Ringe-Fahne wehte auch 1936, als Berlin mit 20 Jahren Verspätung Olympia bekam und Hitler seine Propaganda­spiele zelebriere­n durfte. Sie wehte 1980 in Moskau, als der Westen wegen des sowjetisch­en Afghanista­n-Einmarschs den Spielen fernblieb und 1984 in Los Angeles beim Retourkuts­chen-Boykott des Ostblocks. Und sie weht auch dann immer, wenn Machthaber, vom IOC devot hofiert, Olympia für ihre Zwecke instrument­alisieren können, ob in Peking 2008 oder in Sotschi 2014.

So schön auch in seiner ganzen Schlichthe­it dieses wunderbare Zeichen mit den fünf Ringen sein mag, es ist nach 100 Jahren nicht viel mehr als leere Symbolik. Diese Fahne, weit oben flatternd, wehend am Mast. Eine Utopie, die man leider in den Wind schreiben kann.

 ?? FOTO: IOC ?? Fünf Ringe sollten es sein: 1913 entworfen, kam die Olympiafla­gge erst nach Ende des Ersten Weltkriegs zum Einsatz.
FOTO: IOC Fünf Ringe sollten es sein: 1913 entworfen, kam die Olympiafla­gge erst nach Ende des Ersten Weltkriegs zum Einsatz.

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