Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bomber und Jäger versetzen den finalen Schlag
Am 20. April 1945 wurde der Flugplatz Laupheim letztmals bombardiert – Drei Tage später nahmen französische Soldaten die Stadt ein
GLAUPHEIM - Dieser Tag ist Erika Stückle (1920 - 2019) zeitlebens im Gedächtnis haften geblieben. 20. April 1945, heute vor 75 Jahren: Das Ende des von Hitler entfesselten Krieges ist nah. Die junge Frau aus Breslau arbeitet damals als Luftwaffenhelferin auf dem Flugplatz Laupheim. Sie erlebt den letzten Luftangriff der Alliierten auf den Stützpunkt – und überlebt nur knapp. Ihre Erinnerungen hat sie im hohen Alter zu Papier gebracht. Satzfetzen, wie dahingehämmert, unterstreichen die Dramatik des Augenblicks.
Es ist Mittagszeit, ein frühlingshafter Tag. Erika Stückle steht mit anderen vor einer Baracke. „Plötzlich kamen zwei Ami-Jagdbomber auf uns zugeschossen – draußen keine Löcher – keine Deckungsmöglichkeit – Felder um die Jahreszeit noch recht kahl – rein in die Baracke – ins nächstliegende Zimmer – ein Bett mit zig aufgestellten Gasmasken – darunter hauen – plötzlich haut sich noch einer neben mich – er hat gar nicht gemerkt, dass da schon jemand ist – die Maschinengewehre der Flugzeuge rattern und rattern – Denken setzt aus – plötzlich kommt etwas Helles angesaust – der Soldat neben mir zuckt zusammen – ganz feine Splitter spritzen in seinem Gesicht herum.“Eine Kugel hat den Oberschenkel durchschlagen.
Im Flur ruft eine Funkerin: „Ich habe einen Bauchschuss.“Erika Stückle und eine andere Frau wollen die Verletzte bergen. Doch da rollt schon die nächste Angriffswelle, und „meine Mithelferin geht langsam zu Boden und ihr Kopf hat nur ein großes Loch“. Sie stirbt in Stückles Armen.
Der Flugplatz war zuvor bereits mehrfach bombardiert worden. Im April 1944 hatten amerikanische Aufklärer die Gegend erkundet. „Der erste Angriff erfolgte am 19. Juli 1944“, weiß Günter Scharnagl, Oberstabsfeldwebel der Reserve und seit Jahren mit dem Aufbau einer militärgeschichtlichen Sammlung am Bundeswehrstandort Laupheim befasst. 45 amerikanische Bomber vom Typ B-24 „Liberator“werfen 115 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab, Jagdflieger feuern im Tiefflug aus ihren Bordkanonen. Die Schäden auf dem Flugplatz und in der Umgebung sind beträchtlich.
Am 31. Juli attackieren elf „Mustang“-Jagdbomber den Platz mit Bordwaffen. Sie fliegen nur wenige Meter über der Grasnarbe. Am 9. August beschießen Begleitjäger eines amerikanischen Bomberverbands, der auf Ulm zuhält, die Gebäude und die Start- und Landebahn. Am 17. Oktober,
26. November und 11. Dezem- ber nehmen erneut Bomber und Jagdflugzeuge Kurs auf den Bastel- wald, und dann wiederholt im April 1945, wenige Tage vor der deutschen Kapitulation.
„Der letzte, besonders gründliche Angriff am 20. April war akribisch vorbereitet und galt allein dem Flugplatz, wie man aus dem Angriffsplan ersehen kann“, erklärt Günter Scharnagl. Der Plan ist auf einem Luftbild eingezeichnet, aufgenommen von einem Aufklärer aus etwa 4000 Meter Höhe. Die Vorwarnzeit war sehr kurz und Gegenwehr nicht mehr möglich, weil es keine Flugabwehr mehr vor Ort gab und kein Flugbenzin.
Französische Einheiten führen den vernichtenden Schlag. Den Anfang machen „Spitfires“, mit ihren Bordwaffen zersieben sie die Liegenschaften. Danach rücken etwa 30 Maschinen des Typs B 26 „Marauder“an und werfen eine Unzahl an Splitterbomben ab. Ihnen folgen wiederum die „Spitfires“, alles in Deckung zwingend. Der zweite „Marauder“-Pulk mit 27 Maschinen kann seine Bombenlast ungehindert abwerfen. Den Schluss machen die Begleitjäger mit einer dritten Welle, im Tiefflug.
Ein Aufklärer hat den Angriff dokumentiert, auch davon gibt es Originalaufnahmen in der militärgeschichtlichen Sammlung. „Aufgrund der genauen Zielführung waren weder Laupheim noch die umliegenden Gemeinden in größerem Umfang betroffen“, sagt Günter Scharnagl. In Laupheim fing eine Scheune in der Langgass’ Feuer.
Für die Laupheimer endet der Krieg drei Tage später, am 23. April. Gut zwei Wochen vor der deutschen Kapitulation, die auch die Befreiung vom mörderischen NS-Regime bedeutet, marschieren französische Truppen in die Stadt ein, Soldaten des 6. Regiments der Chasseurs d’Afrique. Ihre Panzer rasseln die Betonpiste vom bereits besetzten Flugplatz herunter. Gegen 18 Uhr sind sie da, stürmen die Häuser, um nach deutschen Soldaten zu suchen und sie gefangen zu nehmen. Die Einheimischen haben sich angsterfüllt in die Keller verkrochen. Es wird kein Widerstand mehr geleistet.
Noch am Morgen hatte ein Vertreter der NS-Kreisleitung gefordert, Laupheim müsse zur Festung ausgebaut und unter allen Umständen verteidigt werden. Einer der beiden Ortsgruppenleiter setzte durch, dass bereits beseitigte Panzersperren wieder errichtet wurden. Sie standen allerdings nur noch ein paar Stunden. Bis zum Mittag hatten die meisten Männer des Volkssturms ihre Stellungen verlassen, „tatkräftig bearbeitet“von Laupheimer Frauen, wie ein Chronist notierte.