Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wieder mehr Leben in der Innenstadt

Viele Einzelhänd­ler freut’s, die Betreiber großer Geschäfte aber sehen sich benachteil­igt

- Von Roland Ray

GLAUPHEIM - So voll wie zu normalen Zeiten ist es am Montag im Laupheimer Stadtzentr­um nicht gewesen. Es herrschte aber doch deutlich mehr Betrieb als in den vergangene­n Wochen, als wegen der Corona-Pandemie die meisten Geschäfte geschlosse­n bleiben mussten.

Jetzt dürfen Geschäfte mit weniger als 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche wieder öffnen, darauf hatten sich Bund und Länder vorige Woche geeinigt. Das freut auch Laupheims Einzelhänd­ler und nicht zuletzt ihre Kunden, von denen immer mehr mit Mundschutz unterwegs sind.

Sicherheit ist Trumpf – das gilt auch für die strikten Abstands- und Hygienereg­eln, für welche die Ladenbetre­iber Sorge tragen müssen. Mitarbeite­r des städtische­n Ordnungsam­ts haben am Montag kontrollie­rt und werden das nach den Worten von Oberbürger­meister Gerold Rechle regelmäßig tun. Erster Eindruck: „Unsere Einzelhänd­ler haben sich sehr gut auf die Vorgaben vorbereite­t.“

Weiter geschlosse­n bleiben müssen, bis auf wenige Branchen, Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. In der Laupheimer Innenstadt betrifft dies Möbel Mock und das größere der beiden Hofmann-Modehäuser. Die Inhaber sehen sich benachteil­igt und sprechen von einer Wettbewerb­sverzerrun­g. OB Gerold Rechle, der Biberacher CDU-Landtagsab­geordnete Thomas Dörflinger und der Wirtschaft­sverband BDS springen ihnen bei und wollen erreichen, dass die Landesregi­erung nachjustie­rt.

Kurt Hofmann hatte gehofft, dass Baden-Württember­g es wie andere Bundesländ­er hält – dort dürfen große Geschäfte wenigstens auf 800 Quadratmet­er Fläche verkaufen. Das Modehaus in der Mittelstra­ße 12 hat 1200 Quadratmet­er. „Wir wollten zwei Ebenen absperren und vorläufig nur das Erdgeschos­s öffnen, das sind etwa 700 Quadratmet­er“, sagt Kurt Hofmann. „Bis Samstag haben wir gehofft, dass das möglich ist, doch dem war leider nicht so. Es war alles vorbereite­t – Abstandsma­rkierungen, Spuckschut­z im Kassenbere­ich, Desinfekti­onsmittel, Mundschutz für die Mitarbeite­r –, aber wir haben keine Genehmigun­g erhalten.“

Das könne er nicht nachvollzi­ehen, sagt Hofmann, zumal doch genügend Platz in seinem Laden vorhanden sei, um die Abstandsre­geln einzuhalte­n. „Da steckt keine Logik dahinter. Es wird nicht genügend differenzi­ert.“Es verzerre den Wettbewerb, wenn kleinere Mitbewerbe­r verkaufen dürften und Einkaufsze­ntren wieder aufsperren, weil die Läden dort als rechtlich selbststän­dige Einheiten betrachtet werden. Überdies: „Der Online-Handel verkauft Tag und Nacht, und wir sind gebunden!“

Immerhin: Im „H2“, dem knapp 400 Quadratmet­er großen zweiten Hofmann-Haus in der Mittelstra­ße 4, darf seit Montag wieder verkauft werden, ebenso in den Hofmann-Geschäften in Ehingen. Und das „H2“bietet jetzt einen speziellen Service: Die Kunden können sich aus dem Sortiment im Haupthaus eine Auswahl zusammenst­ellen und herüberbri­ngen lassen – „das ist in fünf Minuten passiert. Übrigens auch für die Herren der Schöpfung, wiewohl das „H2“sonst nur Damenmode führt.

Eitel Sonnensche­in ist die Lage nicht: „Wir bekommen jetzt die bereits in 2019 bestellte Hochsommer­ware geliefert, und auch die Aufträge für die Herbst- und Wintersais­on sind schon platziert“, berichtet Kurt Hofmann. Die Ware müsse bezahlt werden. Und auch an der Kurzarbeit müsse man einstweile­n festhalten.

1600 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche hat das Möbel- und Einrichtun­gshaus Mock. „Wir wollten nur das Erdgeschos­s und das erste Obergescho­ss öffnen, das sind weniger als 800 Quadratmet­er“,

sagt Regina Mock. „Wo ist das Problem?“Doch die aktuellen Vorgaben erlauben keinen Betrieb von Teilfläche­n, was sie erbost: „Das ist einfach nur unfair, das geht so nicht. Dafür habe ich null Verständni­s.“In ihrem Fachgeschä­ft ließen sich Kundenströ­me ungleich besser steuern als anderswo, sagt Mock, zum einen, weil es geräumig sei, und weil viele ihrer Kunden nach vorheriger Terminabsp­rache kommen. „Ich bin doch kein Ikea, wo man auch zum Spaß und zum Essen hingeht.“

OB Gerold Rechle teilt die Argumentat­ion von Hofmann und Mock. „Ich halte das für Wettbewerb­sverzerrun­g, zumal andere Bundesländ­er die 800-Quadratmet­er-Regel so auslegen, dass Teilfläche­n betrieben werden dürfen.“Auch könne es in größeren Geschäften vom vorhandene­n Platz her leichter sein, die Kunden so zu lenken, dass die nötigen Sicherheit­sabstände eingehalte­n werden. „Ich möchte keine zusätzlich­en Gefahrenqu­ellen schaffen“, betont Rechle. Sofern aber strikt auf den Schutz der Menschen geachtet werde, sei Gleichbeha­ndlung geboten. Über den Abgeordnet­en Dörflinger, den OB-Sprengel und den Städtetag versuche er auf eine Nachjustie­rung hinzuwirke­n.

Auch Thomas Dörflinger ist unzufriede­n mit der jetzigen Lösung. Klar sei, „dass der Gesundheit­sschutz oberste Priorität hat. Aber so, wie es jetzt ist, ist es nicht logisch, rechtlich schräg und ein unnötiger Eingriff in den Wettbewerb. Bisher waren alle Händler im selben Boot.“

Bei einem Gespräch mit Ministerpr­äsident Kretschman­n wolle die CDU-Landtagsfr­aktion heute versuchen, eine Änderung zu erreichen, die jedem Händler 800 Quadratmet­er zugesteht – „mit hohen Ansprüchen an den Gesundheit­sschutz“. Die Mehrzahl der Bundesländ­er handhabe die 800-Quadraterm­eterRegel anders und gestatte Teilöffnun­gen. Dörflinger betont, dass die Corona-Verordnung des Landes reines Regierungs­handeln sei, „da haben wir kein Stimmrecht“. Mehr Ausgewogen­heit tue Not: Manche hätten, was die Besucherst­röme anlangt, „zu sehr Ikea und die Königstraß­e in Stuttgart im Kopf und zu wenig die Gegebenhei­ten im Kreis Biberach“.

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Ein Bild wie seit Wochen nicht: Passanten in der Innenstadt, Ständer mit Waren auf dem Trottoir.
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Bestimmt aber pfiffig weisen die Geschäftsl­eute auf die Abstandsre­geln hin.

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