Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bauplatznachfrage möglicherweise vorbei
Maselheims Bürgermeister über Auswirkungen von Corona auf Finanzen und Baugebiete
MASELHEIM - Wirtschaftswissenschaftler sagen für dieses Jahr einen Rückgang des Wachstums von 4,2 Prozent voraus, manche gehen sogar von einem Minus von bis zu 20 Prozent aus. Was heißt das für die Finanzlage der Gemeinde? Und wie reagiert diese? Birgit van Laak sprach mit Maselheims Bürgermeister Elmar Braun.
Herr Braun, korrigieren Sie gerade die Haushaltsansätze nach unten?
In Maselheim haben wir viele Handwerksbetriebe. Die Mehrzahl von ihnen verzeichnet aber unseres Wissens bisher nur wenig Umsatzeinbrüche. Wir haben deshalb keine großen Korrekturen an unseren Gewerbesteueransätzen vorgenommen, sondern die Zahlen lediglich vorsichtig nach unten gesetzt. Wir haben die Spanne an Gewerbesteuereinnahmen, die wir beim Erstellen des Haushaltsplanentwurfs für möglich hielten, angeschaut und orientieren uns am unteren Wert. Der Anteil an der Einkommenssteuer wird unseres Erachtens vorerst nicht stark, sondern nur ein wenig zurückgehen.
Wie sieht es auf der Ausgabenseite aus?
Ein Teil der Ausgaben ist beschlossene Sache, die Erschließungsarbeiten im Baugebiet „Langes Gewand“laufen. Für das Baugebiet „Ackenbach Süd“in Sulmingen haben wir den Ausschreibungsbeschluss gefasst, das wird nicht gestoppt. Die zahlreichen Malerarbeiten in der Gemeinde sind als großer Gesamtauftrag schon vergeben. Diese Ausgaben werden anfallen. Das gilt auch für die Kosten der Eigenkontrollverordnung. Wir sind verpflichtet, unsere Kanäle untersuchen zu lassen.
Was ist mit Projekten wie der neuen Ortsmitte in Maselheim? Dabei handelt es sich nicht um eine Pflichtaufgabe, sondern um den lang gehegten Wunsch nach einer Pflegeeinrichtung…
Ich hatte vor der Corona-Pandemie ein Gespräch mit der St.-Elisabeth-Stiftung, die sich bereit erklärt hat, uns ein Konzept für eine Pflegeeinrichtung zu erstellen und uns bei der Bedarfserhebung behilflich zu sein. Pandemiebedingt ruhen diese Vorarbeiten. Die neue Ortsmitte steht aber weiterhin im Haushaltsplanentwurf. Der Entwurf bleibt in etwa so wie wir ihn ursprünglich geplant hatten. Zumal ich davon ausgehe, dass nicht 2020 das Problemjahr wird, sondern die Corona-Folgen erst 2021 richtig spürbar sein werden. Die Haushalte der kommenden Jahre werden eher Sparhaushalte werden. Auf Effizienz und die finanziellen Auswirkungen unseres
Handelns zu achten wird – wie bisher auch – von zentraler Bedeutung sein. Dass die Corona-Zeit nicht ohne Folgen an uns vorbeigeht ist meiner Meinung nach sicher!
Im „Langen Gewand“in Maselheim soll in diesem Jahr der Bauplatzverkauf beginnen. In Sulmingen und Äpfingen sind kleinere Baugebiete geplant. Glauben Sie, dass Sie in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit diese Zahl an Bauplätzen brauchen werden?
Auf der Interessentenliste in Maselheim und Sulmingen stehen insgesamt rund 200 Namen. An der Nachfrage in diesem Jahr wird sich meines Erachtens nichts ändern, möglicherweise wird aber der große Andrang im nächsten Jahr vorbei sein. Die junge Generation, die jetzt Häuser baut, hat nur erlebt, dass es bergauf geht. Ihr dadurch erlerntes Vertrauen in das ewige Wirtschaftswachstum wird erschüttert werden. Es werden Jahre kommen, in denen es schlechter läuft. Aber da wir ja nur wenige Bauplätze erschließen, gehe ich davon aus, dass wir diese Bauplätze auch brauchen.
Wird das Neubaugebiet in Äpfingen verschoben?
Das Baugebiet in Äpfingen wird sowieso später als ursprünglich vorgesehen realisiert werden, weil die Erschließungsplanung noch nicht beschlossen wurde. Aufgrund der Corona-Pandemie ist das nicht weitergegangen. Aus dieser Not machen wir jetzt eine Tugend und nutzen die Zeit, um zu sehen, wie sich das Interesse entwickelt. Wir arbeiten auf Sicht, wir schauen, wie der Verkauf im „Langen Gewand“läuft, dann geht es an das Sulminger Gebiet. Bis wir in Äpfingen zur Ausschreibung der Erschließung
kommen, wird es noch dauern.
Welche Arbeiten sind durch die Corona-Pandemie noch liegen geblieben?
Die Verhandlungen für den Grunderwerb für den Hochwasserschutz mussten aufgeschoben werden. Im Wasser- und Bodenverband Rottumtal kam das Thema Hochwasserschutz wegen der Pandemie auch nicht weiter voran. Im Gemeinderat hätte eine ganze Reihe von weiteren kleinen und größeren Themen angestanden, wie die Festlegung des Verkaufspreises und der Vergabekriterien für das „Lange Gewand“. Es wird eine Welle von liegengebliebenen Aufgaben auf uns zukommen.
Rücksichtnahme auf andere, Nachbarn helfen: Glauben Sie, dass von diesen Tugenden nach der Pandemie etwas bleiben wird?
Ich bin gespannt auf die weitere gesellschaftliche Entwicklung. Schon beim Hochwasser haben wir gelernt, dass wir machtlos aber nicht hilflos sind. Wir machen gerade die Erfahrung, dass es Krankheit, Tod und Not gibt. Darüber wollte zuletzt doch niemand mehr nachdenken. Wer hätte vor acht Wochen geglaubt, dass heute fast die ganze Welt stillsteht. Werden wir uns künftig mehr mit Krankheit und Tod auseinandersetzen, auch ohne Corona? Ich frage mich, wie schnell die Menschen die Entbehrungen, die sie jetzt erleben, vergessen werden. Wenn wir die Vergänglichkeit und die Fragilität unseres Lebens, die uns Corona auch in der modernen Gesellschaft zeigt, verinnerlichen, wird vielleicht die Rücksichtnahme auf andere wieder wachsen. Oder nimmt der Egoismus zu?